argumenta conciliantia. Sie sind von nicht geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den- cken, daß sie einem lebens-regeln fürschreiben, wodurch man die gewogenheit der leute in sei- ner aufführung an sich ziehe solle, sondern sie ge- ben nur mittel an die hand, wie man im reden den leuten gefallen könne, worauf bey der kunst zu überreden alles ankommt.
Sie könten zwar von einem ieden, aus den regeln der klugheit selbst, hergeholet werden, doch wird auch niemand böse seyn, wann ich ihn der mühe überhebe, zumahl da diese maximen, durch die gantze beredsamkeit, ihren nutzen erstrecken.
§. 4. Wer also im reden gefallen will, muß auf die beschaffenheit derer, die ihn hören, son- derlich sein absehen richten, da fehlt es denen zuhörern bald an liebe und vertrauen, wenn sie zumahl geldgeitzig sind, bald an hochachtung gegen ihm, wann sie ehrgeitzig, bald aber an aufmercksamkeit, wann sie wollüstig und flatter- haftig, und also muß er sich um ihre gewogen- heit, hochachtung und aufmercksamkeit, möglichsten fleisses bewerben.
§. 5. Die gewogenheit des zuhörers ge- winnet man, wenn man auf eine ungezwun- gene und anständige art, dem zuhörer sagt, was er gerne höret; ihn ohne verdächtige complimente lobet; sich ohne niederträchtig- keit ihm weit nachsetzet: sich allezeit so für- stellet, daß sich der zuhörer einen begrif von uns mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm habe; sehr honnet sey; sich der wohlfarth des
gemei-
von bewegungs-gruͤnden.
argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den- cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben, wodurch man die gewogenheit der leute in ſei- ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge- ben nur mittel an die hand, wie man im reden den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der kunſt zu uͤberreden alles ankommt.
Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken.
§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon- derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter- haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen- heit, hochachtung und aufmerckſamkeit, moͤglichſten fleiſſes bewerben.
§. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge- winnet man, wenn man auf eine ungezwun- gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt, was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig- keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr- ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth des
gemei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0140"n="122"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von bewegungs-gruͤnden.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">argumenta conciliantia.</hi> Sie ſind von nicht<lb/>
geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den-<lb/>
cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben,<lb/>
wodurch man die gewogenheit der leute in ſei-<lb/>
ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge-<lb/>
ben nur mittel an die hand, wie man im reden<lb/>
den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der<lb/>
kunſt zu uͤberreden alles ankommt.</p><lb/><list><item>Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln<lb/>
der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird<lb/>
auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe<lb/>
uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die<lb/>
gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken.</item></list><lb/><p>§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß<lb/>
auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon-<lb/>
derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen<lb/>
zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie<lb/>
zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung<lb/>
gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an<lb/>
aufmerckſamkeit, wañſie wolluͤſtig und flatter-<lb/>
haftig, und alſo muß er ſich um ihre <hirendition="#fr">gewogen-<lb/>
heit, hochachtung</hi> und aufmerckſamkeit,<lb/>
moͤglichſten fleiſſes bewerben.</p><lb/><p>§. 5. Die <hirendition="#fr">gewogenheit</hi> des zuhoͤrers ge-<lb/>
winnet man, wenn man auf eine ungezwun-<lb/>
gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt,<lb/>
was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige<lb/>
complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig-<lb/>
keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr-<lb/>ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns<lb/>
mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm<lb/>
habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth des<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gemei-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0140]
von bewegungs-gruͤnden.
argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht
geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den-
cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben,
wodurch man die gewogenheit der leute in ſei-
ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge-
ben nur mittel an die hand, wie man im reden
den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der
kunſt zu uͤberreden alles ankommt.
Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln
der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird
auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe
uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die
gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken.
§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß
auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon-
derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen
zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie
zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung
gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an
aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter-
haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen-
heit, hochachtung und aufmerckſamkeit,
moͤglichſten fleiſſes bewerben.
§. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge-
winnet man, wenn man auf eine ungezwun-
gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt,
was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige
complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig-
keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr-
ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns
mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm
habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth des
gemei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/140>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.