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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von denen unterschiedenen arten
bezeugungen herfürgesucht, und uns angethan
werden, wenn sie uns auch schon nicht zu-
kommen. Hat er etwas mit der mutter milch
in der jugend eingesogen, welches ihm ein un-
geschickter lehrmeister nicht zu benehmen ge-
trachtet, da scheint er wieder allen guten unter-
richt
unbeweglicher als ein berg darauf
donner und blitz loß stürmen. Bringet man
ihm aber die hofnung eines gewinstes bey, da
sind 1000. eyde nicht genung, ihn auch bey den
löblichsten vorsätzen zu verbinden. Jtzo sucht
er alle kleinigkeiten mit der grösten sorgfalt
zusammen, und bald verschläudert er auch die
wichtigsten sachen, weil er etwa dadurch meh-
rers zugewinnen trachtet, oder zum wenig-
sten sich in einem stande zuseyn glaubet, da er
niemahls banqueroutiren könne. Was er
diese stunde für ein geheimniß des staats gehal-
ten, wird in der andern ohne weitläuftigkeit
ausgeschüttet, wenn die verfluchte mißgunst
dem geitze die zunge löset. Bald eilet er mit
furchtsamen schritten in die verborgensten win-
ckel und scheinet für menschlicher gesellschafft ei-
nen abscheu zu tragen, bald aber will er in allen
versamlungen gegenwärtig seyn, und mit ieder-
mann bekanntschafft aufrichten, damit er dort
auf anderer unkosten zehren, hier aber seine
ducaten vermehren, in beyden aber verächt-
lich von andern sprechen könne. Wer den
Baal des ehrgeitzes für seinen abgott hält, ist
ein rechter Prometheus, welcher sich bald wie
einen großmüthigen löwen, bald wie einen feu-

er-

von denen unterſchiedenen arten
bezeugungen herfuͤrgeſucht, und uns angethan
werden, wenn ſie uns auch ſchon nicht zu-
kommen. Hat er etwas mit der mutter milch
in der jugend eingeſogen, welches ihm ein un-
geſchickter lehrmeiſter nicht zu benehmen ge-
trachtet, da ſcheint er wieder allen guten unter-
richt
unbeweglicher als ein berg darauf
donner und blitz loß ſtuͤrmen. Bringet man
ihm aber die hofnung eines gewinſtes bey, da
ſind 1000. eyde nicht genung, ihn auch bey den
loͤblichſten vorſaͤtzen zu verbinden. Jtzo ſucht
er alle kleinigkeiten mit der groͤſten ſorgfalt
zuſammen, und bald verſchlaͤudert er auch die
wichtigſten ſachen, weil er etwa dadurch meh-
rers zugewinnen trachtet, oder zum wenig-
ſten ſich in einem ſtande zuſeyn glaubet, da er
niemahls banqueroutiren koͤnne. Was er
dieſe ſtunde fuͤr ein geheimniß des ſtaats gehal-
ten, wird in der andern ohne weitlaͤuftigkeit
ausgeſchuͤttet, wenn die verfluchte mißgunſt
dem geitze die zunge loͤſet. Bald eilet er mit
furchtſamen ſchritten in die verborgenſten win-
ckel und ſcheinet fuͤr menſchlicher geſellſchafft ei-
nen abſcheu zu tragen, bald aber will er in allen
verſamlungen gegenwaͤrtig ſeyn, und mit ieder-
mann bekanntſchafft aufrichten, damit er dort
auf anderer unkoſten zehren, hier aber ſeine
ducaten vermehren, in beyden aber veraͤcht-
lich von andern ſprechen koͤnne. Wer den
Baal des ehrgeitzes fuͤr ſeinen abgott haͤlt, iſt
ein rechter Prometheus, welcher ſich bald wie
einen großmuͤthigen loͤwen, bald wie einen feu-

er-
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[270/0288] von denen unterſchiedenen arten bezeugungen herfuͤrgeſucht, und uns angethan werden, wenn ſie uns auch ſchon nicht zu- kommen. Hat er etwas mit der mutter milch in der jugend eingeſogen, welches ihm ein un- geſchickter lehrmeiſter nicht zu benehmen ge- trachtet, da ſcheint er wieder allen guten unter- richt unbeweglicher als ein berg darauf donner und blitz loß ſtuͤrmen. Bringet man ihm aber die hofnung eines gewinſtes bey, da ſind 1000. eyde nicht genung, ihn auch bey den loͤblichſten vorſaͤtzen zu verbinden. Jtzo ſucht er alle kleinigkeiten mit der groͤſten ſorgfalt zuſammen, und bald verſchlaͤudert er auch die wichtigſten ſachen, weil er etwa dadurch meh- rers zugewinnen trachtet, oder zum wenig- ſten ſich in einem ſtande zuſeyn glaubet, da er niemahls banqueroutiren koͤnne. Was er dieſe ſtunde fuͤr ein geheimniß des ſtaats gehal- ten, wird in der andern ohne weitlaͤuftigkeit ausgeſchuͤttet, wenn die verfluchte mißgunſt dem geitze die zunge loͤſet. Bald eilet er mit furchtſamen ſchritten in die verborgenſten win- ckel und ſcheinet fuͤr menſchlicher geſellſchafft ei- nen abſcheu zu tragen, bald aber will er in allen verſamlungen gegenwaͤrtig ſeyn, und mit ieder- mann bekanntſchafft aufrichten, damit er dort auf anderer unkoſten zehren, hier aber ſeine ducaten vermehren, in beyden aber veraͤcht- lich von andern ſprechen koͤnne. Wer den Baal des ehrgeitzes fuͤr ſeinen abgott haͤlt, iſt ein rechter Prometheus, welcher ſich bald wie einen großmuͤthigen loͤwen, bald wie einen feu- er-

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/288>, abgerufen am 22.11.2024.