Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.II. Das Mittelalter. gefeiert, im Grünen leuchten die weißen Zelte, vor denen dieWappenschilde prangen und die bunten Fähnlein flattern, und immer den schönsten und edelsten Schmuck im Ganzen bilden die Frauen. Das nahm wieder ein Ende, da der Frauendienst sank; mit ihm verlor das Ritterthum den Reiz der Poesie und artete in Roheit und wüstes Treiben aus. -- Da die Frauen aus der früheren Zurückgezogenheit, wie sie "Die Minne lehrt die Frauen lieblich grüßen, Die Minne lehrt der Sprüche viel, der süßen, Die Minne lehret große Milde, Die Minne lehret große Tugend, Die Minne lehret, daß die Jugend Kann ritterlich gebahren unterm Schilde." Die Anstandslehre bildet, namentlich beim weiblichen Ge- Bei solcher Erziehung und solchem Hofleben stellte sich der II. Das Mittelalter. gefeiert, im Grünen leuchten die weißen Zelte, vor denen dieWappenſchilde prangen und die bunten Fähnlein flattern, und immer den ſchönſten und edelſten Schmuck im Ganzen bilden die Frauen. Das nahm wieder ein Ende, da der Frauendienſt ſank; mit ihm verlor das Ritterthum den Reiz der Poeſie und artete in Roheit und wüſtes Treiben aus. — Da die Frauen aus der früheren Zurückgezogenheit, wie ſie „Die Minne lehrt die Frauen lieblich grüßen, Die Minne lehrt der Sprüche viel, der ſüßen, Die Minne lehret große Milde, Die Minne lehret große Tugend, Die Minne lehret, daß die Jugend Kann ritterlich gebahren unterm Schilde.“ Die Anſtandslehre bildet, namentlich beim weiblichen Ge- Bei ſolcher Erziehung und ſolchem Hofleben ſtellte ſich der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0096" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/> gefeiert, im Grünen leuchten die weißen Zelte, vor denen die<lb/> Wappenſchilde prangen und die bunten Fähnlein flattern, und<lb/> immer den ſchönſten und edelſten Schmuck im Ganzen bilden die<lb/> Frauen. Das nahm wieder ein Ende, da der Frauendienſt ſank;<lb/> mit ihm verlor das Ritterthum den Reiz der Poeſie und artete in<lb/> Roheit und wüſtes Treiben aus. —</p><lb/> <p>Da die Frauen aus der früheren Zurückgezogenheit, wie ſie<lb/> noch im Nibelungenlied herrſcht, hervortreten und im geſelligen<lb/> Leben die Herrſchaft übernehmen, ſo bildet ſich in Folge deſſen<lb/> eine völlige Anſtandslehre aus. Regeln und Vorſchriften werden<lb/> gegeben über das Benehmen der Geſchlechter untereinander, Re-<lb/> geln, wie eine feine Dame ſich gebärden und ſich tragen, wie ſie<lb/> gehen und ſtehen, wie ſie eſſen und trinken ſoll. Der Umgangs-<lb/> ton wird durch die Minne zur Galanterie von Seite der Herren,<lb/> welcher die Damen freie Anmuth und Feinheit gegenüber ſtellen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Die Minne lehrt die Frauen lieblich grüßen,</l><lb/> <l>Die Minne lehrt der Sprüche viel, der ſüßen,</l><lb/> <l>Die Minne lehret große Milde,</l><lb/> <l>Die Minne lehret große Tugend,</l><lb/> <l>Die Minne lehret, daß die Jugend</l><lb/> <l>Kann ritterlich gebahren unterm Schilde.“</l> </lg><lb/> <p>Die Anſtandslehre bildet, namentlich beim weiblichen Ge-<lb/> ſchlecht, einen großen Theil der Jugenderziehung; die Mutter ſelbſt<lb/> unterrichtet darin, und neben ihr auch beſondere Lehrmeiſter, zu<lb/> denen die fahrenden Sänger genommen wurden, welche Gelegen-<lb/> heit hatten, ſich an den Höfen der Fürſten im feinen Ton auszu-<lb/> bilden. Auch in der Tugend der Milde, der Freigebigkeit, wurden die<lb/> fürſtlichen Damen unterrichtet, denn es war ihr ſchönes Vorrecht,<lb/> alle die an ihrem Hof erſchienen und zu ſeiner Verherrlichung beitru-<lb/> gen, die Ritter, die Sänger, die Spielleute, in fürſtlicher Gnade<lb/> reich zu beſchenken, mit Kleidern, Waffen, Schmuck und Geld.</p><lb/> <p>Bei ſolcher Erziehung und ſolchem Hofleben ſtellte ſich der<lb/> Trieb nach größerer und tieferer Bildung ein, denn der Geſprächs-<lb/> ton an dieſen glänzenden Höfen war ein durchaus geiſtreicher. Die<lb/> Dichter ſangen ihre Lieder und machten zu Schiedsrichtern die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0096]
II. Das Mittelalter.
gefeiert, im Grünen leuchten die weißen Zelte, vor denen die
Wappenſchilde prangen und die bunten Fähnlein flattern, und
immer den ſchönſten und edelſten Schmuck im Ganzen bilden die
Frauen. Das nahm wieder ein Ende, da der Frauendienſt ſank;
mit ihm verlor das Ritterthum den Reiz der Poeſie und artete in
Roheit und wüſtes Treiben aus. —
Da die Frauen aus der früheren Zurückgezogenheit, wie ſie
noch im Nibelungenlied herrſcht, hervortreten und im geſelligen
Leben die Herrſchaft übernehmen, ſo bildet ſich in Folge deſſen
eine völlige Anſtandslehre aus. Regeln und Vorſchriften werden
gegeben über das Benehmen der Geſchlechter untereinander, Re-
geln, wie eine feine Dame ſich gebärden und ſich tragen, wie ſie
gehen und ſtehen, wie ſie eſſen und trinken ſoll. Der Umgangs-
ton wird durch die Minne zur Galanterie von Seite der Herren,
welcher die Damen freie Anmuth und Feinheit gegenüber ſtellen.
„Die Minne lehrt die Frauen lieblich grüßen,
Die Minne lehrt der Sprüche viel, der ſüßen,
Die Minne lehret große Milde,
Die Minne lehret große Tugend,
Die Minne lehret, daß die Jugend
Kann ritterlich gebahren unterm Schilde.“
Die Anſtandslehre bildet, namentlich beim weiblichen Ge-
ſchlecht, einen großen Theil der Jugenderziehung; die Mutter ſelbſt
unterrichtet darin, und neben ihr auch beſondere Lehrmeiſter, zu
denen die fahrenden Sänger genommen wurden, welche Gelegen-
heit hatten, ſich an den Höfen der Fürſten im feinen Ton auszu-
bilden. Auch in der Tugend der Milde, der Freigebigkeit, wurden die
fürſtlichen Damen unterrichtet, denn es war ihr ſchönes Vorrecht,
alle die an ihrem Hof erſchienen und zu ſeiner Verherrlichung beitru-
gen, die Ritter, die Sänger, die Spielleute, in fürſtlicher Gnade
reich zu beſchenken, mit Kleidern, Waffen, Schmuck und Geld.
Bei ſolcher Erziehung und ſolchem Hofleben ſtellte ſich der
Trieb nach größerer und tieferer Bildung ein, denn der Geſprächs-
ton an dieſen glänzenden Höfen war ein durchaus geiſtreicher. Die
Dichter ſangen ihre Lieder und machten zu Schiedsrichtern die
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