Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Schau an nur, wie ich blute,
So hat mein Angesicht
Manch' dornig scharfe Ruthe
Im Wald mir zugericht't!"
"Für beiderlei Gebrechen,
Junkherrlein, weiß ich Rath;
Der Wunde Kräuter brechen
Und zeigen Euch den Pfad,
Ich will es unverdrossen!
Habt Ihr Euch schwer verletzt?"
Und wo mit dem Genossen
Der Junker sich gesetzt,
Zum Eichenstamm im Moose
Tritt furchtlos sie heran;
Wie eine wilde Rose
Thaufrisch im stillen Tann,
Neigt sie sich zu dem Kranken
Und löst die Binde dicht
Von seinem Haupt, dem schlanken,
Und von dem Angesicht,
Und starrt -- und sieht erschrecket,
Wie bei der Tücher Fall
Des Junkers Nacken decket
Goldblonder Locken Schwall,
Wie plötzlich voller Schelme --
Nie hätte sie's geglaubt --
Taucht aus dem Pickelhelme
Ein reizend Mädchenhaupt.
"Hat der Scholar, der Kleine,
Lieb Dirnchen Dich erschreckt
Und eine wunderfeine
Schau an nur, wie ich blute,
So hat mein Angeſicht
Manch' dornig ſcharfe Ruthe
Im Wald mir zugericht't!“
„Für beiderlei Gebrechen,
Junkherrlein, weiß ich Rath;
Der Wunde Kräuter brechen
Und zeigen Euch den Pfad,
Ich will es unverdroſſen!
Habt Ihr Euch ſchwer verletzt?“
Und wo mit dem Genoſſen
Der Junker ſich geſetzt,
Zum Eichenſtamm im Mooſe
Tritt furchtlos ſie heran;
Wie eine wilde Roſe
Thaufriſch im ſtillen Tann,
Neigt ſie ſich zu dem Kranken
Und löſt die Binde dicht
Von ſeinem Haupt, dem ſchlanken,
Und von dem Angeſicht,
Und ſtarrt — und ſieht erſchrecket,
Wie bei der Tücher Fall
Des Junkers Nacken decket
Goldblonder Locken Schwall,
Wie plötzlich voller Schelme —
Nie hätte ſie's geglaubt —
Taucht aus dem Pickelhelme
Ein reizend Mädchenhaupt.
„Hat der Scholar, der Kleine,
Lieb Dirnchen Dich erſchreckt
Und eine wunderfeine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0098" n="84"/>
          <lg n="3">
            <l>Schau an nur, wie ich blute,</l><lb/>
            <l>So hat mein Ange&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Manch' dornig &#x017F;charfe Ruthe</l><lb/>
            <l>Im Wald mir zugericht't!&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Für beiderlei Gebrechen,</l><lb/>
            <l>Junkherrlein, weiß ich Rath;</l><lb/>
            <l>Der Wunde Kräuter brechen</l><lb/>
            <l>Und zeigen Euch den Pfad,</l><lb/>
            <l>Ich will es unverdro&#x017F;&#x017F;en!</l><lb/>
            <l>Habt Ihr Euch &#x017F;chwer verletzt?&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und wo mit dem Geno&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Der Junker &#x017F;ich ge&#x017F;etzt,</l><lb/>
            <l>Zum Eichen&#x017F;tamm im Moo&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Tritt furchtlos &#x017F;ie heran;</l><lb/>
            <l>Wie eine wilde Ro&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Thaufri&#x017F;ch im &#x017F;tillen Tann,</l><lb/>
            <l>Neigt &#x017F;ie &#x017F;ich zu dem Kranken</l><lb/>
            <l>Und lö&#x017F;t die Binde dicht</l><lb/>
            <l>Von &#x017F;einem Haupt, dem &#x017F;chlanken,</l><lb/>
            <l>Und von dem Ange&#x017F;icht,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;tarrt &#x2014; und &#x017F;ieht er&#x017F;chrecket,</l><lb/>
            <l>Wie bei der Tücher Fall</l><lb/>
            <l>Des Junkers Nacken decket</l><lb/>
            <l>Goldblonder Locken Schwall,</l><lb/>
            <l>Wie plötzlich voller Schelme &#x2014;</l><lb/>
            <l>Nie hätte &#x017F;ie's geglaubt &#x2014;</l><lb/>
            <l>Taucht aus dem Pickelhelme</l><lb/>
            <l>Ein reizend Mädchenhaupt.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Hat der Scholar, der Kleine,</l><lb/>
            <l>Lieb Dirnchen Dich er&#x017F;chreckt</l><lb/>
            <l>Und eine wunderfeine</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0098] Schau an nur, wie ich blute, So hat mein Angeſicht Manch' dornig ſcharfe Ruthe Im Wald mir zugericht't!“ „Für beiderlei Gebrechen, Junkherrlein, weiß ich Rath; Der Wunde Kräuter brechen Und zeigen Euch den Pfad, Ich will es unverdroſſen! Habt Ihr Euch ſchwer verletzt?“ Und wo mit dem Genoſſen Der Junker ſich geſetzt, Zum Eichenſtamm im Mooſe Tritt furchtlos ſie heran; Wie eine wilde Roſe Thaufriſch im ſtillen Tann, Neigt ſie ſich zu dem Kranken Und löſt die Binde dicht Von ſeinem Haupt, dem ſchlanken, Und von dem Angeſicht, Und ſtarrt — und ſieht erſchrecket, Wie bei der Tücher Fall Des Junkers Nacken decket Goldblonder Locken Schwall, Wie plötzlich voller Schelme — Nie hätte ſie's geglaubt — Taucht aus dem Pickelhelme Ein reizend Mädchenhaupt. „Hat der Scholar, der Kleine, Lieb Dirnchen Dich erſchreckt Und eine wunderfeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/98
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/98>, abgerufen am 17.05.2024.