Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. Jahr 1356 verbot der Rath von Speier alle Bärte, gewiß einZeichen, wie sehr der Bart dem Geist des Mittelalters wider- spricht. Die genannte Chronik fährt dann fort: "Andere aber, da- Der Mantel oder der Oberrock, welcher die männliche II. Das Mittelalter. Jahr 1356 verbot der Rath von Speier alle Bärte, gewiß einZeichen, wie ſehr der Bart dem Geiſt des Mittelalters wider- ſpricht. Die genannte Chronik fährt dann fort: „Andere aber, da- Der Mantel oder der Oberrock, welcher die männliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0224" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> Jahr 1356 verbot der Rath von Speier alle Bärte, gewiß ein<lb/> Zeichen, wie ſehr der Bart dem Geiſt des Mittelalters wider-<lb/> ſpricht.</p><lb/> <p>Die genannte Chronik fährt dann fort: „Andere aber, da-<lb/> mit ſie ihre Mannheit läſterten, nahmen weibiſchen Gebrauch an,<lb/> trugen lange Haare, kämmten und bleichten daſſelbe naß an der<lb/> Sonne. Etliche, die vor andern berufen und ſchön ſein wollten,<lb/> nahmen dann ein heißes Eiſen, welches ſie <hi rendition="#aq">calanistrum</hi> nann-<lb/> ten, brannten und drehten ihr Haar daran, und je ſchöner einer<lb/> das konnte, je ſchöner er ſich zu ſein bedünkte.“ Wir haben dieſe<lb/> ſtutzerhafte Pflege des Haars bei den Deutſchen ſchon von früh<lb/> an verfolgt; im funfzehnten Jahrhundert erkennt man ſie auf<lb/> allen Bildern. Die Form, in welcher man das Haar im vierzehn-<lb/> ten Jahrhundert trug, unterſcheidet ſich von der gemäßigt langen<lb/> und gelockten des dreizehnten nicht, und es iſt als Ausnahme,<lb/> locale oder doch beſchränkte und vorübergehende Mode zu ver-<lb/> ſtehen, wenn die Limburger Chronik zum Jahr 1380 berichtet:<lb/> „Da ging es an, daß man nicht Haarlocken und Zöpfe trug, ſon-<lb/> dern die Herren, Ritter und Knechte trugen gekürte (gekürzte)<lb/> Haare oder Krullen, über die Ohren abgeſchnitten, gleich den<lb/> Conversbrüdern; da das die gemeinen Leute ſahen, thaten ſie es<lb/> auch.“ Von den Bauern aber iſt gewiß, daß ſie das kurze Haar<lb/> als Standesunterſchied das ganze Mittelalter hindurch getragen<lb/> haben. — Da die Gugel nicht immer getragen wurde, nament-<lb/> lich nicht im Hauſe, und die Kaputze gewöhnlich auf dem Rücken<lb/> lag, ſo blieb für die lockige Tracht des männlichen Haars auch<lb/> noch der Schmuck der früheren Periode, Ringe, Reife, Kränze,<lb/> Diademe, welche die Lockenfülle umfaßten und verhinderten, daß<lb/> ſie läſtig ins Geſicht fiel.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Mantel</hi> oder der <hi rendition="#g">Oberrock</hi>, welcher die männliche<lb/> Tracht vervollſtändigt, konnte freilich nicht ſo der engen und kur-<lb/> zen Mode folgen. Lange und weite Oberkleider blieben daher<lb/> fortwährend in Gebrauch, nicht bloß bei den ehrbaren Leuten, die<lb/> der Mode Oppoſition machten, ſondern ſelbſt bei Stutzern und<lb/> insbeſondere als Feierkleidung. Der Rittermantel blieb noch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0224]
II. Das Mittelalter.
Jahr 1356 verbot der Rath von Speier alle Bärte, gewiß ein
Zeichen, wie ſehr der Bart dem Geiſt des Mittelalters wider-
ſpricht.
Die genannte Chronik fährt dann fort: „Andere aber, da-
mit ſie ihre Mannheit läſterten, nahmen weibiſchen Gebrauch an,
trugen lange Haare, kämmten und bleichten daſſelbe naß an der
Sonne. Etliche, die vor andern berufen und ſchön ſein wollten,
nahmen dann ein heißes Eiſen, welches ſie calanistrum nann-
ten, brannten und drehten ihr Haar daran, und je ſchöner einer
das konnte, je ſchöner er ſich zu ſein bedünkte.“ Wir haben dieſe
ſtutzerhafte Pflege des Haars bei den Deutſchen ſchon von früh
an verfolgt; im funfzehnten Jahrhundert erkennt man ſie auf
allen Bildern. Die Form, in welcher man das Haar im vierzehn-
ten Jahrhundert trug, unterſcheidet ſich von der gemäßigt langen
und gelockten des dreizehnten nicht, und es iſt als Ausnahme,
locale oder doch beſchränkte und vorübergehende Mode zu ver-
ſtehen, wenn die Limburger Chronik zum Jahr 1380 berichtet:
„Da ging es an, daß man nicht Haarlocken und Zöpfe trug, ſon-
dern die Herren, Ritter und Knechte trugen gekürte (gekürzte)
Haare oder Krullen, über die Ohren abgeſchnitten, gleich den
Conversbrüdern; da das die gemeinen Leute ſahen, thaten ſie es
auch.“ Von den Bauern aber iſt gewiß, daß ſie das kurze Haar
als Standesunterſchied das ganze Mittelalter hindurch getragen
haben. — Da die Gugel nicht immer getragen wurde, nament-
lich nicht im Hauſe, und die Kaputze gewöhnlich auf dem Rücken
lag, ſo blieb für die lockige Tracht des männlichen Haars auch
noch der Schmuck der früheren Periode, Ringe, Reife, Kränze,
Diademe, welche die Lockenfülle umfaßten und verhinderten, daß
ſie läſtig ins Geſicht fiel.
Der Mantel oder der Oberrock, welcher die männliche
Tracht vervollſtändigt, konnte freilich nicht ſo der engen und kur-
zen Mode folgen. Lange und weite Oberkleider blieben daher
fortwährend in Gebrauch, nicht bloß bei den ehrbaren Leuten, die
der Mode Oppoſition machten, ſondern ſelbſt bei Stutzern und
insbeſondere als Feierkleidung. Der Rittermantel blieb noch
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