Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. und Brust hängt eine dritte vollständige Reihe. Der König selbstträgt hier eine lange Kette aus eckigen Gliedern, welche wie ein Gehenk um die Schulter liegt, aber bis auf die Wade herabgeht. Hier ist sie durch einen Ring gezogen, in welchem vier gewaltige birnförmige Glocken hängen. Ein sehr seltsames Beispiel ist das des Ritters Heinrich von Werthern, welcher im Jahr 1397 starb und zu Nordhausen begraben liegt. Nach dem Bilde seines Grab- steins trägt er über die eine Schulter und unter den andern Arm durch ein aus zwei Hirschgeweihen zusammengesetztes Gehenk, von dessen Zacken Glocken herabhängen. Gewiß war er ein fröhlicher Weidmann und trug zum Zeichen dessen als höchsten Staat bei festlichen Gelegenheiten diesen sonderbaren und sicherlich nicht be- quemen Schmuck. So wollte er auch sein Bild der Nachwelt überliefern, und ließ sich darum auf seinem Grabstein in diesem Schmuck darstellen. -- Der Ritter von Stauffenberg trägt (in dem bereits erwähnten Manuscript um 1430) eine schwere gol- dene, ganz mit Schellen behängte Kette um Schultern und Brust, deren Enden hinten auf dem Rücken weit hinabfallen. Aber er ist der einzige, der sie auf den Bildern dieses Manuscripts hat. Auch an Rüstungen erscheinen die Schellen vielfach in der ersten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts am Gürtel hängend. Um das Jahr 1450 werden sie gewöhnlich am Gürtel oder um die Schultern getragen. Das letzte Beispiel vornehmer fürstlicher Schellentracht dürfte sich auf dem Wandgemälde in Lüneburg finden, welches die Belehnung Ottos des Kindes durch Fried- rich II. darstellt. Nach den Trachten zu schließen, muß es zwischen 1480 und 1490 angefertigt sein. Es ist aber möglich, daß der Künstler durch eben diesen Schmuck eine ältere Zeit hat andeuten wollen. Zum Schluß dieser übersichtlichen Geschichte der Schellen- II. Das Mittelalter. und Bruſt hängt eine dritte vollſtändige Reihe. Der König ſelbſtträgt hier eine lange Kette aus eckigen Gliedern, welche wie ein Gehenk um die Schulter liegt, aber bis auf die Wade herabgeht. Hier iſt ſie durch einen Ring gezogen, in welchem vier gewaltige birnförmige Glocken hängen. Ein ſehr ſeltſames Beiſpiel iſt das des Ritters Heinrich von Werthern, welcher im Jahr 1397 ſtarb und zu Nordhauſen begraben liegt. Nach dem Bilde ſeines Grab- ſteins trägt er über die eine Schulter und unter den andern Arm durch ein aus zwei Hirſchgeweihen zuſammengeſetztes Gehenk, von deſſen Zacken Glocken herabhängen. Gewiß war er ein fröhlicher Weidmann und trug zum Zeichen deſſen als höchſten Staat bei feſtlichen Gelegenheiten dieſen ſonderbaren und ſicherlich nicht be- quemen Schmuck. So wollte er auch ſein Bild der Nachwelt überliefern, und ließ ſich darum auf ſeinem Grabſtein in dieſem Schmuck darſtellen. — Der Ritter von Stauffenberg trägt (in dem bereits erwähnten Manuſcript um 1430) eine ſchwere gol- dene, ganz mit Schellen behängte Kette um Schultern und Bruſt, deren Enden hinten auf dem Rücken weit hinabfallen. Aber er iſt der einzige, der ſie auf den Bildern dieſes Manuſcripts hat. Auch an Rüſtungen erſcheinen die Schellen vielfach in der erſten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts am Gürtel hängend. Um das Jahr 1450 werden ſie gewöhnlich am Gürtel oder um die Schultern getragen. Das letzte Beiſpiel vornehmer fürſtlicher Schellentracht dürfte ſich auf dem Wandgemälde in Lüneburg finden, welches die Belehnung Ottos des Kindes durch Fried- rich II. darſtellt. Nach den Trachten zu ſchließen, muß es zwiſchen 1480 und 1490 angefertigt ſein. Es iſt aber möglich, daß der Künſtler durch eben dieſen Schmuck eine ältere Zeit hat andeuten wollen. 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II. Das Mittelalter.
und Bruſt hängt eine dritte vollſtändige Reihe. Der König ſelbſt
trägt hier eine lange Kette aus eckigen Gliedern, welche wie ein
Gehenk um die Schulter liegt, aber bis auf die Wade herabgeht.
Hier iſt ſie durch einen Ring gezogen, in welchem vier gewaltige
birnförmige Glocken hängen. Ein ſehr ſeltſames Beiſpiel iſt das
des Ritters Heinrich von Werthern, welcher im Jahr 1397 ſtarb
und zu Nordhauſen begraben liegt. Nach dem Bilde ſeines Grab-
ſteins trägt er über die eine Schulter und unter den andern Arm
durch ein aus zwei Hirſchgeweihen zuſammengeſetztes Gehenk, von
deſſen Zacken Glocken herabhängen. Gewiß war er ein fröhlicher
Weidmann und trug zum Zeichen deſſen als höchſten Staat bei
feſtlichen Gelegenheiten dieſen ſonderbaren und ſicherlich nicht be-
quemen Schmuck. So wollte er auch ſein Bild der Nachwelt
überliefern, und ließ ſich darum auf ſeinem Grabſtein in dieſem
Schmuck darſtellen. — Der Ritter von Stauffenberg trägt (in
dem bereits erwähnten Manuſcript um 1430) eine ſchwere gol-
dene, ganz mit Schellen behängte Kette um Schultern und Bruſt,
deren Enden hinten auf dem Rücken weit hinabfallen. Aber er
iſt der einzige, der ſie auf den Bildern dieſes Manuſcripts hat.
Auch an Rüſtungen erſcheinen die Schellen vielfach in der erſten
Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts am Gürtel hängend. Um
das Jahr 1450 werden ſie gewöhnlich am Gürtel oder um die
Schultern getragen. Das letzte Beiſpiel vornehmer fürſtlicher
Schellentracht dürfte ſich auf dem Wandgemälde in Lüneburg
finden, welches die Belehnung Ottos des Kindes durch Fried-
rich II. darſtellt. Nach den Trachten zu ſchließen, muß es zwiſchen
1480 und 1490 angefertigt ſein. Es iſt aber möglich, daß der
Künſtler durch eben dieſen Schmuck eine ältere Zeit hat andeuten
wollen.
Zum Schluß dieſer überſichtlichen Geſchichte der Schellen-
tracht theilen wir noch eine Stelle aus des Fauſt von Aſchaffen-
burg Chronik der Geſellſchaft Limburg mit: „Die Mannsperſonen
haben noch vor hundert Jahren eine Zierd getragen, welches man
Hornfeſſel geheißen. A. 1466 kaufte Job Rhorbach von Enge
Froſchin ein Hornfeſſel pro 145 fl. — iſt ein Borten, ein Hand-
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