Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.3. Die Verschmelzung der verschiedenartigen Elemente. lichen gekommen waren. Einige Beispiele haben wir schon obenkennen lernen. In der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts hatte die Eitelkeit unter den Klostergeistlichen, also unter denen, die das Gelübde der Armuth abgelegt hatten, so überhand ge- nommen, daß der Erzbischof Adalbero von Rheims sich genöthigt sah, eine Synode der Aebte seines Sprengels zusammenzurufen, um dem Unwesen gesetzlichen Einhalt zu thun (im Jahre 972). In seiner für uns äußerst interessanten Rede, die ein Streiflicht wirft auf das, was die andern Stände thun, zählt er die einzel- nen Gebrechen auf: "Es giebt," sagt er, "einige unseres Standes, welche sich öffentlich das Haupt mit einem goldgeschmückten Hut bedecken, welche ausländisches Pelzwerk der von unserer Regel vorgeschriebenen Kopfbedeckung vorziehen und statt der unschein- baren Mönchskleidung kostbare Gewänder anlegen. Sie tragen gern um hohen Preis gekaufte Röcke mit weiten Aermeln und großen Falten und ziehen sie um den Leib so fest zusammen, daß die eingeschnürten Hüften den Hintern hervortreten lassen, und man sie von hinten eher für unzüchtige Weiber als für Mönche halten könnte." Wir sehen, daß es den Mönchen dieser Zeit schon um etwas zu thun ist, was wenigstens anständige Damen noch verschmähen, -- um Taille. "Was soll ich aber," fährt der Erz- bischof fort, "von der Farbe ihrer Kleider sagen? Ihre Verblen- dung geht so weit, daß sie Verdienst und Würde nach der Farbe der Stoffe beurtheilen. Wenn ihnen der Rock nicht durch seine schwarze Farbe gefällt, so wollen sie ihn schlechterdings nicht an- legen. Hat der Weber dem schwarzen Zeuge weiße Wolle beige- mischt, so wird auch deswegen der Rock verschmäht. Auch der braune Rock wird verschmäht. Nicht minder ist ihnen auch die von Natur schwarze Wolle nicht anständig genug, sie muß künst- lich gefärbt sein. So viel von ihrer Kleidung. Was soll ich aber von ihren abenteuerlichen Schuhen sagen? denn in dieser Hinsicht sind die Mönche so unvernünftig, daß ihnen der Nutzen einer Fußbekleidung großentheils entgeht. Sie lassen sich nämlich ihre Schuhe so eng machen, daß sie darin fast wie an den Stock ge- 3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente. lichen gekommen waren. Einige Beiſpiele haben wir ſchon obenkennen lernen. In der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts hatte die Eitelkeit unter den Kloſtergeiſtlichen, alſo unter denen, die das Gelübde der Armuth abgelegt hatten, ſo überhand ge- nommen, daß der Erzbiſchof Adalbero von Rheims ſich genöthigt ſah, eine Synode der Aebte ſeines Sprengels zuſammenzurufen, um dem Unweſen geſetzlichen Einhalt zu thun (im Jahre 972). In ſeiner für uns äußerſt intereſſanten Rede, die ein Streiflicht wirft auf das, was die andern Stände thun, zählt er die einzel- nen Gebrechen auf: „Es giebt,“ ſagt er, „einige unſeres Standes, welche ſich öffentlich das Haupt mit einem goldgeſchmückten Hut bedecken, welche ausländiſches Pelzwerk der von unſerer Regel vorgeſchriebenen Kopfbedeckung vorziehen und ſtatt der unſchein- baren Mönchskleidung koſtbare Gewänder anlegen. Sie tragen gern um hohen Preis gekaufte Röcke mit weiten Aermeln und großen Falten und ziehen ſie um den Leib ſo feſt zuſammen, daß die eingeſchnürten Hüften den Hintern hervortreten laſſen, und man ſie von hinten eher für unzüchtige Weiber als für Mönche halten könnte.“ Wir ſehen, daß es den Mönchen dieſer Zeit ſchon um etwas zu thun iſt, was wenigſtens anſtändige Damen noch verſchmähen, — um Taille. „Was ſoll ich aber,“ fährt der Erz- biſchof fort, „von der Farbe ihrer Kleider ſagen? Ihre Verblen- dung geht ſo weit, daß ſie Verdienſt und Würde nach der Farbe der Stoffe beurtheilen. Wenn ihnen der Rock nicht durch ſeine ſchwarze Farbe gefällt, ſo wollen ſie ihn ſchlechterdings nicht an- legen. Hat der Weber dem ſchwarzen Zeuge weiße Wolle beige- miſcht, ſo wird auch deswegen der Rock verſchmäht. Auch der braune Rock wird verſchmäht. Nicht minder iſt ihnen auch die von Natur ſchwarze Wolle nicht anſtändig genug, ſie muß künſt- lich gefärbt ſein. So viel von ihrer Kleidung. Was ſoll ich aber von ihren abenteuerlichen Schuhen ſagen? denn in dieſer Hinſicht ſind die Mönche ſo unvernünftig, daß ihnen der Nutzen einer Fußbekleidung großentheils entgeht. Sie laſſen ſich nämlich ihre Schuhe ſo eng machen, daß ſie darin faſt wie an den Stock ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="71"/><fw place="top" type="header">3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente.</fw><lb/> lichen gekommen waren. Einige Beiſpiele haben wir ſchon oben<lb/> kennen lernen. 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3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente.
lichen gekommen waren. Einige Beiſpiele haben wir ſchon oben
kennen lernen. In der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts
hatte die Eitelkeit unter den Kloſtergeiſtlichen, alſo unter denen,
die das Gelübde der Armuth abgelegt hatten, ſo überhand ge-
nommen, daß der Erzbiſchof Adalbero von Rheims ſich genöthigt
ſah, eine Synode der Aebte ſeines Sprengels zuſammenzurufen,
um dem Unweſen geſetzlichen Einhalt zu thun (im Jahre 972).
In ſeiner für uns äußerſt intereſſanten Rede, die ein Streiflicht
wirft auf das, was die andern Stände thun, zählt er die einzel-
nen Gebrechen auf: „Es giebt,“ ſagt er, „einige unſeres Standes,
welche ſich öffentlich das Haupt mit einem goldgeſchmückten Hut
bedecken, welche ausländiſches Pelzwerk der von unſerer Regel
vorgeſchriebenen Kopfbedeckung vorziehen und ſtatt der unſchein-
baren Mönchskleidung koſtbare Gewänder anlegen. Sie tragen
gern um hohen Preis gekaufte Röcke mit weiten Aermeln und
großen Falten und ziehen ſie um den Leib ſo feſt zuſammen, daß
die eingeſchnürten Hüften den Hintern hervortreten laſſen, und
man ſie von hinten eher für unzüchtige Weiber als für Mönche
halten könnte.“ Wir ſehen, daß es den Mönchen dieſer Zeit ſchon
um etwas zu thun iſt, was wenigſtens anſtändige Damen noch
verſchmähen, — um Taille. „Was ſoll ich aber,“ fährt der Erz-
biſchof fort, „von der Farbe ihrer Kleider ſagen? Ihre Verblen-
dung geht ſo weit, daß ſie Verdienſt und Würde nach der Farbe
der Stoffe beurtheilen. Wenn ihnen der Rock nicht durch ſeine
ſchwarze Farbe gefällt, ſo wollen ſie ihn ſchlechterdings nicht an-
legen. Hat der Weber dem ſchwarzen Zeuge weiße Wolle beige-
miſcht, ſo wird auch deswegen der Rock verſchmäht. Auch der
braune Rock wird verſchmäht. Nicht minder iſt ihnen auch die
von Natur ſchwarze Wolle nicht anſtändig genug, ſie muß künſt-
lich gefärbt ſein. So viel von ihrer Kleidung. Was ſoll ich aber
von ihren abenteuerlichen Schuhen ſagen? denn in dieſer Hinſicht
ſind die Mönche ſo unvernünftig, daß ihnen der Nutzen einer
Fußbekleidung großentheils entgeht. Sie laſſen ſich nämlich ihre
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