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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von den beweiß-gründen,
denen beweiß-gründen dienlich sind, und end-
lich so werden exempel und fabeln, eins wie
das ander, bey leuten die wahrheit und mög-
lichkeit unterscheiden, keine abstracta begreif-
fen können, sinnlich gewöhnet sind, sich vom
studio imitandi und aemulatione führen lassen,
und sonst in vorurtheilen stecken oder affecten
haben, für tüchtige beweiß-gründe passiren.
Zugeschweigen, daß man sie auch zum zierrath
einer rede und dieselbe auszudehnen und ange-
nehm zu machen, nicht unbillich anführet. Wie
sie als illustrantia zugebrauchen siehe im folgen-
den capitel.

Z. e. Jch setze: Aus einer ansehnlichen familie
entsprossen seyn, ist nicht allemahl ein zeichen
eines grossen verstandes.
Exempl. Jener Bi-
schoff in Franckreich war eines schweinhir-
ten sohn, da ihm nun ein andrer seines glei-
chen, aber der aus einem vornebmen hau-
se entsprossen, seine niedrige geburt fürwarff,
antwortete iener: Wann ihr meines vaters
sohn wäret, so würdet ihr ietzo die schweine
hüten.
Eine andere Thesis: Unzeitiger schertz
bringt in das gröste unglück.
Exemplum: zu
Tiberii zeiten sagte iemand zu einer leiche,
sie solte dem vergötterten Augusto die nach-
richt bringen, daß dem volcke was er im te-
stament verordnet noch nicht zu gute kom-
men wäre. Wie dieses Tiberius erfuhr ließ
er ihn für sich fodern, und
nachdem er ihm
angedeutet daß er diese nachricht selbst bringen
solte, alsofort hinrichten. Also konte iener gar
wohl bey dem pöbel mit seinem beweiß fortkom-
men, da er ihm zeigen wolte: Unterthanen sol-
ten sich nicht wieder ihre obrigkeit anflehnen;

und

von den beweiß-gruͤnden,
denen beweiß-gruͤnden dienlich ſind, und end-
lich ſo werden exempel und fabeln, eins wie
das ander, bey leuten die wahrheit und moͤg-
lichkeit unterſcheiden, keine abſtracta begreif-
fen koͤnnen, ſinnlich gewoͤhnet ſind, ſich vom
ſtudio imitandi und aemulatione fuͤhren laſſen,
und ſonſt in vorurtheilen ſtecken oder affecten
haben, fuͤr tuͤchtige beweiß-gruͤnde paſſiren.
Zugeſchweigen, daß man ſie auch zum zierrath
einer rede und dieſelbe auszudehnen und ange-
nehm zu machen, nicht unbillich anfuͤhret. Wie
ſie als illuſtrantia zugebꝛauchen ſiehe im folgen-
den capitel.

Z. e. Jch ſetze: Aus einer anſehnlichen familie
entſproſſen ſeyn, iſt nicht allemahl ein zeichen
eines groſſen verſtandes.
Exempl. Jener Bi-
ſchoff in Franckreich war eines ſchweinhir-
ten ſohn, da ihm nun ein andrer ſeines glei-
chen, aber der aus einem vornebmen hau-
ſe entſproſſen, ſeine niedrige geburt fuͤrwarff,
antwortete iener: Wann ihr meines vaters
ſohn waͤret, ſo wuͤrdet ihr ietzo die ſchweine
huͤten.
Eine andere Theſis: Unzeitiger ſchertz
bringt in das groͤſte ungluͤck.
Exemplum: zu
Tiberii zeiten ſagte iemand zu einer leiche,
ſie ſolte dem vergoͤtterten Auguſto die nach-
richt bringen, daß dem volcke was er im te-
ſtament verordnet noch nicht zu gute kom-
men waͤre. Wie dieſes Tiberius erfuhr ließ
er ihn fuͤr ſich fodern, und
nachdem er ihm
angedeutet daß er dieſe nachricht ſelbſt bringen
ſolte, alſofort hinrichten. Alſo konte iener gar
wohl bey dem poͤbel mit ſeinem beweiß fortkom-
men, da er ihm zeigen wolte: Unterthanen ſol-
ten ſich nicht wieder ihre obrigkeit anflehnen;

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[84/0102] von den beweiß-gruͤnden, denen beweiß-gruͤnden dienlich ſind, und end- lich ſo werden exempel und fabeln, eins wie das ander, bey leuten die wahrheit und moͤg- lichkeit unterſcheiden, keine abſtracta begreif- fen koͤnnen, ſinnlich gewoͤhnet ſind, ſich vom ſtudio imitandi und aemulatione fuͤhren laſſen, und ſonſt in vorurtheilen ſtecken oder affecten haben, fuͤr tuͤchtige beweiß-gruͤnde paſſiren. Zugeſchweigen, daß man ſie auch zum zierrath einer rede und dieſelbe auszudehnen und ange- nehm zu machen, nicht unbillich anfuͤhret. Wie ſie als illuſtrantia zugebꝛauchen ſiehe im folgen- den capitel. Z. e. Jch ſetze: Aus einer anſehnlichen familie entſproſſen ſeyn, iſt nicht allemahl ein zeichen eines groſſen verſtandes. Exempl. Jener Bi- ſchoff in Franckreich war eines ſchweinhir- ten ſohn, da ihm nun ein andrer ſeines glei- chen, aber der aus einem vornebmen hau- ſe entſproſſen, ſeine niedrige geburt fuͤrwarff, antwortete iener: Wann ihr meines vaters ſohn waͤret, ſo wuͤrdet ihr ietzo die ſchweine huͤten. Eine andere Theſis: Unzeitiger ſchertz bringt in das groͤſte ungluͤck. Exemplum: zu Tiberii zeiten ſagte iemand zu einer leiche, ſie ſolte dem vergoͤtterten Auguſto die nach- richt bringen, daß dem volcke was er im te- ſtament verordnet noch nicht zu gute kom- men waͤre. Wie dieſes Tiberius erfuhr ließ er ihn fuͤr ſich fodern, und nachdem er ihm angedeutet daß er dieſe nachricht ſelbſt bringen ſolte, alſofort hinrichten. Alſo konte iener gar wohl bey dem poͤbel mit ſeinem beweiß fortkom- men, da er ihm zeigen wolte: Unterthanen ſol- ten ſich nicht wieder ihre obrigkeit anflehnen; und

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/102>, abgerufen am 27.11.2024.