Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

des stili insonderheit
mit er seiner liebsten gefallen möge, überall
wird man ihn mit bändern prahlen sehen. Je-
tzo gehet er mit flüchtigen schritten, wo er aber
irgend von ferne das ihm angenehme schim-
mern siehet, werden gleich die glieder in eine
liebreitzende stellung gezwungen, augen und
hände müssen ihre bewegung nach einen gewis-
sen tact einrichten. Und eben das was ihm
heute göttlich und übermenschlich vorgekom-
men, ist morgen das verachteste. Da wird
man insonderheit wahr zu seyn befinden was
Seneca überhaupt von der menschlichen auf-
führung urtheilet; Aliud ex alio placet, vexat,
nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta
repetimus, alternae inter cupiditatem n -
stram & poenitentiam vires sunt.
Wer zu
des Bacchi gesellschaft sich hält, wie verändert
der nicht sein gemüthe, und nach der beschaffen-
heit des gemüthes seine lebens art. Bald
führet er sich wie eine rasende unruhe auf, wel-
che alles zernichtet alles zerschändet, alle erbar-
keit aus dem augen setzet. Bald will er alles
aus sonderbahr angenommener aufrichtigkeit
und treuhertzigkeit, mit unauflößlichen freund-
schafts banden fesseln. Wer endlich die tu-
gendhafte vernunft zur führerin seiner neigun-
gen ausersehen, wird sich keinem baume ver-
gleichen lassen, welcher von der winde gewalt,
weil er nicht weichen gelernet, zertrümmert
wird. Nach der zeiten lauf, wird er seinen
gang ietzt so, ietzt auf eine andere art einrichten,

und
S

des ſtili inſonderheit
mit er ſeiner liebſten gefallen moͤge, uͤberall
wird man ihn mit baͤndern prahlen ſehen. Je-
tzo gehet er mit fluͤchtigen ſchritten, wo er aber
irgend von ferne das ihm angenehme ſchim-
mern ſiehet, werden gleich die glieder in eine
liebreitzende ſtellung gezwungen, augen und
haͤnde muͤſſen ihre bewegung nach einen gewiſ-
ſen tact einrichten. Und eben das was ihm
heute goͤttlich und uͤbermenſchlich vorgekom-
men, iſt morgen das verachteſte. Da wird
man inſonderheit wahr zu ſeyn befinden was
Seneca uͤberhaupt von der menſchlichen auf-
fuͤhrung urtheilet; Aliud ex alio placet, vexat,
nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta
repetimus, alternae inter cupiditatem n -
ſtram & poenitentiam vires ſunt.
Wer zu
des Bacchi geſellſchaft ſich haͤlt, wie veraͤndert
der nicht ſein gemuͤthe, und nach der beſchaffen-
heit des gemuͤthes ſeine lebens art. Bald
fuͤhret er ſich wie eine raſende unruhe auf, wel-
che alles zernichtet alles zerſchaͤndet, alle erbar-
keit aus dem augen ſetzet. Bald will er alles
aus ſonderbahr angenommener aufrichtigkeit
und treuhertzigkeit, mit unaufloͤßlichen freund-
ſchafts banden feſſeln. Wer endlich die tu-
gendhafte vernunft zur fuͤhrerin ſeiner neigun-
gen auserſehen, wird ſich keinem baume ver-
gleichen laſſen, welcher von der winde gewalt,
weil er nicht weichen gelernet, zertruͤmmert
wird. Nach der zeiten lauf, wird er ſeinen
gang ietzt ſo, ietzt auf eine andere art einrichten,

und
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0291" n="273"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des &#x017F;tili                                     in&#x017F;onderheit</hi></fw><lb/>
mit er &#x017F;einer                             lieb&#x017F;ten gefallen mo&#x0364;ge, u&#x0364;berall<lb/>
wird man ihn                             mit ba&#x0364;ndern prahlen &#x017F;ehen. Je-<lb/>
tzo gehet er mit                             flu&#x0364;chtigen &#x017F;chritten, wo er aber<lb/>
irgend von ferne                             das ihm angenehme &#x017F;chim-<lb/>
mern &#x017F;iehet, werden gleich                             die glieder in eine<lb/>
liebreitzende &#x017F;tellung gezwungen, augen                             und<lb/>
ha&#x0364;nde mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihre bewegung nach                             einen gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en tact einrichten. Und eben das was                             ihm<lb/>
heute go&#x0364;ttlich und u&#x0364;bermen&#x017F;chlich                             vorgekom-<lb/>
men, i&#x017F;t morgen das verachte&#x017F;te. Da                             wird<lb/>
man in&#x017F;onderheit wahr zu &#x017F;eyn befinden was<lb/>
Seneca u&#x0364;berhaupt von der men&#x017F;chlichen auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung urtheilet; <hi rendition="#aq">Aliud ex alio placet,                                 vexat,<lb/>
nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta<lb/>
repetimus, alternae inter cupiditatem n -<lb/>
&#x017F;tram &amp;                                 poenitentiam vires &#x017F;unt.</hi> Wer zu<lb/>
des Bacchi                             ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;ich ha&#x0364;lt, wie                             vera&#x0364;ndert<lb/>
der nicht &#x017F;ein gemu&#x0364;the, und nach                             der be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit des gemu&#x0364;thes &#x017F;eine                             lebens art. Bald<lb/>
fu&#x0364;hret er &#x017F;ich wie eine                             ra&#x017F;ende unruhe auf, wel-<lb/>
che alles zernichtet alles                             zer&#x017F;cha&#x0364;ndet, alle erbar-<lb/>
keit aus dem augen                             &#x017F;etzet. Bald will er alles<lb/>
aus &#x017F;onderbahr                             angenommener aufrichtigkeit<lb/>
und treuhertzigkeit, mit                             unauflo&#x0364;ßlichen freund-<lb/>
&#x017F;chafts banden                             fe&#x017F;&#x017F;eln. Wer endlich die tu-<lb/>
gendhafte vernunft zur                             fu&#x0364;hrerin &#x017F;einer neigun-<lb/>
gen auser&#x017F;ehen, wird                             &#x017F;ich keinem baume ver-<lb/>
gleichen la&#x017F;&#x017F;en,                             welcher von der winde gewalt,<lb/>
weil er nicht weichen gelernet,                             zertru&#x0364;mmert<lb/>
wird. Nach der zeiten lauf, wird er                             &#x017F;einen<lb/>
gang ietzt &#x017F;o, ietzt auf eine andere art einrichten,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0291] des ſtili inſonderheit mit er ſeiner liebſten gefallen moͤge, uͤberall wird man ihn mit baͤndern prahlen ſehen. Je- tzo gehet er mit fluͤchtigen ſchritten, wo er aber irgend von ferne das ihm angenehme ſchim- mern ſiehet, werden gleich die glieder in eine liebreitzende ſtellung gezwungen, augen und haͤnde muͤſſen ihre bewegung nach einen gewiſ- ſen tact einrichten. Und eben das was ihm heute goͤttlich und uͤbermenſchlich vorgekom- men, iſt morgen das verachteſte. Da wird man inſonderheit wahr zu ſeyn befinden was Seneca uͤberhaupt von der menſchlichen auf- fuͤhrung urtheilet; Aliud ex alio placet, vexat, nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta repetimus, alternae inter cupiditatem n - ſtram & poenitentiam vires ſunt. Wer zu des Bacchi geſellſchaft ſich haͤlt, wie veraͤndert der nicht ſein gemuͤthe, und nach der beſchaffen- heit des gemuͤthes ſeine lebens art. Bald fuͤhret er ſich wie eine raſende unruhe auf, wel- che alles zernichtet alles zerſchaͤndet, alle erbar- keit aus dem augen ſetzet. Bald will er alles aus ſonderbahr angenommener aufrichtigkeit und treuhertzigkeit, mit unaufloͤßlichen freund- ſchafts banden feſſeln. Wer endlich die tu- gendhafte vernunft zur fuͤhrerin ſeiner neigun- gen auserſehen, wird ſich keinem baume ver- gleichen laſſen, welcher von der winde gewalt, weil er nicht weichen gelernet, zertruͤmmert wird. Nach der zeiten lauf, wird er ſeinen gang ietzt ſo, ietzt auf eine andere art einrichten, und S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/291
Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/291>, abgerufen am 18.06.2024.