und Frauen haben eine weiße Haut; um diese natürliche Farbe zu erhalten oder zu erhöhen, lassen sich die letzteren jährlich zwei bis drei Mal zur Ader, statt sich wie die Italienerinnen zu schmin- ken." Also grade noch wie im Mittelalter.
Die Kleidung hat wenig Auszeichnendes noch in der Form Unterscheidendes, nur wird die Kostbarkeit der Stoffe vielleicht noch höher als anderswo getrieben. Ein englischer Gewährs- mann berichtet es als etwas gewöhnliches, daß tausend Eichen- stämme und hundert Ochsen zur Herstellung eines Anzugs dar- aufgingen, und daß ein Modenarr ein ganzes Landgut an seinem Leibe trug. Wamms und Beinkleid stopften sie mit Werg und Haaren fleißig aus, und besonders scheinen sie für die Pumphose im ausgedehntesten Maße Vorliebe gehabt zu haben; es wird sogar berichtet, daß die Sitze im Parlament deßhalb erweitert werden mußten. Nach anderer Nachricht ist noch für diejenigen, welche sich ganz besonders in dieser Mode ausgezeichnet haben, eine besondere Bank auf einem erhöhten Gerüst an der Wand angebracht worden, wovon man noch später in den vorhandenen Löchern die Spuren sah, als nach dem Ausgange dieser Mode das Gerüst wieder hinweggenommen worden. Den Schnurrbart und Kinnbart liebten die englischen Herren stattlich nach spani- scher Art.
Die Damen trugen die Kleider grade nicht in übermäßiger Weite über den Reifrock ausgespannt, doch im Anfang der Re- girung der Elisabeth sehr hohe Puffen um die Schultern. Auf einen gut gestärkten, großen krausen Kragen hielten sie sehr viel. Im zweiten Jahr der Regirung dieser Königin begann man die Kragen von feinem Kammertuch zu machen, statt wie bisher von holländischer Leinwand. Nun war aber große Verlegenheit, da niemand in England den neuen Stoff stärken oder steifen konnte. Die Königin schickte deßhalb um einige holländische Frauen und machte die Frau ihres Kutschers Guillan zu ihrer ersten Stärke- rin. Dann kam im Jahre 1564 die Frau Dingham van der Plasse, eine Flamländerin, mit ihrem Mann nach London her- über und übte dort öffentlich die Profession einer Kragenstärkerin
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
und Frauen haben eine weiße Haut; um dieſe natürliche Farbe zu erhalten oder zu erhöhen, laſſen ſich die letzteren jährlich zwei bis drei Mal zur Ader, ſtatt ſich wie die Italienerinnen zu ſchmin- ken.“ Alſo grade noch wie im Mittelalter.
Die Kleidung hat wenig Auszeichnendes noch in der Form Unterſcheidendes, nur wird die Koſtbarkeit der Stoffe vielleicht noch höher als anderswo getrieben. Ein engliſcher Gewährs- mann berichtet es als etwas gewöhnliches, daß tauſend Eichen- ſtämme und hundert Ochſen zur Herſtellung eines Anzugs dar- aufgingen, und daß ein Modenarr ein ganzes Landgut an ſeinem Leibe trug. Wamms und Beinkleid ſtopften ſie mit Werg und Haaren fleißig aus, und beſonders ſcheinen ſie für die Pumphoſe im ausgedehnteſten Maße Vorliebe gehabt zu haben; es wird ſogar berichtet, daß die Sitze im Parlament deßhalb erweitert werden mußten. Nach anderer Nachricht iſt noch für diejenigen, welche ſich ganz beſonders in dieſer Mode ausgezeichnet haben, eine beſondere Bank auf einem erhöhten Gerüſt an der Wand angebracht worden, wovon man noch ſpäter in den vorhandenen Löchern die Spuren ſah, als nach dem Ausgange dieſer Mode das Gerüſt wieder hinweggenommen worden. Den Schnurrbart und Kinnbart liebten die engliſchen Herren ſtattlich nach ſpani- ſcher Art.
Die Damen trugen die Kleider grade nicht in übermäßiger Weite über den Reifrock ausgeſpannt, doch im Anfang der Re- girung der Eliſabeth ſehr hohe Puffen um die Schultern. Auf einen gut geſtärkten, großen krauſen Kragen hielten ſie ſehr viel. Im zweiten Jahr der Regirung dieſer Königin begann man die Kragen von feinem Kammertuch zu machen, ſtatt wie bisher von holländiſcher Leinwand. Nun war aber große Verlegenheit, da niemand in England den neuen Stoff ſtärken oder ſteifen konnte. Die Königin ſchickte deßhalb um einige holländiſche Frauen und machte die Frau ihres Kutſchers Guillan zu ihrer erſten Stärke- rin. Dann kam im Jahre 1564 die Frau Dingham van der Plaſſe, eine Flamländerin, mit ihrem Mann nach London her- über und übte dort öffentlich die Profeſſion einer Kragenſtärkerin
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
und Frauen haben eine weiße Haut; um dieſe natürliche Farbe
zu erhalten oder zu erhöhen, laſſen ſich die letzteren jährlich zwei
bis drei Mal zur Ader, ſtatt ſich wie die Italienerinnen zu ſchmin-
ken.“ Alſo grade noch wie im Mittelalter.
Die Kleidung hat wenig Auszeichnendes noch in der Form
Unterſcheidendes, nur wird die Koſtbarkeit der Stoffe vielleicht
noch höher als anderswo getrieben. Ein engliſcher Gewährs-
mann berichtet es als etwas gewöhnliches, daß tauſend Eichen-
ſtämme und hundert Ochſen zur Herſtellung eines Anzugs dar-
aufgingen, und daß ein Modenarr ein ganzes Landgut an ſeinem
Leibe trug. Wamms und Beinkleid ſtopften ſie mit Werg und
Haaren fleißig aus, und beſonders ſcheinen ſie für die Pumphoſe
im ausgedehnteſten Maße Vorliebe gehabt zu haben; es wird
ſogar berichtet, daß die Sitze im Parlament deßhalb erweitert
werden mußten. Nach anderer Nachricht iſt noch für diejenigen,
welche ſich ganz beſonders in dieſer Mode ausgezeichnet haben,
eine beſondere Bank auf einem erhöhten Gerüſt an der Wand
angebracht worden, wovon man noch ſpäter in den vorhandenen
Löchern die Spuren ſah, als nach dem Ausgange dieſer Mode
das Gerüſt wieder hinweggenommen worden. Den Schnurrbart
und Kinnbart liebten die engliſchen Herren ſtattlich nach ſpani-
ſcher Art.
Die Damen trugen die Kleider grade nicht in übermäßiger
Weite über den Reifrock ausgeſpannt, doch im Anfang der Re-
girung der Eliſabeth ſehr hohe Puffen um die Schultern. Auf
einen gut geſtärkten, großen krauſen Kragen hielten ſie ſehr viel.
Im zweiten Jahr der Regirung dieſer Königin begann man die
Kragen von feinem Kammertuch zu machen, ſtatt wie bisher von
holländiſcher Leinwand. Nun war aber große Verlegenheit, da
niemand in England den neuen Stoff ſtärken oder ſteifen konnte.
Die Königin ſchickte deßhalb um einige holländiſche Frauen und
machte die Frau ihres Kutſchers Guillan zu ihrer erſten Stärke-
rin. Dann kam im Jahre 1564 die Frau Dingham van der
Plaſſe, eine Flamländerin, mit ihrem Mann nach London her-
über und übte dort öffentlich die Profeſſion einer Kragenſtärkerin
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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