Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen. zu gehen pflegte, bei diesem Halt wurde Rigunthe von ihren eige-nen Verwandten überfallen und aller Schätze beraubt. -- Selbst in das stille Kloster der heiligen Radegunde zu Poitiers war zu allerlei weltlichem Lärm und Streit, der bis zum Blutbade führte, auch die Putzsucht eingerissen, und es hatte großes Aergerniß ge- geben, daß die Aebtissin ihrer Nichte einen purpurbesetzten Man- tel von schwerseidenem Stoff, wie man ihn sonst zur Altardecke braucht, hatte machen lassen, und ein Diadem oder eine Stirn- binde mit goldenen Blättchen verziert. Noch einige weitere ergänzende Mittheilungen gewährt uns 2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen. zu gehen pflegte, bei dieſem Halt wurde Rigunthe von ihren eige-nen Verwandten überfallen und aller Schätze beraubt. — Selbſt in das ſtille Kloſter der heiligen Radegunde zu Poitiers war zu allerlei weltlichem Lärm und Streit, der bis zum Blutbade führte, auch die Putzſucht eingeriſſen, und es hatte großes Aergerniß ge- geben, daß die Aebtiſſin ihrer Nichte einen purpurbeſetzten Man- tel von ſchwerſeidenem Stoff, wie man ihn ſonſt zur Altardecke braucht, hatte machen laſſen, und ein Diadem oder eine Stirn- binde mit goldenen Blättchen verziert. Noch einige weitere ergänzende Mittheilungen gewährt uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="29"/><fw place="top" type="header">2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.</fw><lb/> zu gehen pflegte, bei dieſem Halt wurde Rigunthe von ihren eige-<lb/> nen Verwandten überfallen und aller Schätze beraubt. — Selbſt<lb/> in das ſtille Kloſter der heiligen Radegunde zu Poitiers war zu<lb/> allerlei weltlichem Lärm und Streit, der bis zum Blutbade führte,<lb/> auch die Putzſucht eingeriſſen, und es hatte großes Aergerniß ge-<lb/> geben, daß die Aebtiſſin ihrer Nichte einen purpurbeſetzten Man-<lb/> tel von ſchwerſeidenem Stoff, wie man ihn ſonſt zur Altardecke<lb/> braucht, hatte machen laſſen, und ein Diadem oder eine Stirn-<lb/> binde mit goldenen Blättchen verziert.</p><lb/> <p>Noch einige weitere ergänzende Mittheilungen gewährt uns<lb/> aus den Sagen der Frankenkönige die ſchöne Erzählung von der<lb/> Brautwerbung Chlodwigs um die burgundiſche Chlotilde, welche<lb/> uns mitten in das Leben und die Häuslichkeit einer Königstoch-<lb/> ter unter den Gräueln der damaligen Herrſcherfamilien einführt.<lb/> König Gundobad, der Oheim der Chlotilde, hatte alle ihre Ge-<lb/> ſchwiſter und Verwandte ſeiner Herrſchſucht zum Opfer fallen<lb/> laſſen und mußte darum in einem ſo mächtigen Schwager wie<lb/> Chlodwig den künftigen Rächer fürchten. Dieſer nahm daher<lb/> ſeine Zuflucht zur Liſt und ſchickte im Geheimen ſeinen Getreuen,<lb/> den Aurelianus, mit ſeiner Bewerbung an die Prinzeſſin ſelbſt.<lb/> „Und als ſie nun an einem Sonntag zur Meſſe ging, legte Aure-<lb/> lianus ärmliche Kleider an und ſetzte ſich vor dem Armenhaus bei<lb/> der Kirche mitten unter den Bettlern nieder. Als die Meſſe been-<lb/> det war, fing Clothilde nach gewohnter Weiſe an unter die Ar-<lb/> men Almoſen zu vertheilen und legte auch Aurelian, der ſich wie<lb/> ein Bettler ſtellte, als ſie an ihn kam, ein Geldſtück in die Hand.<lb/> Er aber küßte die Hand der Jungfrau und zog vorſichtig ihr den<lb/> Mantel zurück. Darnach ging ſie in ihr Gemach und ſandte eine<lb/> Magd aus, ihr den Fremdling zu rufen. Da nahm er den Ring<lb/> und die andern Brautgaben König Chlodwigs und ſteckte ſie<lb/> heimlich in einen Sack. Chlotilde ſprach zu ihm: „„Sage mir,<lb/> junger Mann, warum ſtellſt du dich wie ein Bettler und zogſt mir<lb/> doch den Mantel zurück?““ Er antwortete: „„Laß, ich bitte dich,<lb/> deinen Knecht unter vier Augen mit dir reden.““ Sie ſagte:<lb/> „„Sprich nur.““ Da hub er an: „„Mein Herr, der Frankenkönig<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0047]
2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
zu gehen pflegte, bei dieſem Halt wurde Rigunthe von ihren eige-
nen Verwandten überfallen und aller Schätze beraubt. — Selbſt
in das ſtille Kloſter der heiligen Radegunde zu Poitiers war zu
allerlei weltlichem Lärm und Streit, der bis zum Blutbade führte,
auch die Putzſucht eingeriſſen, und es hatte großes Aergerniß ge-
geben, daß die Aebtiſſin ihrer Nichte einen purpurbeſetzten Man-
tel von ſchwerſeidenem Stoff, wie man ihn ſonſt zur Altardecke
braucht, hatte machen laſſen, und ein Diadem oder eine Stirn-
binde mit goldenen Blättchen verziert.
Noch einige weitere ergänzende Mittheilungen gewährt uns
aus den Sagen der Frankenkönige die ſchöne Erzählung von der
Brautwerbung Chlodwigs um die burgundiſche Chlotilde, welche
uns mitten in das Leben und die Häuslichkeit einer Königstoch-
ter unter den Gräueln der damaligen Herrſcherfamilien einführt.
König Gundobad, der Oheim der Chlotilde, hatte alle ihre Ge-
ſchwiſter und Verwandte ſeiner Herrſchſucht zum Opfer fallen
laſſen und mußte darum in einem ſo mächtigen Schwager wie
Chlodwig den künftigen Rächer fürchten. Dieſer nahm daher
ſeine Zuflucht zur Liſt und ſchickte im Geheimen ſeinen Getreuen,
den Aurelianus, mit ſeiner Bewerbung an die Prinzeſſin ſelbſt.
„Und als ſie nun an einem Sonntag zur Meſſe ging, legte Aure-
lianus ärmliche Kleider an und ſetzte ſich vor dem Armenhaus bei
der Kirche mitten unter den Bettlern nieder. Als die Meſſe been-
det war, fing Clothilde nach gewohnter Weiſe an unter die Ar-
men Almoſen zu vertheilen und legte auch Aurelian, der ſich wie
ein Bettler ſtellte, als ſie an ihn kam, ein Geldſtück in die Hand.
Er aber küßte die Hand der Jungfrau und zog vorſichtig ihr den
Mantel zurück. Darnach ging ſie in ihr Gemach und ſandte eine
Magd aus, ihr den Fremdling zu rufen. Da nahm er den Ring
und die andern Brautgaben König Chlodwigs und ſteckte ſie
heimlich in einen Sack. Chlotilde ſprach zu ihm: „„Sage mir,
junger Mann, warum ſtellſt du dich wie ein Bettler und zogſt mir
doch den Mantel zurück?““ Er antwortete: „„Laß, ich bitte dich,
deinen Knecht unter vier Augen mit dir reden.““ Sie ſagte:
„„Sprich nur.““ Da hub er an: „„Mein Herr, der Frankenkönig
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