1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
durch Landessitte bedingt worden zu sein, wie aus der Schilderung von Artus Hof im Parzival zu schließen ist:
"-- -- -- Man sah Hohen, niedern Kopfputz auch, Wie es in jedem Land Gebrauch; Sie kamen her aus manchen Reichen, Die sich in Sitt' und Schnitt nicht gleichen."
Der einfachste Kopfschmuck war ein schmaler, goldener oder silberner Reif, welcher über der Stirn das Haar umschloß und zusammenhielt. Derselbe wurde im Frühling und in der Som- merzeit viel und gern durch einen natürlichen Blumenkranz er- setzt, am liebsten von rothen und weißen Rosen, den sinnvollen Blumen der Verschwiegenheit in der Liebe, wie z. B. dergleichen die schönen Jungfrauen auf Monsalvage, welche dem Gral vor- aufgehen, auf dem Haupte führen. Einen solchen Goldreif, doch schon mit edlem Besatz, setzt sich in der poetischen Erzählung die schöne Phyllis auf ihr Haar, da sie sich bereitet, den weisen Ari- stoteles zu verlocken: der war schmal, wie er sein sollte, gearbeitet mit hoher Kunst und Gemmen lagen darin zwischen dem Ge- steine, Smaragden und Jachande, Sapphire und Chalcedone. Der schmale Reif war sehr beliebt, doch gab es daneben auch brei- tere Formen, oder er wurde aufgelöset in eine Reihe goldener Scheiben oder Rosetten; endlich wuchs er heran zum Diadem, zur reichgeschmückten Krone, welche die Damen ritterlichen Stan- des trugen, ohne daß sie Fürstinnen zu sein brauchten. Alle diese Formen, die den Namen Schapel führten, und die königliche Krone selbst, konnten auch über dem Schleier getragen werden. Die Damen der Weingarter Liederhandschrift haben das Schapel wie einen weißen oder goldigen, mit kleinen zinnenartigen Zacken versehenen Reif, über den ein anderer sich quer von einem Ohr zum andern hinüberlegt.
Eine zweite Art von Kopftracht neben dem Schapel war das Gebende, welches schon mehr einer Haube glich. Auf den Bil- dern der Herrad von Landsberg findet sich weder Schapel noch Gebende, doch kennt beide das Nibelungenlied, und so mag ihre
1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
durch Landesſitte bedingt worden zu ſein, wie aus der Schilderung von Artus Hof im Parzival zu ſchließen iſt:
„— — — Man ſah Hohen, niedern Kopfputz auch, Wie es in jedem Land Gebrauch; Sie kamen her aus manchen Reichen, Die ſich in Sitt’ und Schnitt nicht gleichen.“
Der einfachſte Kopfſchmuck war ein ſchmaler, goldener oder ſilberner Reif, welcher über der Stirn das Haar umſchloß und zuſammenhielt. Derſelbe wurde im Frühling und in der Som- merzeit viel und gern durch einen natürlichen Blumenkranz er- ſetzt, am liebſten von rothen und weißen Roſen, den ſinnvollen Blumen der Verſchwiegenheit in der Liebe, wie z. B. dergleichen die ſchönen Jungfrauen auf Monſalvage, welche dem Gral vor- aufgehen, auf dem Haupte führen. Einen ſolchen Goldreif, doch ſchon mit edlem Beſatz, ſetzt ſich in der poetiſchen Erzählung die ſchöne Phyllis auf ihr Haar, da ſie ſich bereitet, den weiſen Ari- ſtoteles zu verlocken: der war ſchmal, wie er ſein ſollte, gearbeitet mit hoher Kunſt und Gemmen lagen darin zwiſchen dem Ge- ſteine, Smaragden und Jachande, Sapphire und Chalcedone. Der ſchmale Reif war ſehr beliebt, doch gab es daneben auch brei- tere Formen, oder er wurde aufgelöſet in eine Reihe goldener Scheiben oder Roſetten; endlich wuchs er heran zum Diadem, zur reichgeſchmückten Krone, welche die Damen ritterlichen Stan- des trugen, ohne daß ſie Fürſtinnen zu ſein brauchten. Alle dieſe Formen, die den Namen Schapel führten, und die königliche Krone ſelbſt, konnten auch über dem Schleier getragen werden. Die Damen der Weingarter Liederhandſchrift haben das Schapel wie einen weißen oder goldigen, mit kleinen zinnenartigen Zacken verſehenen Reif, über den ein anderer ſich quer von einem Ohr zum andern hinüberlegt.
Eine zweite Art von Kopftracht neben dem Schapel war das Gebende, welches ſchon mehr einer Haube glich. Auf den Bil- dern der Herrad von Landsberg findet ſich weder Schapel noch Gebende, doch kennt beide das Nibelungenlied, und ſo mag ihre
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1. Entwicklung einer originalen mittelalterlichen Tracht.
durch Landesſitte bedingt worden zu ſein, wie aus der Schilderung
von Artus Hof im Parzival zu ſchließen iſt:
„— — — Man ſah
Hohen, niedern Kopfputz auch,
Wie es in jedem Land Gebrauch;
Sie kamen her aus manchen Reichen,
Die ſich in Sitt’ und Schnitt nicht gleichen.“
Der einfachſte Kopfſchmuck war ein ſchmaler, goldener oder
ſilberner Reif, welcher über der Stirn das Haar umſchloß und
zuſammenhielt. Derſelbe wurde im Frühling und in der Som-
merzeit viel und gern durch einen natürlichen Blumenkranz er-
ſetzt, am liebſten von rothen und weißen Roſen, den ſinnvollen
Blumen der Verſchwiegenheit in der Liebe, wie z. B. dergleichen
die ſchönen Jungfrauen auf Monſalvage, welche dem Gral vor-
aufgehen, auf dem Haupte führen. Einen ſolchen Goldreif, doch
ſchon mit edlem Beſatz, ſetzt ſich in der poetiſchen Erzählung die
ſchöne Phyllis auf ihr Haar, da ſie ſich bereitet, den weiſen Ari-
ſtoteles zu verlocken: der war ſchmal, wie er ſein ſollte, gearbeitet
mit hoher Kunſt und Gemmen lagen darin zwiſchen dem Ge-
ſteine, Smaragden und Jachande, Sapphire und Chalcedone.
Der ſchmale Reif war ſehr beliebt, doch gab es daneben auch brei-
tere Formen, oder er wurde aufgelöſet in eine Reihe goldener
Scheiben oder Roſetten; endlich wuchs er heran zum Diadem,
zur reichgeſchmückten Krone, welche die Damen ritterlichen Stan-
des trugen, ohne daß ſie Fürſtinnen zu ſein brauchten. Alle dieſe
Formen, die den Namen Schapel führten, und die königliche
Krone ſelbſt, konnten auch über dem Schleier getragen werden.
Die Damen der Weingarter Liederhandſchrift haben das Schapel
wie einen weißen oder goldigen, mit kleinen zinnenartigen Zacken
verſehenen Reif, über den ein anderer ſich quer von einem Ohr
zum andern hinüberlegt.
Eine zweite Art von Kopftracht neben dem Schapel war das
Gebende, welches ſchon mehr einer Haube glich. Auf den Bil-
dern der Herrad von Landsberg findet ſich weder Schapel noch
Gebende, doch kennt beide das Nibelungenlied, und ſo mag ihre
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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