Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.2. Die Reaction und die spanische Tracht. mehr bereitet sich seine Seele zu männlichen und heroischen Hand-lungen vor." Heinrich III., der eitelste und weibischste der französischen Die französischen Damen waren es, welche vor allen den 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. mehr bereitet ſich ſeine Seele zu männlichen und heroiſchen Hand-lungen vor.“ Heinrich III., der eitelſte und weibiſchſte der franzöſiſchen Die franzöſiſchen Damen waren es, welche vor allen den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="105"/><fw place="top" type="header">2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.</fw><lb/> mehr bereitet ſich ſeine Seele zu männlichen und heroiſchen Hand-<lb/> lungen vor.“</p><lb/> <p>Heinrich <hi rendition="#aq">III.</hi>, der eitelſte und weibiſchſte der franzöſiſchen<lb/> Könige, folgte noch ganz der ſpaniſchen Weiſe, wie er denn auch<lb/> die ſteife Etiquette dieſes Hofes der franzöſiſchen Lebhaftigkeit<lb/> aufzudrängen ſuchte. Mit ſtatuenartiger Unbeweglichkeit, indem<lb/> er weder Kopf noch Hände noch Füße regte, glaubte er bei feier-<lb/> lichen Gelegenheiten die Ehrfurcht der königlichen Majeſtät be-<lb/> haupten zu müſſen. Im Uebrigen war ſein Putz wie ſeine Be-<lb/> ſchäftigung durchaus weibiſcher Natur: ſich ſelbſt und die Köni-<lb/> gin zu friſiren, ihrer beider Kragen gehörig zu ſtärken und in<lb/> Falten zu legen, war ſeine liebſte Arbeit, ſodaß er an ſeinem<lb/> Vermählungstage ſelbſt die Meſſe darüber verſäumte. Bei Bäl-<lb/> len und andern Hoffeſten kleidete er ſich gar weiblich als Ama-<lb/> zone mit offener Bruſt und Perlhalsbändern, wie er andrerſeits<lb/> den Damen ſeines Hofes männliche Kleidung anbefahl und ſich<lb/> alſo von ihnen bedienen ließ. An ſeinem Halſe lagen drei Schei-<lb/> benkragen von feinſter Leinwand über einander und über dieſen<lb/> noch eine doppelte Krauſe. Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi> liebte faſt nicht weniger<lb/> den Putz an ſich ſelbſt wie an den Angehörigen ſeines Hofes;<lb/> unter ihm aber traten die ſpaniſchen Moden wieder zurück, und<lb/> es zeigten ſich die Anfänge einer neuen Zeit, die ſich mit dem<lb/> Sturz der großen Krauſe ankündigte. Auch das Beinkleid näherte<lb/> ſich damals mehr einer naturgemäßen Form, indem die Aus-<lb/> ſtopfung ſich bis zum Knie herab verjüngte. Mit dieſer Verän-<lb/> derung hängt die Aufnahme des ſeidenen Strumpfes zuſammen.</p><lb/> <p>Die franzöſiſchen Damen waren es, welche vor allen den<lb/><hi rendition="#g">Reifrock</hi> übertrieben, ſodaß ſie nicht nur den fremden Tadel,<lb/> ſondern auch die einheimiſche Satire wachriefen. Uebrigens<lb/> gaben ihnen, wie wir ſehen werden, ſelbſt deutſche Bürgerfrauen<lb/> wenig nach. Beide Geſchlechter hatten ſich demnach, was die<lb/> Ausladung der Hüften betrifft, nichts vorzuwerfen. Dadurch<lb/> unterſchied ſich der Reifrock des ſechszehnten Jahrhunderts von<lb/> dem des achtzehnten und der heutigen Crinoline, daß jener faſt<lb/> durchaus ohne Falten über ſein Untergeſtell ausgeſpannt war,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0117]
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
mehr bereitet ſich ſeine Seele zu männlichen und heroiſchen Hand-
lungen vor.“
Heinrich III., der eitelſte und weibiſchſte der franzöſiſchen
Könige, folgte noch ganz der ſpaniſchen Weiſe, wie er denn auch
die ſteife Etiquette dieſes Hofes der franzöſiſchen Lebhaftigkeit
aufzudrängen ſuchte. Mit ſtatuenartiger Unbeweglichkeit, indem
er weder Kopf noch Hände noch Füße regte, glaubte er bei feier-
lichen Gelegenheiten die Ehrfurcht der königlichen Majeſtät be-
haupten zu müſſen. Im Uebrigen war ſein Putz wie ſeine Be-
ſchäftigung durchaus weibiſcher Natur: ſich ſelbſt und die Köni-
gin zu friſiren, ihrer beider Kragen gehörig zu ſtärken und in
Falten zu legen, war ſeine liebſte Arbeit, ſodaß er an ſeinem
Vermählungstage ſelbſt die Meſſe darüber verſäumte. Bei Bäl-
len und andern Hoffeſten kleidete er ſich gar weiblich als Ama-
zone mit offener Bruſt und Perlhalsbändern, wie er andrerſeits
den Damen ſeines Hofes männliche Kleidung anbefahl und ſich
alſo von ihnen bedienen ließ. An ſeinem Halſe lagen drei Schei-
benkragen von feinſter Leinwand über einander und über dieſen
noch eine doppelte Krauſe. Heinrich IV. liebte faſt nicht weniger
den Putz an ſich ſelbſt wie an den Angehörigen ſeines Hofes;
unter ihm aber traten die ſpaniſchen Moden wieder zurück, und
es zeigten ſich die Anfänge einer neuen Zeit, die ſich mit dem
Sturz der großen Krauſe ankündigte. Auch das Beinkleid näherte
ſich damals mehr einer naturgemäßen Form, indem die Aus-
ſtopfung ſich bis zum Knie herab verjüngte. Mit dieſer Verän-
derung hängt die Aufnahme des ſeidenen Strumpfes zuſammen.
Die franzöſiſchen Damen waren es, welche vor allen den
Reifrock übertrieben, ſodaß ſie nicht nur den fremden Tadel,
ſondern auch die einheimiſche Satire wachriefen. Uebrigens
gaben ihnen, wie wir ſehen werden, ſelbſt deutſche Bürgerfrauen
wenig nach. Beide Geſchlechter hatten ſich demnach, was die
Ausladung der Hüften betrifft, nichts vorzuwerfen. Dadurch
unterſchied ſich der Reifrock des ſechszehnten Jahrhunderts von
dem des achtzehnten und der heutigen Crinoline, daß jener faſt
durchaus ohne Falten über ſein Untergeſtell ausgeſpannt war,
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