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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
Da die Engel singen
Nova cantica
Und die Schellen klingen
In regis curia --
Eia, wer wir da!
Eia, wer wir da!"

Die lärmende, überfröhliche Festlust, der ausgelassene Jubel, der
in jener Zeit an den Höfen wie in den Städten herrschte und wie
ein Rausch in toller Weinlaune weder Gesetz noch Sitte und
Sittlichkeit kannte und achtete -- die Sittengeschichte weiß viel
davon zu erzählen, auch ohne der Mummereien und Narrenfeste
zu gedenken --, dieses Uebermaß der Lust war es, was die Schel-
lentracht hervorrief und zur üppigen Blüthe trieb, nicht aber, wie
man glaubt, die Absicht der hohen Herren, von fern schon ihre
Ankunft durch lautes Geklingel anzumelden, um im Gedränge
Platz zu finden. Allerdings war es so, daß sie sich schon weither
hörbar machten, und es ist daher der Ausdruck entstanden: "mit
Schall kommen."

Noch später finden sich Anklänge, daß der Gedanke, welcher
die Schellen mit königlicher Pracht in Verbindung setzt, fortlebt.
So beschreibt Rollenhagen im Froschmeufeler die Tracht des
Mäusekönigs:

"Der König aber insonderheit
Hatt' angethan ein Wunderkleid,
Eines kohlschwarzen Maulwurfs Haut,
Dafür den Mäusen selber graut.
Zu schürzen er sich auch anfing
Mit einem silbernen Gürtelring,
Daran viel schöner Glöcklein hingen,
Die prächtig konnten einher klingen."

Nach dem Jahr 1410 wird die Schellentracht auch in den
Städten nichts Seltnes mehr gewesen sein. In Ulm, wo sie bis-
her verboten war, wird sie im Jahr 1411 ausdrücklich überall er-
laubt, nur mit Ausnahme der Kirche, wo allerdings das lärmende
Geklingel der Gehenden und Kommenden sich schwer mit dem
Gottesdienst und der Andacht vereinigen ließ. Auch in Lübeck

II. Das Mittelalter.
Da die Engel ſingen
Nova cantica
Und die Schellen klingen
In regis curia
Eia, wer wir da!
Eia, wer wir da!“

Die lärmende, überfröhliche Feſtluſt, der ausgelaſſene Jubel, der
in jener Zeit an den Höfen wie in den Städten herrſchte und wie
ein Rauſch in toller Weinlaune weder Geſetz noch Sitte und
Sittlichkeit kannte und achtete — die Sittengeſchichte weiß viel
davon zu erzählen, auch ohne der Mummereien und Narrenfeſte
zu gedenken —, dieſes Uebermaß der Luſt war es, was die Schel-
lentracht hervorrief und zur üppigen Blüthe trieb, nicht aber, wie
man glaubt, die Abſicht der hohen Herren, von fern ſchon ihre
Ankunft durch lautes Geklingel anzumelden, um im Gedränge
Platz zu finden. Allerdings war es ſo, daß ſie ſich ſchon weither
hörbar machten, und es iſt daher der Ausdruck entſtanden: „mit
Schall kommen.“

Noch ſpäter finden ſich Anklänge, daß der Gedanke, welcher
die Schellen mit königlicher Pracht in Verbindung ſetzt, fortlebt.
So beſchreibt Rollenhagen im Froſchmeufeler die Tracht des
Mäuſekönigs:

„Der König aber inſonderheit
Hatt’ angethan ein Wunderkleid,
Eines kohlſchwarzen Maulwurfs Haut,
Dafür den Mäuſen ſelber graut.
Zu ſchürzen er ſich auch anfing
Mit einem ſilbernen Gürtelring,
Daran viel ſchöner Glöcklein hingen,
Die prächtig konnten einher klingen.“

Nach dem Jahr 1410 wird die Schellentracht auch in den
Städten nichts Seltnes mehr geweſen ſein. In Ulm, wo ſie bis-
her verboten war, wird ſie im Jahr 1411 ausdrücklich überall er-
laubt, nur mit Ausnahme der Kirche, wo allerdings das lärmende
Geklingel der Gehenden und Kommenden ſich ſchwer mit dem
Gottesdienſt und der Andacht vereinigen ließ. Auch in Lübeck

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[240/0258] II. Das Mittelalter. Da die Engel ſingen Nova cantica Und die Schellen klingen In regis curia — Eia, wer wir da! Eia, wer wir da!“ Die lärmende, überfröhliche Feſtluſt, der ausgelaſſene Jubel, der in jener Zeit an den Höfen wie in den Städten herrſchte und wie ein Rauſch in toller Weinlaune weder Geſetz noch Sitte und Sittlichkeit kannte und achtete — die Sittengeſchichte weiß viel davon zu erzählen, auch ohne der Mummereien und Narrenfeſte zu gedenken —, dieſes Uebermaß der Luſt war es, was die Schel- lentracht hervorrief und zur üppigen Blüthe trieb, nicht aber, wie man glaubt, die Abſicht der hohen Herren, von fern ſchon ihre Ankunft durch lautes Geklingel anzumelden, um im Gedränge Platz zu finden. Allerdings war es ſo, daß ſie ſich ſchon weither hörbar machten, und es iſt daher der Ausdruck entſtanden: „mit Schall kommen.“ Noch ſpäter finden ſich Anklänge, daß der Gedanke, welcher die Schellen mit königlicher Pracht in Verbindung ſetzt, fortlebt. So beſchreibt Rollenhagen im Froſchmeufeler die Tracht des Mäuſekönigs: „Der König aber inſonderheit Hatt’ angethan ein Wunderkleid, Eines kohlſchwarzen Maulwurfs Haut, Dafür den Mäuſen ſelber graut. Zu ſchürzen er ſich auch anfing Mit einem ſilbernen Gürtelring, Daran viel ſchöner Glöcklein hingen, Die prächtig konnten einher klingen.“ Nach dem Jahr 1410 wird die Schellentracht auch in den Städten nichts Seltnes mehr geweſen ſein. In Ulm, wo ſie bis- her verboten war, wird ſie im Jahr 1411 ausdrücklich überall er- laubt, nur mit Ausnahme der Kirche, wo allerdings das lärmende Geklingel der Gehenden und Kommenden ſich ſchwer mit dem Gottesdienſt und der Andacht vereinigen ließ. Auch in Lübeck

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/258>, abgerufen am 22.11.2024.