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Estor, Johann Georg: Bürgerliche rechtsgelehrsamkeit der Teutschen. Bd. 1. Marburg, 1757.

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und der gerechtigkeit.
§ 50

Die liebe der Teutschen zur gerechtigkeit hatdie Römi-
schen sitten
hingegen
verhaßt,

das sprüchwort aufgebracht: "juristen böse chri-
"sten, oder jurist ein böser christ, mit leibe und sele
"des teufels ist; advocaten, schadvocaten", Hert
paroem. 1 s. 255, Pistorius cent. II paroem. 12
s. 149 cent. 7 paroem. 27 s. 593; indem die Teut-
sche glaubten: alle Römische juristen, imgleichen
die canonisten, wären lauter verdamte rechtsver-
dreher. Wie dann Florus lib. 4 cap. 17 von ihnen
bezeuget, was maßen sie einen solchen haß wider
die Römischen advocaten geäussert, daß sie einigen
die augen, hände verstümmelt, einigen den mund
zugenehet, und vorher die zunge ausgeschnitten, sol-
che in die höhe gehalten, und gesaget hätten: tan-
dem vipera sibilare desiste!
Ja kaiser Friderich
der III hat in einer zu Mainz 1441 zum vortrag ge-
brachten sazung keinen doctoren leiden können;
Meier in der disp. juristen, böse christen, Johann
Joachim Müllers
Reichstagstheatrum unter
kaiser Friderichen V vorst. 1 cap. 5 s. 58, Dreyer am
a. o. s. 159 und 160, Schüz de odio Germano-
rum in caussarum patronos.

§ 51

Ungeachtet die Teutschen so sehr aufs recht hiel-hielten das
versprechen
unverlezlich

ten, glaubten sie dennoch, man müsse das verspre-
chen eher halten, als das recht: mithin sagten sie:
"willkühr bricht landrecht, oder geding, gelübd
"bricht landrecht" das ist, pacta derogant statu-
tis siue legibus,
Pistorius cent. 8 paroem. 15
cent. 9 paroem.
71, Hert paroem. 9 s. 270. Aus
diesem sprüchworte flüßet, daß, wenn ich bei einen
handel seze: nach gefallen, nach beliben, quando-
cunque volueris,
niemals eine verjährung laufe,
Hert am a. o.

§ 52
B 3
und der gerechtigkeit.
§ 50

Die liebe der Teutſchen zur gerechtigkeit hatdie Roͤmi-
ſchen ſitten
hingegen
verhaßt,

das ſpruͤchwort aufgebracht: „juriſten boͤſe chri-
„ſten, oder juriſt ein boͤſer chriſt, mit leibe und ſele
„des teufels iſt; advocaten, ſchadvocaten„, Hert
paroem. 1 ſ. 255, Piſtorius cent. II paroem. 12
ſ. 149 cent. 7 paroem. 27 ſ. 593; indem die Teut-
ſche glaubten: alle Roͤmiſche juriſten, imgleichen
die canoniſten, waͤren lauter verdamte rechtsver-
dreher. Wie dann Florus lib. 4 cap. 17 von ihnen
bezeuget, was maßen ſie einen ſolchen haß wider
die Roͤmiſchen advocaten geaͤuſſert, daß ſie einigen
die augen, haͤnde verſtuͤmmelt, einigen den mund
zugenehet, und vorher die zunge ausgeſchnitten, ſol-
che in die hoͤhe gehalten, und geſaget haͤtten: tan-
dem vipera ſibilare deſiſte!
Ja kaiſer Friderich
der III hat in einer zu Mainz 1441 zum vortrag ge-
brachten ſazung keinen doctoren leiden koͤnnen;
Meier in der diſp. juriſten, boͤſe chriſten, Johann
Joachim Muͤllers
Reichstagstheatrum unter
kaiſer Friderichen V vorſt. 1 cap. 5 ſ. 58, Dreyer am
a. o. ſ. 159 und 160, Schuͤz de odio Germano-
rum in cauſſarum patronos.

§ 51

Ungeachtet die Teutſchen ſo ſehr aufs recht hiel-hielten das
verſprechen
unverlezlich

ten, glaubten ſie dennoch, man muͤſſe das verſpre-
chen eher halten, als das recht: mithin ſagten ſie:
„willkuͤhr bricht landrecht, oder geding, geluͤbd
„bricht landrecht„ das iſt, pacta derogant ſtatu-
tis ſiue legibus,
Piſtorius cent. 8 paroem. 15
cent. 9 paroem.
71, Hert paroem. 9 ſ. 270. Aus
dieſem ſpruͤchworte fluͤßet, daß, wenn ich bei einen
handel ſeze: nach gefallen, nach beliben, quando-
cunque volueris,
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Hert am a. o.

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[21/0031] und der gerechtigkeit. § 50 Die liebe der Teutſchen zur gerechtigkeit hat das ſpruͤchwort aufgebracht: „juriſten boͤſe chri- „ſten, oder juriſt ein boͤſer chriſt, mit leibe und ſele „des teufels iſt; advocaten, ſchadvocaten„, Hert paroem. 1 ſ. 255, Piſtorius cent. II paroem. 12 ſ. 149 cent. 7 paroem. 27 ſ. 593; indem die Teut- ſche glaubten: alle Roͤmiſche juriſten, imgleichen die canoniſten, waͤren lauter verdamte rechtsver- dreher. Wie dann Florus lib. 4 cap. 17 von ihnen bezeuget, was maßen ſie einen ſolchen haß wider die Roͤmiſchen advocaten geaͤuſſert, daß ſie einigen die augen, haͤnde verſtuͤmmelt, einigen den mund zugenehet, und vorher die zunge ausgeſchnitten, ſol- che in die hoͤhe gehalten, und geſaget haͤtten: tan- dem vipera ſibilare deſiſte! Ja kaiſer Friderich der III hat in einer zu Mainz 1441 zum vortrag ge- brachten ſazung keinen doctoren leiden koͤnnen; Meier in der diſp. juriſten, boͤſe chriſten, Johann Joachim Muͤllers Reichstagstheatrum unter kaiſer Friderichen V vorſt. 1 cap. 5 ſ. 58, Dreyer am a. o. ſ. 159 und 160, Schuͤz de odio Germano- rum in cauſſarum patronos. die Roͤmi- ſchen ſitten hingegen verhaßt, § 51 Ungeachtet die Teutſchen ſo ſehr aufs recht hiel- ten, glaubten ſie dennoch, man muͤſſe das verſpre- chen eher halten, als das recht: mithin ſagten ſie: „willkuͤhr bricht landrecht, oder geding, geluͤbd „bricht landrecht„ das iſt, pacta derogant ſtatu- tis ſiue legibus, Piſtorius cent. 8 paroem. 15 cent. 9 paroem. 71, Hert paroem. 9 ſ. 270. Aus dieſem ſpruͤchworte fluͤßet, daß, wenn ich bei einen handel ſeze: nach gefallen, nach beliben, quando- cunque volueris, niemals eine verjaͤhrung laufe, Hert am a. o. hielten das verſprechen unverlezlich § 52 B 3

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Bürgerliche rechtsgelehrsamkeit der Teutschen. Bd. 1. Marburg, 1757, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit01_1757/31>, abgerufen am 24.11.2024.