Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.Vorrede. urtheil, so lerne ich ia etwas von ihm/ und beküm-mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu anlaß gegeben, iene schützet man mehrentheils für, und dieser ist das rechte principium movens. Jst er unvernünftig, so wirds ihm gehen wie dem Alex- andro, da er von des Apellis gemählde unrecht rai- sonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten; denn es werden auch die anfänger der beredsamkeit ihn für einen ungeschickten raisonneur halten. Jst er endlich gar grob/ so fehlt mirs nicht an hertz, auch nicht an der fähigkeit, ihm gehöriger weise zu begegnen. Meines orts lasse ich, wenn du es an- ders auch zufrieden bist, geneigter leser, dem herrn auctori darinne seine freyheit, und kan ers halten nach seinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern, daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro- chen reden hörest, daraus schlüsse machest: denn er redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein- zele personen, denen er nicht trauet, und die er nicht kennet. Sonst halte ich ihn für so complaisant, daß er niemand seine meinung aufdringet, aber sich nicht gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen läst, ohngeachtet er keine schwierigkeit macht, allen leuten suo modo recht zu geben, aber nicht von dir prätendiret, daß du ihm in allem beyfallen soltest, da du vielleicht mit deinem geschmack selbst noch nicht einig bist. Zwey dinge muß ich doch noch berüh- ren, einmahl die allegirten auctores und hernach die beygebrachten exempel. Bey ienem scheints, als wann der herr auctor wenig staat darauf machte, denn er führt sie so quasi aliud agendo an. Jch habe ihm treuhertzig gerathen, er solle etwan sehen, wie er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm vorspann gebe, und die auctores brav zusammen peitschete, ich habe ihm auch etliche fürgeschlagen, welche, ohngeachtet sie so wenig Frantzöisch als Rabbinisch verstehen, doch gantze bücher mit Fran- tzöi-
Vorrede. urtheil, ſo lerne ich ia etwas von ihm/ und bekuͤm-mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu anlaß gegeben, iene ſchuͤtzet man mehrentheils fuͤr, und dieſer iſt das rechte principium movens. Jſt er unvernuͤnftig, ſo wirds ihm gehen wie dem Alex- andro, da er von des Apellis gemaͤhlde unrecht rai- ſonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten; denn es werden auch die anfaͤnger der beredſamkeit ihn fuͤr einen ungeſchickten raiſonneur halten. Jſt er endlich gar grob/ ſo fehlt mirs nicht an hertz, auch nicht an der faͤhigkeit, ihm gehoͤriger weiſe zu begegnen. Meines orts laſſe ich, wenn du es an- ders auch zufrieden biſt, geneigter leſer, dem herrn auctori darinne ſeine freyheit, und kan ers halten nach ſeinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern, daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro- chen reden hoͤreſt, daraus ſchluͤſſe macheſt: denn er redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein- zele perſonen, denen er nicht trauet, und die er nicht kennet. Sonſt halte ich ihn fuͤr ſo complaiſant, daß er niemand ſeine meinung aufdringet, abeꝛ ſich nicht gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen laͤſt, ohngeachtet er keine ſchwierigkeit macht, allen leuten ſuo modo recht zu geben, aber nicht von dir praͤtendiret, daß du ihm in allem beyfallen ſolteſt, da du vielleicht mit deinem geſchmack ſelbſt noch nicht einig biſt. Zwey dinge muß ich doch noch beruͤh- ren, einmahl die allegirten auctores und heꝛnach die beygebrachten exempel. Bey ienem ſcheints, als wann der herr auctor wenig ſtaat darauf machte, denn er fuͤhrt ſie ſo quaſi aliud agendo an. Jch habe ihm treuhertzig gerathen, er ſolle etwan ſehen, wie er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm vorſpann gebe, und die auctores brav zuſammen peitſchete, ich habe ihm auch etliche fuͤrgeſchlagen, welche, ohngeachtet ſie ſo wenig Frantzoͤiſch als Rabbiniſch verſtehen, doch gantze buͤcher mit Fran- tzoͤi-
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0014"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vorrede.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">urtheil, ſo lerne ich ia etwas von ihm/ und bekuͤm-<lb/> mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die<lb/> liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu<lb/> anlaß gegeben, iene ſchuͤtzet man mehrentheils fuͤr,<lb/> und dieſer iſt das rechte principium movens. Jſt<lb/> er unvernuͤnftig, ſo wirds ihm gehen wie dem Alex-<lb/> andro, da er von des Apellis gemaͤhlde unrecht rai-<lb/> ſonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten;<lb/> denn es werden auch die anfaͤnger der beredſamkeit<lb/> ihn fuͤr einen ungeſchickten raiſonneur halten.<lb/> Jſt er endlich gar grob/ ſo fehlt mirs nicht an hertz,<lb/> auch nicht an der faͤhigkeit, ihm gehoͤriger weiſe zu<lb/> begegnen. Meines orts laſſe ich, wenn du es an-<lb/> ders auch zufrieden biſt, geneigter leſer, dem herrn<lb/> auctori darinne ſeine freyheit, und kan ers halten<lb/> nach ſeinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern,<lb/> daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro-<lb/> chen reden hoͤreſt, daraus ſchluͤſſe macheſt: denn er<lb/> redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein-<lb/> zele perſonen, denen er nicht trauet, und die er nicht<lb/> kennet. Sonſt halte ich ihn fuͤr ſo complaiſant, daß<lb/> er niemand ſeine meinung aufdringet, abeꝛ ſich nicht<lb/> gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen<lb/> laͤſt, ohngeachtet er keine ſchwierigkeit macht, allen<lb/> leuten</hi> <hi rendition="#aq">ſuo modo</hi> <hi rendition="#fr">recht zu geben, aber nicht von dir<lb/> praͤtendiret, daß du ihm in allem beyfallen ſolteſt, da<lb/> du vielleicht mit deinem geſchmack ſelbſt noch nicht<lb/> einig biſt. Zwey dinge muß ich doch noch beruͤh-<lb/> ren, einmahl die allegirten auctores und heꝛnach die<lb/> beygebrachten exempel. Bey ienem ſcheints, als<lb/> wann der herr auctor wenig ſtaat darauf machte,<lb/> denn er fuͤhrt ſie ſo</hi> <hi rendition="#aq">quaſi aliud agendo</hi> <hi rendition="#fr">an. Jch habe<lb/> ihm treuhertzig gerathen, er ſolle etwan ſehen, wie<lb/> er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm<lb/> vorſpann gebe, und die auctores brav zuſammen<lb/> peitſchete, ich habe ihm auch etliche fuͤrgeſchlagen,<lb/> welche, ohngeachtet ſie ſo wenig Frantzoͤiſch als<lb/> Rabbiniſch verſtehen, doch gantze buͤcher mit Fran-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">tzoͤi-</hi> </fw><lb/> </p> </div> </front> </text> </TEI> [0014]
Vorrede.
urtheil, ſo lerne ich ia etwas von ihm/ und bekuͤm-
mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die
liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu
anlaß gegeben, iene ſchuͤtzet man mehrentheils fuͤr,
und dieſer iſt das rechte principium movens. Jſt
er unvernuͤnftig, ſo wirds ihm gehen wie dem Alex-
andro, da er von des Apellis gemaͤhlde unrecht rai-
ſonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten;
denn es werden auch die anfaͤnger der beredſamkeit
ihn fuͤr einen ungeſchickten raiſonneur halten.
Jſt er endlich gar grob/ ſo fehlt mirs nicht an hertz,
auch nicht an der faͤhigkeit, ihm gehoͤriger weiſe zu
begegnen. Meines orts laſſe ich, wenn du es an-
ders auch zufrieden biſt, geneigter leſer, dem herrn
auctori darinne ſeine freyheit, und kan ers halten
nach ſeinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern,
daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro-
chen reden hoͤreſt, daraus ſchluͤſſe macheſt: denn er
redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein-
zele perſonen, denen er nicht trauet, und die er nicht
kennet. Sonſt halte ich ihn fuͤr ſo complaiſant, daß
er niemand ſeine meinung aufdringet, abeꝛ ſich nicht
gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen
laͤſt, ohngeachtet er keine ſchwierigkeit macht, allen
leuten ſuo modo recht zu geben, aber nicht von dir
praͤtendiret, daß du ihm in allem beyfallen ſolteſt, da
du vielleicht mit deinem geſchmack ſelbſt noch nicht
einig biſt. Zwey dinge muß ich doch noch beruͤh-
ren, einmahl die allegirten auctores und heꝛnach die
beygebrachten exempel. Bey ienem ſcheints, als
wann der herr auctor wenig ſtaat darauf machte,
denn er fuͤhrt ſie ſo quaſi aliud agendo an. Jch habe
ihm treuhertzig gerathen, er ſolle etwan ſehen, wie
er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm
vorſpann gebe, und die auctores brav zuſammen
peitſchete, ich habe ihm auch etliche fuͤrgeſchlagen,
welche, ohngeachtet ſie ſo wenig Frantzoͤiſch als
Rabbiniſch verſtehen, doch gantze buͤcher mit Fran-
tzoͤi-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |