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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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II buch, LXX haubtst. v. d. testam.
den war: wer selig will sterben, der verlasse sein
gut dem rechten erben; wie es auch bei den He-
bräern geschehen ist im 1ten Buche Mosis 25 v. 5,
und cap. 48, v. 22; Allein die geistliche, welche
bei den Franken auf alle weise etwas für sich zu
capern bemühet waren, beredeten die leute zu stif-
tungen, das ist, vermächtnissen zu milden sachen,
und wendeten für: 1) Die guten werke, welche da-
durch verrichtet werden müßten, 2) die grausamkeit
und qual des fegefeuers, Joh. von Costa de reve-
nues ecclesiastiques,
woraus die seele bald zu erlö-
sen wäre; mithin bedürfte sie einer abkülung, und
befreiung des schmerzes, welcher mit dem hauen
der brennesseln verglichen wird. Hirdurch wur-
den sowohl hohe personen, als auch andere unwis-
sende leute zu den stiftungen verleitet, welche aber
nicht nach römischer art, sondern nach der pfaffen
weise, gemachet wurden; die päpste erlissen auch
die feierlichkeiten bei den lezten willen cap. 10, X.
de testam.
Man hise dergleichen testirer geschefft-
macher, wie man in den urkunden und stadtgesä-
zen, z. e. der Reichsstadt Heilbronr th. 5 tit. 9,
und andern antrift. Dise vermächtnisse gescha-
hen durch anweisung eines järlichen zinsses für die
kirchen, klöster etc, oder durch einen besigelten brif,
welchen die geistliche aufsezeten, und wohl gar die
abscheulichsten flüche demselben anfügeten, wer
solchen nicht erfüllen würde. Dergleichen ver-
bindungen nenneten die geistliche testamenta fir-
ma; es bekräftigten auch wohl die richter die be-
sigelten brife. Reinhardt vom erbfolgerechte der
töchter etc. s. 135 fg. hiraus erhellet: daß es auch
testamente gebe: welche weder nach den römischen
noch den päpstlichen rechten errichtet werden; son-
dern blos auf die gewonheit des ortes, und das
herkommen sich steifen. Dises seelgeräte, oder

geschefft

II buch, LXX haubtſt. v. d. teſtam.
den war: wer ſelig will ſterben, der verlaſſe ſein
gut dem rechten erben; wie es auch bei den He-
braͤern geſchehen iſt im 1ten Buche Moſis 25 v. 5,
und cap. 48, v. 22; Allein die geiſtliche, welche
bei den Franken auf alle weiſe etwas fuͤr ſich zu
capern bemuͤhet waren, beredeten die leute zu ſtif-
tungen, das iſt, vermaͤchtniſſen zu milden ſachen,
und wendeten fuͤr: 1) Die guten werke, welche da-
durch verrichtet werden muͤßten, 2) die grauſamkeit
und qual des fegefeuers, Joh. von Coſta de reve-
nues eccleſiaſtiques,
woraus die ſeele bald zu erloͤ-
ſen waͤre; mithin beduͤrfte ſie einer abkuͤlung, und
befreiung des ſchmerzes, welcher mit dem hauen
der brenneſſeln verglichen wird. Hirdurch wur-
den ſowohl hohe perſonen, als auch andere unwiſ-
ſende leute zu den ſtiftungen verleitet, welche aber
nicht nach roͤmiſcher art, ſondern nach der pfaffen
weiſe, gemachet wurden; die paͤpſte erliſſen auch
die feierlichkeiten bei den lezten willen cap. 10, X.
de teſtam.
Man hiſe dergleichen teſtirer geſchefft-
macher, wie man in den urkunden und ſtadtgeſaͤ-
zen, z. e. der Reichsſtadt Heilbronr th. 5 tit. 9,
und andern antrift. Diſe vermaͤchtniſſe geſcha-
hen durch anweiſung eines jaͤrlichen zinſſes fuͤr die
kirchen, kloͤſter ꝛc, oder durch einen beſigelten brif,
welchen die geiſtliche aufſezeten, und wohl gar die
abſcheulichſten fluͤche demſelben anfuͤgeten, wer
ſolchen nicht erfuͤllen wuͤrde. Dergleichen ver-
bindungen nenneten die geiſtliche teſtamenta fir-
ma; es bekraͤftigten auch wohl die richter die be-
ſigelten brife. Reinhardt vom erbfolgerechte der
toͤchter ꝛc. ſ. 135 fg. hiraus erhellet: daß es auch
teſtamente gebe: welche weder nach den roͤmiſchen
noch den paͤpſtlichen rechten errichtet werden; ſon-
dern blos auf die gewonheit des ortes, und das
herkommen ſich ſteifen. Diſes ſeelgeraͤte, oder

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[1003/1027] II buch, LXX haubtſt. v. d. teſtam. den war: wer ſelig will ſterben, der verlaſſe ſein gut dem rechten erben; wie es auch bei den He- braͤern geſchehen iſt im 1ten Buche Moſis 25 v. 5, und cap. 48, v. 22; Allein die geiſtliche, welche bei den Franken auf alle weiſe etwas fuͤr ſich zu capern bemuͤhet waren, beredeten die leute zu ſtif- tungen, das iſt, vermaͤchtniſſen zu milden ſachen, und wendeten fuͤr: 1) Die guten werke, welche da- durch verrichtet werden muͤßten, 2) die grauſamkeit und qual des fegefeuers, Joh. von Coſta de reve- nues eccleſiaſtiques, woraus die ſeele bald zu erloͤ- ſen waͤre; mithin beduͤrfte ſie einer abkuͤlung, und befreiung des ſchmerzes, welcher mit dem hauen der brenneſſeln verglichen wird. Hirdurch wur- den ſowohl hohe perſonen, als auch andere unwiſ- ſende leute zu den ſtiftungen verleitet, welche aber nicht nach roͤmiſcher art, ſondern nach der pfaffen weiſe, gemachet wurden; die paͤpſte erliſſen auch die feierlichkeiten bei den lezten willen cap. 10, X. de teſtam. Man hiſe dergleichen teſtirer geſchefft- macher, wie man in den urkunden und ſtadtgeſaͤ- zen, z. e. der Reichsſtadt Heilbronr th. 5 tit. 9, und andern antrift. Diſe vermaͤchtniſſe geſcha- hen durch anweiſung eines jaͤrlichen zinſſes fuͤr die kirchen, kloͤſter ꝛc, oder durch einen beſigelten brif, welchen die geiſtliche aufſezeten, und wohl gar die abſcheulichſten fluͤche demſelben anfuͤgeten, wer ſolchen nicht erfuͤllen wuͤrde. Dergleichen ver- bindungen nenneten die geiſtliche teſtamenta fir- ma; es bekraͤftigten auch wohl die richter die be- ſigelten brife. Reinhardt vom erbfolgerechte der toͤchter ꝛc. ſ. 135 fg. hiraus erhellet: daß es auch teſtamente gebe: welche weder nach den roͤmiſchen noch den paͤpſtlichen rechten errichtet werden; ſon- dern blos auf die gewonheit des ortes, und das herkommen ſich ſteifen. Diſes ſeelgeraͤte, oder geſchefft

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1003. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1027>, abgerufen am 22.11.2024.