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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von den beweiß-gründen.
heraus nimt und heimlich weg träget, daß
ein andrer in ein gewisses hauß ziehet, daß ein
frauenzimmer im hembde des nachts zu ie-
mand schleichet, sich zu ihm leget, wieder um
aufstehet da der tag angebrochen und sich in
ihr bette verfüget, auch im gesichte defiguree
aussiehet, ich höre, daß iemand ienen heßlich
durchziehet, etc.
Alles dieses ist mir unstreitig,
und wann ich es iemand erzehle, der überzeuget
ist daß ich weder aus einfalt noch boßheit ihm
dergleichen fürsage, dem wird es ebenfalls un-
streitig, und wir halten es beyde für bewiesen,
wann ich sage: ich habe diese facta gesehen und
diese worte gehöret, auch meine sinne wie sichs
gehöret dabey gebrauchet. Allein wenn iemand
an meiner aufrichtigkeit besfalls zweiffelte e. g.
der iudex, so muß ich ihn desfalls durch einen
ieiblichen eyd auf erfodern versichern, oder es
zweifelte iemand ob nicht einfalt und boßheit zu-
gleich zu einer solchen erzeblung etwas beygetra-
gen, so muß ich ihn dahin bringen, daß er selbst
die historie unmittelbar begreiffen und also selbst
die erfahrung machen könne. Z. e. ich führe ihn
in die gesellschafft des hln. mit den propren klei-
de und lasse ihn selbst dessen aufführung betrach-
ten, ich schaffe ihm gelegenheit daß er incognito
den künstlichen spieler spielen siehet, ich lasse ihn
selbsten observiren ob dieser nicht in das gewisse
haus gezogen. Gesetzt, daß er den arbeiter bey
dem kuffer, und den nächtlichen irrstern sehen
oder den schelmischen kuckuck hören könne, sey
alles so beschaffen daß ihm nicht angehen wolte,
eigne erfahrung davon zu haben, ich möchte ihn
führen wie ich wolte so folgte daraus nur so
viel, daß die sache nicht unstreitig, inzwischen
gehöret alles dieses zur historie und bleibt immer
eins. Kommet man aber nun auf das raison-
von den beweiß-gruͤnden.
heraus nimt und heimlich weg traͤget, daß
ein andrer in ein gewiſſes hauß ziehet, daß ein
frauenzimmer im hembde des nachts zu ie-
mand ſchleichet, ſich zu ihm leget, wieder um
aufſtehet da der tag angebrochen und ſich in
ihr bette verfuͤget, auch im geſichte defiguree
ausſiehet, ich hoͤre, daß iemand ienen heßlich
durchziehet, ꝛc.
Alles dieſes iſt mir unſtreitig,
und wann ich es iemand erzehle, der uͤberzeuget
iſt daß ich weder aus einfalt noch boßheit ihm
dergleichen fuͤrſage, dem wird es ebenfalls un-
ſtreitig, und wir halten es beyde fuͤr bewieſen,
wann ich ſage: ich habe dieſe facta geſehen und
dieſe worte gehoͤret, auch meine ſinne wie ſichs
gehoͤret dabey gebrauchet. Allein wenn iemand
an meiner aufrichtigkeit besfalls zweiffelte e. g.
der iudex, ſo muß ich ihn desfalls durch einen
ieiblichen eyd auf erfodern verſichern, oder es
zweifelte iemand ob nicht einfalt und boßheit zu-
gleich zu einer ſolchen erzeblung etwas beygetra-
gen, ſo muß ich ihn dahin bringen, daß er ſelbſt
die hiſtorie unmittelbar begreiffen und alſo ſelbſt
die erfahrung machen koͤnne. Z. e. ich fuͤhre ihn
in die geſellſchafft des hln. mit den propren klei-
de und laſſe ihn ſelbſt deſſen auffuͤhrung betrach-
ten, ich ſchaffe ihm gelegenheit daß er incognito
den kuͤnſtlichen ſpieler ſpielen ſiehet, ich laſſe ihn
ſelbſten obſerviren ob dieſer nicht in das gewiſſe
haus gezogen. Geſetzt, daß er den arbeiter bey
dem kuffer, und den naͤchtlichen irrſtern ſehen
oder den ſchelmiſchen kuckuck hoͤren koͤnne, ſey
alles ſo beſchaffen daß ihm nicht angehen wolte,
eigne erfahrung davon zu haben, ich moͤchte ihn
fuͤhren wie ich wolte ſo folgte daraus nur ſo
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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/84>, abgerufen am 27.11.2024.