Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.2. Die Reaction und die spanische Tracht. ehrbaren Bürgerstand ausgenommen -- nur ein Schmuck, derdas Haar nicht verdeckte. Die Coiffüre baute sich nach oben, unterstützt durch "Gabeln von Draht," "geschmückt mit großen, wundersam gearbeiteten Gewinden von Gold und Silber, mit Hörnern, Goldreifen, Diademen, Glas u. a.; obenauf stand ein zierliches Hütchen oder Häubchen von Sammet, von Gold- und Silberstoff, ein durchscheinendes Netzhäubchen, ein Drahtkäpp- chen mit drei Ecken oder Hörnern, "den Bischofsmützen ähnlich." Immer blieb das Haar sichtbar, das an Stirn und Schläfen hin- aufgekräuselt war. Sandblond war die Lieblingsfarbe, welche in England nicht selten ist, bei etwaigem Mangel aber durch Färbung oder falsches Haar hergestellt wurde. Darauf beziehen sich die Verse Shakespeare's: The golden tresses of the dead, The right of sepulture, were shorn away, To live a second live on second head, And beautys dead fleece made another gay. Wir könnten so die Herrschaft der spanischen Mode noch 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. ehrbaren Bürgerſtand ausgenommen — nur ein Schmuck, derdas Haar nicht verdeckte. Die Coiffüre baute ſich nach oben, unterſtützt durch „Gabeln von Draht,“ „geſchmückt mit großen, wunderſam gearbeiteten Gewinden von Gold und Silber, mit Hörnern, Goldreifen, Diademen, Glas u. a.; obenauf ſtand ein zierliches Hütchen oder Häubchen von Sammet, von Gold- und Silberſtoff, ein durchſcheinendes Netzhäubchen, ein Drahtkäpp- chen mit drei Ecken oder Hörnern, „den Biſchofsmützen ähnlich.“ Immer blieb das Haar ſichtbar, das an Stirn und Schläfen hin- aufgekräuſelt war. Sandblond war die Lieblingsfarbe, welche in England nicht ſelten iſt, bei etwaigem Mangel aber durch Färbung oder falſches Haar hergeſtellt wurde. Darauf beziehen ſich die Verſe Shakeſpeare’s: The golden tresses of the dead, The right of sepulture, were shorn away, To live a second live on second head, And beautys dead fleece made another gay. Wir könnten ſo die Herrſchaft der ſpaniſchen Mode noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0123" n="111"/><fw place="top" type="header">2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.</fw><lb/> ehrbaren Bürgerſtand ausgenommen — nur ein Schmuck, der<lb/> das Haar nicht verdeckte. Die Coiffüre baute ſich nach oben,<lb/> unterſtützt durch „Gabeln von Draht,“ „geſchmückt mit großen,<lb/> wunderſam gearbeiteten Gewinden von Gold und Silber, mit<lb/> Hörnern, Goldreifen, Diademen, Glas u. a.; obenauf ſtand ein<lb/> zierliches Hütchen oder Häubchen von Sammet, von Gold- und<lb/> Silberſtoff, ein durchſcheinendes Netzhäubchen, ein Drahtkäpp-<lb/> chen mit drei Ecken oder Hörnern, „den Biſchofsmützen ähnlich.“<lb/> Immer blieb das Haar ſichtbar, das an Stirn und Schläfen hin-<lb/> aufgekräuſelt war. Sandblond war die Lieblingsfarbe, welche<lb/> in England nicht ſelten iſt, bei etwaigem Mangel aber durch<lb/> Färbung oder falſches Haar hergeſtellt wurde. Darauf beziehen<lb/> ſich die Verſe Shakeſpeare’s:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">The golden tresses of the dead,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">The right of sepulture, were shorn away,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">To live a second live on second head,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">And beautys dead fleece made another gay.</hi> </l> </lg><lb/> <p>Wir könnten ſo die Herrſchaft der ſpaniſchen Mode noch<lb/> weiter durch die Länder verfolgen, in den ſkandinaviſchen Norden<lb/> hinauf und oſtwärts bis nach Rußland und Siebenbürgen hin-<lb/> ein, wohin auf den Wegen der Civiliſation und des Handels<lb/> auch die ausgeſtopften Puffen und die große Krauſe drangen.<lb/> Wir kehren aber nach Deutſchland zurück, wo ſich die Verhält-<lb/> niſſe weſentlich anders geſtalteten wie in den romaniſchen Län-<lb/> dern. Denn in den letzteren lenkte die Bewegung und mit ihr<lb/> auch die Kleidung von ſelbſt in ein gleiches Bett ein, ſodaß gegen<lb/> die in Spanien ſchneller zur Reife gediehenen Formen kein Wider-<lb/> ſtand aufkommen konnte, während in Deutſchland der Strom<lb/> über ſeine Ufer getreten war und aller Schranken geſpottet hatte.<lb/> Dadurch war es möglich geworden, daß ſich in Deutſchland eine<lb/> eigenthümliche Tracht herausgebildet hatte, welche ſich durch<lb/> charakteriſtiſche Merkmale von der fremden weſentlich unterſchied.<lb/> Die ſpaniſchen Moden fanden ſomit einen Gegner vor, der im<lb/> Beſitze des Feldes ihnen daſſelbe ſtreitig machte. Auf das Detail<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0123]
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ehrbaren Bürgerſtand ausgenommen — nur ein Schmuck, der
das Haar nicht verdeckte. Die Coiffüre baute ſich nach oben,
unterſtützt durch „Gabeln von Draht,“ „geſchmückt mit großen,
wunderſam gearbeiteten Gewinden von Gold und Silber, mit
Hörnern, Goldreifen, Diademen, Glas u. a.; obenauf ſtand ein
zierliches Hütchen oder Häubchen von Sammet, von Gold- und
Silberſtoff, ein durchſcheinendes Netzhäubchen, ein Drahtkäpp-
chen mit drei Ecken oder Hörnern, „den Biſchofsmützen ähnlich.“
Immer blieb das Haar ſichtbar, das an Stirn und Schläfen hin-
aufgekräuſelt war. Sandblond war die Lieblingsfarbe, welche
in England nicht ſelten iſt, bei etwaigem Mangel aber durch
Färbung oder falſches Haar hergeſtellt wurde. Darauf beziehen
ſich die Verſe Shakeſpeare’s:
The golden tresses of the dead,
The right of sepulture, were shorn away,
To live a second live on second head,
And beautys dead fleece made another gay.
Wir könnten ſo die Herrſchaft der ſpaniſchen Mode noch
weiter durch die Länder verfolgen, in den ſkandinaviſchen Norden
hinauf und oſtwärts bis nach Rußland und Siebenbürgen hin-
ein, wohin auf den Wegen der Civiliſation und des Handels
auch die ausgeſtopften Puffen und die große Krauſe drangen.
Wir kehren aber nach Deutſchland zurück, wo ſich die Verhält-
niſſe weſentlich anders geſtalteten wie in den romaniſchen Län-
dern. Denn in den letzteren lenkte die Bewegung und mit ihr
auch die Kleidung von ſelbſt in ein gleiches Bett ein, ſodaß gegen
die in Spanien ſchneller zur Reife gediehenen Formen kein Wider-
ſtand aufkommen konnte, während in Deutſchland der Strom
über ſeine Ufer getreten war und aller Schranken geſpottet hatte.
Dadurch war es möglich geworden, daß ſich in Deutſchland eine
eigenthümliche Tracht herausgebildet hatte, welche ſich durch
charakteriſtiſche Merkmale von der fremden weſentlich unterſchied.
Die ſpaniſchen Moden fanden ſomit einen Gegner vor, der im
Beſitze des Feldes ihnen daſſelbe ſtreitig machte. Auf das Detail
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |