Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. So bunt und barock haben wir uns allerdings die Moden- d. Die Regellosigkeit und Willkür in Deutschland in der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. -- Die niedern Stände. In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts standen noch 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. So bunt und barock haben wir uns allerdings die Moden- d. Die Regelloſigkeit und Willkür in Deutſchland in der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. — Die niedern Stände. In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts ſtanden noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0301" n="283"/> <fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> <p>So bunt und barock haben wir uns allerdings die Moden-<lb/> welt in den Niederlanden am Ausgang des funfzehnten Jahrhun-<lb/> derts zu denken, bis im Anfang des ſechszehnten einige Ordnung<lb/> und Form wieder in dieſe Zerfahrenheit hineinkam. Es war aber<lb/> nicht in den Niederlanden allein ſo, obwohl man glauben könnte,<lb/> daß hier der Conflux von Menſchen aus allen Ländern, darunter<lb/> die bunten und phantaſtiſchen Trachten der Morgenländer, eine<lb/> beſonders eigenthümliche Welt hervorgerufen hätten. Wir werden<lb/> nun aber ſehen, wenn wir die Entwicklung zu derſelben Zeit im<lb/> eigentlichen Deutſchland verfolgen, wie auch dort am Schluß des<lb/> Jahrhunderts daſſelbe Reſultat uns vor Augen liegt. —</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">d.</hi> Die Regelloſigkeit und Willkür in Deutſchland in der zweiten<lb/> Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. — Die niedern Stände.</hi> </head><lb/> <p>In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts ſtanden noch<lb/> die Zatteln, die Schnabelſchuhe und ſelbſt noch die Schellen in<lb/> voller Blüthe. Seidene Zatteln umflatterten das lockige Haupt<lb/> des Mannes, die aufgebundenen Flechten und die entblößten<lb/> Schultern der Frau, Zatteln fielen von den Schultern an den<lb/> langen Aermeln herab auf den Boden oder umwallten unten den<lb/> breiten, lang nachſchleppenden Saum des Kleides; unter den<lb/> zarten, rothſeidenen Schuhen klapperten die langgeſchnäbelten,<lb/> pantoffelartigen Unterſchuhe, und um die Schultern oder am<lb/> Gürtel konnte man noch die Glöcklein klingen hören. Wie das<lb/> rauſchte von der auf dem Boden liegenden Maſſe des ſchweren<lb/> Seiden-, Damaſt-, Sammet- oder Brokatſtoffes, wenn eine ſo<lb/> geſchmückte Dame ſich in Bewegung ſetzte! wie das flatterte und<lb/> wehte von den bunten, farbigen, eingezackten Bändern, wie das<lb/> klingelte und klapperte! So war die damalige Eleganz in Deutſch-<lb/> land. Allein dieſe Herrlichkeit verſchwand bald; nicht lange nach<lb/> der Mitte des Jahrhunderts fallen die Zatteln und Schellen in<lb/> Ungnade bei der modiſchen Welt; jene verſchwinden ganz und<lb/> dieſe bleiben den Narren und der Feſtluſt, und auch die Schuhe<lb/> gehen zurück auf ein beſcheidneres Maß.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0301]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
So bunt und barock haben wir uns allerdings die Moden-
welt in den Niederlanden am Ausgang des funfzehnten Jahrhun-
derts zu denken, bis im Anfang des ſechszehnten einige Ordnung
und Form wieder in dieſe Zerfahrenheit hineinkam. Es war aber
nicht in den Niederlanden allein ſo, obwohl man glauben könnte,
daß hier der Conflux von Menſchen aus allen Ländern, darunter
die bunten und phantaſtiſchen Trachten der Morgenländer, eine
beſonders eigenthümliche Welt hervorgerufen hätten. Wir werden
nun aber ſehen, wenn wir die Entwicklung zu derſelben Zeit im
eigentlichen Deutſchland verfolgen, wie auch dort am Schluß des
Jahrhunderts daſſelbe Reſultat uns vor Augen liegt. —
d. Die Regelloſigkeit und Willkür in Deutſchland in der zweiten
Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts. — Die niedern Stände.
In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts ſtanden noch
die Zatteln, die Schnabelſchuhe und ſelbſt noch die Schellen in
voller Blüthe. Seidene Zatteln umflatterten das lockige Haupt
des Mannes, die aufgebundenen Flechten und die entblößten
Schultern der Frau, Zatteln fielen von den Schultern an den
langen Aermeln herab auf den Boden oder umwallten unten den
breiten, lang nachſchleppenden Saum des Kleides; unter den
zarten, rothſeidenen Schuhen klapperten die langgeſchnäbelten,
pantoffelartigen Unterſchuhe, und um die Schultern oder am
Gürtel konnte man noch die Glöcklein klingen hören. Wie das
rauſchte von der auf dem Boden liegenden Maſſe des ſchweren
Seiden-, Damaſt-, Sammet- oder Brokatſtoffes, wenn eine ſo
geſchmückte Dame ſich in Bewegung ſetzte! wie das flatterte und
wehte von den bunten, farbigen, eingezackten Bändern, wie das
klingelte und klapperte! So war die damalige Eleganz in Deutſch-
land. Allein dieſe Herrlichkeit verſchwand bald; nicht lange nach
der Mitte des Jahrhunderts fallen die Zatteln und Schellen in
Ungnade bei der modiſchen Welt; jene verſchwinden ganz und
dieſe bleiben den Narren und der Feſtluſt, und auch die Schuhe
gehen zurück auf ein beſcheidneres Maß.
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