Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Mit solcher Haartracht konnte auch erst die Haube zu Nächst der Gugel wurde von verheiratheten Frauen beson- 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Mit ſolcher Haartracht konnte auch erſt die Haube zu Nächſt der Gugel wurde von verheiratheten Frauen beſon- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0233" n="215"/> <fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> <p>Mit ſolcher Haartracht konnte auch erſt die <hi rendition="#g">Haube</hi> zu<lb/> größerer Bedeutung gelangen, und ſie verdrängt daher in mannig-<lb/> facher Geſtalt allmählig den alten, ſchönen Kopfputz, und die<lb/> kleinliche Weisheit und das beſondere Schönheits- und Anſtands-<lb/> gefühl der Geſetzgeber trug durch ausdrückliche Verbote dazu bei.<lb/> Die Schapel aller Geſtalt, die goldenen Reife und Kronen und<lb/> Diademe, die Juwelen- und Perlenkränze, die früher den freien,<lb/> fliegenden Locken zum Zügel gedient hatten, weichen den ver-<lb/> hüllenden Hauben oder den andern abenteuerlich mißgeſtalteten<lb/> Kopfbedeckungen. Die Kronen, früher ein allgemein ritterlicher<lb/> Schmuck, werden allmählig ein Vorrecht fürſtlicher Damen, von<lb/> denen die verheiratheten ſie über Schleier und Haube tragen.<lb/> Vor allen iſt es die <hi rendition="#g">Gugel</hi>, welche in ihrer ganzen Unform auf<lb/> die Frauenwelt übergeht. Früher legte ſie eine noble Dame wohl<lb/> auf der Jagd um oder auf Reiſen oder beim Reiten, um vor<lb/> ſchlechtem Wetter ſich zu ſchützen; bald aber wurde ſie ihre ge-<lb/> wöhnliche Tracht, wenn ſie ſich öffentlich zeigte. Die Kaputze hing<lb/> nicht bloß auf dem Rücken des Scheins wegen und bunt gefüttert,<lb/> wie wir heute die alte Mode als vorübergehenden Einfall erneuert<lb/> geſehen haben, ſondern es heißt in der Limburger Chronik (1389):<lb/> „Die Kogeln ſtürzte eine Frau auf ihr Haupt und ſtunden ihnen<lb/> vorn auf zu Berg über das Haupt, als man die Heiligen malet<lb/> mit den Diademen.“ Die Gugeln der Damen wurden ebenfalls<lb/> um das Geſicht ausgezackt und mit Zatteln verſehen; ſie waren<lb/> buntfarbig, aus verſchiedenen Streifen zuſammengeſetzt, mit<lb/> Gold, Silber, Edelſteinen und Perlen verziert, und hinten hin-<lb/> gen die langen, bunten Schwänze ein, zwei Ellen herab.</p><lb/> <p>Nächſt der Gugel wurde von verheiratheten Frauen beſon-<lb/> ders häufig der „Kruſeler“ oder die „Hulle“ getragen, eine Haube,<lb/> deren Namen ſich aus ihrer Beſchaffenheit erklärt. Sie verhüllte<lb/> den ganzen Kopf und umſchloß das Geſicht mit mehrfach über<lb/> einander gelegten, zackig eingebrannten Krauſen von feinem, viel-<lb/> leicht klarem Stoff, der ſich noch mit beſondern Wülſten auf<lb/> die Schultern herabſenkte oder ſie rings der Gugel ähnlich um-<lb/> ſchloß. Man kann ſie überhaupt ſich aus der Gugel in der Weiſe<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0233]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Mit ſolcher Haartracht konnte auch erſt die Haube zu
größerer Bedeutung gelangen, und ſie verdrängt daher in mannig-
facher Geſtalt allmählig den alten, ſchönen Kopfputz, und die
kleinliche Weisheit und das beſondere Schönheits- und Anſtands-
gefühl der Geſetzgeber trug durch ausdrückliche Verbote dazu bei.
Die Schapel aller Geſtalt, die goldenen Reife und Kronen und
Diademe, die Juwelen- und Perlenkränze, die früher den freien,
fliegenden Locken zum Zügel gedient hatten, weichen den ver-
hüllenden Hauben oder den andern abenteuerlich mißgeſtalteten
Kopfbedeckungen. Die Kronen, früher ein allgemein ritterlicher
Schmuck, werden allmählig ein Vorrecht fürſtlicher Damen, von
denen die verheiratheten ſie über Schleier und Haube tragen.
Vor allen iſt es die Gugel, welche in ihrer ganzen Unform auf
die Frauenwelt übergeht. Früher legte ſie eine noble Dame wohl
auf der Jagd um oder auf Reiſen oder beim Reiten, um vor
ſchlechtem Wetter ſich zu ſchützen; bald aber wurde ſie ihre ge-
wöhnliche Tracht, wenn ſie ſich öffentlich zeigte. Die Kaputze hing
nicht bloß auf dem Rücken des Scheins wegen und bunt gefüttert,
wie wir heute die alte Mode als vorübergehenden Einfall erneuert
geſehen haben, ſondern es heißt in der Limburger Chronik (1389):
„Die Kogeln ſtürzte eine Frau auf ihr Haupt und ſtunden ihnen
vorn auf zu Berg über das Haupt, als man die Heiligen malet
mit den Diademen.“ Die Gugeln der Damen wurden ebenfalls
um das Geſicht ausgezackt und mit Zatteln verſehen; ſie waren
buntfarbig, aus verſchiedenen Streifen zuſammengeſetzt, mit
Gold, Silber, Edelſteinen und Perlen verziert, und hinten hin-
gen die langen, bunten Schwänze ein, zwei Ellen herab.
Nächſt der Gugel wurde von verheiratheten Frauen beſon-
ders häufig der „Kruſeler“ oder die „Hulle“ getragen, eine Haube,
deren Namen ſich aus ihrer Beſchaffenheit erklärt. Sie verhüllte
den ganzen Kopf und umſchloß das Geſicht mit mehrfach über
einander gelegten, zackig eingebrannten Krauſen von feinem, viel-
leicht klarem Stoff, der ſich noch mit beſondern Wülſten auf
die Schultern herabſenkte oder ſie rings der Gugel ähnlich um-
ſchloß. Man kann ſie überhaupt ſich aus der Gugel in der Weiſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |