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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
aus. Mit großer Freude und Ermuthigung wurde sie vom Adel
und der Gentry des Landes aufgenommen, und sie war auch die
erste, welche öffentlich die Kunst des Stärkens lehrte. Ihr Lehr-
geld betrug vier oder fünf Pfund für jede Schülerin und zwan-
zig Schilling außerdem für die Mittheilung, wie die Stärke zu
sieden oder zu machen sei. Die Stärke bestand meist aus feinem
Weizenmehl, das man in seiner natürlichen Farbe ließ oder blau,
roth, purpur u. s. w. färbte. Eine Mrs. Turner brachte eine
von ihr erfundene gelbe Stärke in Mode, aber dieselbe fiel wie-
der, als diese Dame, bei einem Morde betheiligt, in einem gro-
ßen Steifkragen von ihrer eigenen Erfindung zu Tyburn hinge-
richtet wurde. Da der Stoff der Krause immer feiner wurde, "so
fein, daß der gröbste Faden darin nicht so dick ist wie das feinste
Haar", und an Umfang fortwährend gewann, da zugleich die
verschiedenen Schichten sich in drei, vier Reihen übereinander
lagerten und oft fast nur aus Spitzen bestanden und zudem mit
Gold beschwert wurden, so reichte die Stärke allein nicht mehr
aus, denn der Kragen durfte nicht auf die Schultern fallen, son-
dern mußte steif hinausstehen. Er wurde in Folge dessen durch
einen über ein Drahtgestell ausgespannten, mit Spitzen besetzten
Scheibenkragen unterstützt. Das gab bald Veranlassung zu einer
großen Umänderung, indem nach dem Mißkredit der spanischen
Moden dieser Unterkragen die neue Form herlieh.

Um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts trugen die
englischen Frauen Hüte und Hauben, aber mit dem Unterschied,
daß jene, in männlicher Form nach spanischer Weise, den adligen
Damen zukamen, diese aber, aus Pelz oder von weißem Tuche
gemacht, als veränderte Ueberreste vergangener Moden die Bür-
gerfrauen kenntlich machten. Es war also bereits ein starker
Rückschlag erfolgt, denn den Anfang des Jahrhunderts und die
Wiedergeburt der neuen Zeit hatten die englischen Damen mehr
noch als die deutschen mit langem, über die Schultern und den
Rücken herabfließendem Haar begrüßt. Mit dem Wachsen der
Krause verloren alle Kopfbedeckungen ihren Werth, und wenn
Hüte und Hauben noch erwähnt werden, so waren sie -- den

III. Die Neuzeit.
aus. Mit großer Freude und Ermuthigung wurde ſie vom Adel
und der Gentry des Landes aufgenommen, und ſie war auch die
erſte, welche öffentlich die Kunſt des Stärkens lehrte. Ihr Lehr-
geld betrug vier oder fünf Pfund für jede Schülerin und zwan-
zig Schilling außerdem für die Mittheilung, wie die Stärke zu
ſieden oder zu machen ſei. Die Stärke beſtand meiſt aus feinem
Weizenmehl, das man in ſeiner natürlichen Farbe ließ oder blau,
roth, purpur u. ſ. w. färbte. Eine Mrs. Turner brachte eine
von ihr erfundene gelbe Stärke in Mode, aber dieſelbe fiel wie-
der, als dieſe Dame, bei einem Morde betheiligt, in einem gro-
ßen Steifkragen von ihrer eigenen Erfindung zu Tyburn hinge-
richtet wurde. Da der Stoff der Krauſe immer feiner wurde, „ſo
fein, daß der gröbſte Faden darin nicht ſo dick iſt wie das feinſte
Haar“, und an Umfang fortwährend gewann, da zugleich die
verſchiedenen Schichten ſich in drei, vier Reihen übereinander
lagerten und oft faſt nur aus Spitzen beſtanden und zudem mit
Gold beſchwert wurden, ſo reichte die Stärke allein nicht mehr
aus, denn der Kragen durfte nicht auf die Schultern fallen, ſon-
dern mußte ſteif hinausſtehen. Er wurde in Folge deſſen durch
einen über ein Drahtgeſtell ausgeſpannten, mit Spitzen beſetzten
Scheibenkragen unterſtützt. Das gab bald Veranlaſſung zu einer
großen Umänderung, indem nach dem Mißkredit der ſpaniſchen
Moden dieſer Unterkragen die neue Form herlieh.

Um die Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts trugen die
engliſchen Frauen Hüte und Hauben, aber mit dem Unterſchied,
daß jene, in männlicher Form nach ſpaniſcher Weiſe, den adligen
Damen zukamen, dieſe aber, aus Pelz oder von weißem Tuche
gemacht, als veränderte Ueberreſte vergangener Moden die Bür-
gerfrauen kenntlich machten. Es war alſo bereits ein ſtarker
Rückſchlag erfolgt, denn den Anfang des Jahrhunderts und die
Wiedergeburt der neuen Zeit hatten die engliſchen Damen mehr
noch als die deutſchen mit langem, über die Schultern und den
Rücken herabfließendem Haar begrüßt. Mit dem Wachſen der
Krauſe verloren alle Kopfbedeckungen ihren Werth, und wenn
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[110/0122] III. Die Neuzeit. aus. Mit großer Freude und Ermuthigung wurde ſie vom Adel und der Gentry des Landes aufgenommen, und ſie war auch die erſte, welche öffentlich die Kunſt des Stärkens lehrte. Ihr Lehr- geld betrug vier oder fünf Pfund für jede Schülerin und zwan- zig Schilling außerdem für die Mittheilung, wie die Stärke zu ſieden oder zu machen ſei. Die Stärke beſtand meiſt aus feinem Weizenmehl, das man in ſeiner natürlichen Farbe ließ oder blau, roth, purpur u. ſ. w. färbte. Eine Mrs. Turner brachte eine von ihr erfundene gelbe Stärke in Mode, aber dieſelbe fiel wie- der, als dieſe Dame, bei einem Morde betheiligt, in einem gro- ßen Steifkragen von ihrer eigenen Erfindung zu Tyburn hinge- richtet wurde. Da der Stoff der Krauſe immer feiner wurde, „ſo fein, daß der gröbſte Faden darin nicht ſo dick iſt wie das feinſte Haar“, und an Umfang fortwährend gewann, da zugleich die verſchiedenen Schichten ſich in drei, vier Reihen übereinander lagerten und oft faſt nur aus Spitzen beſtanden und zudem mit Gold beſchwert wurden, ſo reichte die Stärke allein nicht mehr aus, denn der Kragen durfte nicht auf die Schultern fallen, ſon- dern mußte ſteif hinausſtehen. Er wurde in Folge deſſen durch einen über ein Drahtgeſtell ausgeſpannten, mit Spitzen beſetzten Scheibenkragen unterſtützt. Das gab bald Veranlaſſung zu einer großen Umänderung, indem nach dem Mißkredit der ſpaniſchen Moden dieſer Unterkragen die neue Form herlieh. Um die Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts trugen die engliſchen Frauen Hüte und Hauben, aber mit dem Unterſchied, daß jene, in männlicher Form nach ſpaniſcher Weiſe, den adligen Damen zukamen, dieſe aber, aus Pelz oder von weißem Tuche gemacht, als veränderte Ueberreſte vergangener Moden die Bür- gerfrauen kenntlich machten. Es war alſo bereits ein ſtarker Rückſchlag erfolgt, denn den Anfang des Jahrhunderts und die Wiedergeburt der neuen Zeit hatten die engliſchen Damen mehr noch als die deutſchen mit langem, über die Schultern und den Rücken herabfließendem Haar begrüßt. Mit dem Wachſen der Krauſe verloren alle Kopfbedeckungen ihren Werth, und wenn Hüte und Hauben noch erwähnt werden, ſo waren ſie — den

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/122>, abgerufen am 24.11.2024.