Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. Weidenzweigen, an welchen sie die Rinde in Streifen theilweiselösen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, schüt- teln ihn und singen dazu: "Palmen, Palmen-Buschen, Laat den Kukuk ruschen, Laat de Vögelein singen, Laat de Glöcklein klingen." -- Es ist höchst bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren- Bei der ältesten Art die Schellen zu tragen hingen sie an II. Das Mittelalter. Weidenzweigen, an welchen ſie die Rinde in Streifen theilweiſelöſen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, ſchüt- teln ihn und ſingen dazu: „Palmen, Palmen-Buſchen, Laat den Kukuk ruſchen, Laat de Vögelein ſingen, Laat de Glöcklein klingen.“ — Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren- Bei der älteſten Art die Schellen zu tragen hingen ſie an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0260" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> Weidenzweigen, an welchen ſie die Rinde in Streifen theilweiſe<lb/> löſen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, ſchüt-<lb/> teln ihn und ſingen dazu:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Palmen, Palmen-Buſchen,</l><lb/> <l>Laat den Kukuk ruſchen,</l><lb/> <l>Laat de Vögelein ſingen,</l><lb/> <l>Laat de Glöcklein klingen.“ —</l> </lg><lb/> <p>Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren-<lb/> zeichen faſt grade ſo früh vorkommt, wie als Auszeichnung der<lb/> höchſten Stände. Es iſt, als ob den Leuten die eigene Thorheit<lb/> ins Bewußtſein gekommen wäre. Im Jahr 1381, alſo in einer<lb/> Zeit, wo dieſe Tracht kaum in Blüthe ſtand, ſtiftete Graf Adolf<lb/> zu Cleve die Geckengeſellſchaft. Jedes Mitglied mußte bei den<lb/> feierlichen Zuſammenkünften mit einer Gugel von gelber und<lb/> rother Farbe erſcheinen, an welcher wie auch am Aermel viele<lb/> Schellen hingen, und mußte auf dem Ordenskleide einen von<lb/> Silber geſtickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der erſten<lb/> Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts gehören ſie zu den Narren-<lb/> feſten faſt nothwendig. In Dijon trugen die Mitglieder der Ge-<lb/> ſellſchaft der Narrenmutter Mützen von grüner, rother und gelber<lb/> Farbe, mit zwei Spitzen oder Eſelsohren und an jedem derſelben<lb/> eine Schelle. Auch die Narren bei Turnieren trugen damals die<lb/> Schellen, nachdem dieſelben kurz zuvor oder vielleicht noch gleich-<lb/> zeitig die Ritter und die edlen Damen geziert hatten. Bald kam<lb/> das Sprichwort auf: Je größer der Narr, je größer die Schelle.</p><lb/> <p>Bei der älteſten Art die Schellen zu tragen hingen ſie an<lb/> kleinen Ketten beweglich am Gürtel, an dem ſowohl, welcher die<lb/> Taille umſchloß und Dolch, Schwert und die Taſche zu tragen<lb/> hatte, wie an dem weiten, hängenden, dem Dupfing. Die mit<lb/> Schellen und Glocken behängten Gürtel aber nannte man <hi rendition="#g">Du-<lb/> ſing</hi>. Man leitet das Wort vom alten <hi rendition="#aq">duz, dos, thus, dus</hi><lb/> ab, welches mit dem Worte toſen, Getöſe daſſelbe iſt, wonach die<lb/> Sache alſo von dem Klange den Namen erhalten hätte. Das<lb/> Wort Duſing dürfte vor der Entſtehung des Schellengürtels<lb/> kaum aufzuweiſen ſein. Soviel mir bekannt, kommt es zum erſten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0260]
II. Das Mittelalter.
Weidenzweigen, an welchen ſie die Rinde in Streifen theilweiſe
löſen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, ſchüt-
teln ihn und ſingen dazu:
„Palmen, Palmen-Buſchen,
Laat den Kukuk ruſchen,
Laat de Vögelein ſingen,
Laat de Glöcklein klingen.“ —
Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren-
zeichen faſt grade ſo früh vorkommt, wie als Auszeichnung der
höchſten Stände. Es iſt, als ob den Leuten die eigene Thorheit
ins Bewußtſein gekommen wäre. Im Jahr 1381, alſo in einer
Zeit, wo dieſe Tracht kaum in Blüthe ſtand, ſtiftete Graf Adolf
zu Cleve die Geckengeſellſchaft. Jedes Mitglied mußte bei den
feierlichen Zuſammenkünften mit einer Gugel von gelber und
rother Farbe erſcheinen, an welcher wie auch am Aermel viele
Schellen hingen, und mußte auf dem Ordenskleide einen von
Silber geſtickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der erſten
Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts gehören ſie zu den Narren-
feſten faſt nothwendig. In Dijon trugen die Mitglieder der Ge-
ſellſchaft der Narrenmutter Mützen von grüner, rother und gelber
Farbe, mit zwei Spitzen oder Eſelsohren und an jedem derſelben
eine Schelle. Auch die Narren bei Turnieren trugen damals die
Schellen, nachdem dieſelben kurz zuvor oder vielleicht noch gleich-
zeitig die Ritter und die edlen Damen geziert hatten. Bald kam
das Sprichwort auf: Je größer der Narr, je größer die Schelle.
Bei der älteſten Art die Schellen zu tragen hingen ſie an
kleinen Ketten beweglich am Gürtel, an dem ſowohl, welcher die
Taille umſchloß und Dolch, Schwert und die Taſche zu tragen
hatte, wie an dem weiten, hängenden, dem Dupfing. Die mit
Schellen und Glocken behängten Gürtel aber nannte man Du-
ſing. Man leitet das Wort vom alten duz, dos, thus, dus
ab, welches mit dem Worte toſen, Getöſe daſſelbe iſt, wonach die
Sache alſo von dem Klange den Namen erhalten hätte. Das
Wort Duſing dürfte vor der Entſtehung des Schellengürtels
kaum aufzuweiſen ſein. Soviel mir bekannt, kommt es zum erſten
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