Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Das Mittelalter.
öftern Erneuerungen und Verbesserungen, ist bei dem schon da-
mals ausgeprägten Charakter der Franzosen nicht zu verwundern.
Schon Karl VII. konnte eine Verordnung, die sich auf denselben
Gegenstand bezog, mit den folgenden Worten beginnen: "Es ist
dem Könige vorgestellt worden, daß von allen Nationen der Erde
keine so entartet ist, keine so veränderlich, so anmaßend, so maß-
los und unbeständig in der Kleidung wie die französische, und
daß man vermittelst der Kleider nicht mehr den Stand und Beruf
der Leute erkennt, ob sie Prinzen sind oder Edelleute oder Bürger
oder Handwerker, weil man es duldet, daß jeder nach seinem
Vergnügen sich kleidet, Mann wie Frau, in Gold- oder Silber-
stoff, in Seide oder Wolle, ohne Rücksicht auf seinen Stand zu
nehmen."

Schon gleichzeitig mit Frankreich drängte sich auch in Ita-
lien die Nothwendigkeit auf, gegen den Luxus und Putz der
Frauen gesetzlich einzuschreiten. Bereits im Jahre 1299 erließ die
Regirung von Florenz eine Verordnung, welche das Tragen von
Gold, Silber und Edelsteinen dadurch zu beschränken suchte, daß
die Erlaubniß dazu mit jährlich 50 Lire bezahlt werden sollte.
Das bewirkte weiter nichts, als daß die Florentinerinnen für
ihren Putz noch jährlich 50 Lire mehr ausgaben. Als die Regi-
rung zur Einsicht ihres Fehlers gekommen war, wozu sie 7 Jahre
gebraucht hatte, glaubte sie darin ein Heilmittel zu finden, wenn
sie die Ehemänner oder die sonstigen verantwortlichen Verwand-
ten der Frauen, welche verbotenen Schmuck trugen, mit einer
Geldstrafe belegte. Es wird aber erzählt, daß die Florentinerin-
nen in Sachen des Putzes alle hochgelehrten Doctoren des Rechts
und die strengen Gerichtsherren überlistet hätten. Das scheint
durch die Thatsache bewiesen zu werden, daß diese Ordnung im
Lauf des vierzehnten Jahrhunderts sechsmal erneuert und ver-
mehrt wurde. -- Das funfzehnte Jahrhundert ist in Italien reich
an eingehenden Kleiderordnungen, von denen die Mailänder
selbst den Aufwand in der Kleidung des Todten und der Trau-
ernden beschränken mußten.

In Deutschland beginnt diese Gesetzgebung fast ein halbes

II. Das Mittelalter.
öftern Erneuerungen und Verbeſſerungen, iſt bei dem ſchon da-
mals ausgeprägten Charakter der Franzoſen nicht zu verwundern.
Schon Karl VII. konnte eine Verordnung, die ſich auf denſelben
Gegenſtand bezog, mit den folgenden Worten beginnen: „Es iſt
dem Könige vorgeſtellt worden, daß von allen Nationen der Erde
keine ſo entartet iſt, keine ſo veränderlich, ſo anmaßend, ſo maß-
los und unbeſtändig in der Kleidung wie die franzöſiſche, und
daß man vermittelſt der Kleider nicht mehr den Stand und Beruf
der Leute erkennt, ob ſie Prinzen ſind oder Edelleute oder Bürger
oder Handwerker, weil man es duldet, daß jeder nach ſeinem
Vergnügen ſich kleidet, Mann wie Frau, in Gold- oder Silber-
ſtoff, in Seide oder Wolle, ohne Rückſicht auf ſeinen Stand zu
nehmen.“

Schon gleichzeitig mit Frankreich drängte ſich auch in Ita-
lien die Nothwendigkeit auf, gegen den Luxus und Putz der
Frauen geſetzlich einzuſchreiten. Bereits im Jahre 1299 erließ die
Regirung von Florenz eine Verordnung, welche das Tragen von
Gold, Silber und Edelſteinen dadurch zu beſchränken ſuchte, daß
die Erlaubniß dazu mit jährlich 50 Lire bezahlt werden ſollte.
Das bewirkte weiter nichts, als daß die Florentinerinnen für
ihren Putz noch jährlich 50 Lire mehr ausgaben. Als die Regi-
rung zur Einſicht ihres Fehlers gekommen war, wozu ſie 7 Jahre
gebraucht hatte, glaubte ſie darin ein Heilmittel zu finden, wenn
ſie die Ehemänner oder die ſonſtigen verantwortlichen Verwand-
ten der Frauen, welche verbotenen Schmuck trugen, mit einer
Geldſtrafe belegte. Es wird aber erzählt, daß die Florentinerin-
nen in Sachen des Putzes alle hochgelehrten Doctoren des Rechts
und die ſtrengen Gerichtsherren überliſtet hätten. Das ſcheint
durch die Thatſache bewieſen zu werden, daß dieſe Ordnung im
Lauf des vierzehnten Jahrhunderts ſechsmal erneuert und ver-
mehrt wurde. — Das funfzehnte Jahrhundert iſt in Italien reich
an eingehenden Kleiderordnungen, von denen die Mailänder
ſelbſt den Aufwand in der Kleidung des Todten und der Trau-
ernden beſchränken mußten.

In Deutſchland beginnt dieſe Geſetzgebung faſt ein halbes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0198" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/>
öftern Erneuerungen und Verbe&#x017F;&#x017F;erungen, i&#x017F;t bei dem &#x017F;chon da-<lb/>
mals ausgeprägten Charakter der Franzo&#x017F;en nicht zu verwundern.<lb/>
Schon Karl <hi rendition="#aq">VII.</hi> konnte eine Verordnung, die &#x017F;ich auf den&#x017F;elben<lb/>
Gegen&#x017F;tand bezog, mit den folgenden Worten beginnen: &#x201E;Es i&#x017F;t<lb/>
dem Könige vorge&#x017F;tellt worden, daß von allen Nationen der Erde<lb/>
keine &#x017F;o entartet i&#x017F;t, keine &#x017F;o veränderlich, &#x017F;o anmaßend, &#x017F;o maß-<lb/>
los und unbe&#x017F;tändig in der Kleidung wie die franzö&#x017F;i&#x017F;che, und<lb/>
daß man vermittel&#x017F;t der Kleider nicht mehr den Stand und Beruf<lb/>
der Leute erkennt, ob &#x017F;ie Prinzen &#x017F;ind oder Edelleute oder Bürger<lb/>
oder Handwerker, weil man es duldet, daß jeder nach &#x017F;einem<lb/>
Vergnügen &#x017F;ich kleidet, Mann wie Frau, in Gold- oder Silber-<lb/>
&#x017F;toff, in Seide oder Wolle, ohne Rück&#x017F;icht auf &#x017F;einen Stand zu<lb/>
nehmen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Schon gleichzeitig mit Frankreich drängte &#x017F;ich auch in Ita-<lb/>
lien die Nothwendigkeit auf, gegen den Luxus und Putz der<lb/>
Frauen ge&#x017F;etzlich einzu&#x017F;chreiten. Bereits im Jahre 1299 erließ die<lb/>
Regirung von Florenz eine Verordnung, welche das Tragen von<lb/>
Gold, Silber und Edel&#x017F;teinen dadurch zu be&#x017F;chränken &#x017F;uchte, daß<lb/>
die Erlaubniß dazu mit jährlich 50 Lire bezahlt werden &#x017F;ollte.<lb/>
Das bewirkte weiter nichts, als daß die Florentinerinnen für<lb/>
ihren Putz noch jährlich 50 Lire mehr ausgaben. Als die Regi-<lb/>
rung zur Ein&#x017F;icht ihres Fehlers gekommen war, wozu &#x017F;ie 7 Jahre<lb/>
gebraucht hatte, glaubte &#x017F;ie darin ein Heilmittel zu finden, wenn<lb/>
&#x017F;ie die Ehemänner oder die &#x017F;on&#x017F;tigen verantwortlichen Verwand-<lb/>
ten der Frauen, welche verbotenen Schmuck trugen, mit einer<lb/>
Geld&#x017F;trafe belegte. Es wird aber erzählt, daß die Florentinerin-<lb/>
nen in Sachen des Putzes alle hochgelehrten Doctoren des Rechts<lb/>
und die &#x017F;trengen Gerichtsherren überli&#x017F;tet hätten. Das &#x017F;cheint<lb/>
durch die That&#x017F;ache bewie&#x017F;en zu werden, daß die&#x017F;e Ordnung im<lb/>
Lauf des vierzehnten Jahrhunderts &#x017F;echsmal erneuert und ver-<lb/>
mehrt wurde. &#x2014; Das funfzehnte Jahrhundert i&#x017F;t in Italien reich<lb/>
an eingehenden Kleiderordnungen, von denen die Mailänder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Aufwand in der Kleidung des Todten und der Trau-<lb/>
ernden be&#x017F;chränken mußten.</p><lb/>
              <p>In Deut&#x017F;chland beginnt die&#x017F;e Ge&#x017F;etzgebung fa&#x017F;t ein halbes<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0198] II. Das Mittelalter. öftern Erneuerungen und Verbeſſerungen, iſt bei dem ſchon da- mals ausgeprägten Charakter der Franzoſen nicht zu verwundern. Schon Karl VII. konnte eine Verordnung, die ſich auf denſelben Gegenſtand bezog, mit den folgenden Worten beginnen: „Es iſt dem Könige vorgeſtellt worden, daß von allen Nationen der Erde keine ſo entartet iſt, keine ſo veränderlich, ſo anmaßend, ſo maß- los und unbeſtändig in der Kleidung wie die franzöſiſche, und daß man vermittelſt der Kleider nicht mehr den Stand und Beruf der Leute erkennt, ob ſie Prinzen ſind oder Edelleute oder Bürger oder Handwerker, weil man es duldet, daß jeder nach ſeinem Vergnügen ſich kleidet, Mann wie Frau, in Gold- oder Silber- ſtoff, in Seide oder Wolle, ohne Rückſicht auf ſeinen Stand zu nehmen.“ Schon gleichzeitig mit Frankreich drängte ſich auch in Ita- lien die Nothwendigkeit auf, gegen den Luxus und Putz der Frauen geſetzlich einzuſchreiten. Bereits im Jahre 1299 erließ die Regirung von Florenz eine Verordnung, welche das Tragen von Gold, Silber und Edelſteinen dadurch zu beſchränken ſuchte, daß die Erlaubniß dazu mit jährlich 50 Lire bezahlt werden ſollte. Das bewirkte weiter nichts, als daß die Florentinerinnen für ihren Putz noch jährlich 50 Lire mehr ausgaben. Als die Regi- rung zur Einſicht ihres Fehlers gekommen war, wozu ſie 7 Jahre gebraucht hatte, glaubte ſie darin ein Heilmittel zu finden, wenn ſie die Ehemänner oder die ſonſtigen verantwortlichen Verwand- ten der Frauen, welche verbotenen Schmuck trugen, mit einer Geldſtrafe belegte. Es wird aber erzählt, daß die Florentinerin- nen in Sachen des Putzes alle hochgelehrten Doctoren des Rechts und die ſtrengen Gerichtsherren überliſtet hätten. Das ſcheint durch die Thatſache bewieſen zu werden, daß dieſe Ordnung im Lauf des vierzehnten Jahrhunderts ſechsmal erneuert und ver- mehrt wurde. — Das funfzehnte Jahrhundert iſt in Italien reich an eingehenden Kleiderordnungen, von denen die Mailänder ſelbſt den Aufwand in der Kleidung des Todten und der Trau- ernden beſchränken mußten. In Deutſchland beginnt dieſe Geſetzgebung faſt ein halbes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/198
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/198>, abgerufen am 21.11.2024.