Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. zuweisen. Bald nach der Mitte des Jahrhunderts aber ist der-selbe doch schon so bekannt und tiefgewurzelt, daß ein gegen den Luxus eifernder Geistlicher in seiner Warnung vor den fremden Moden das Ding auf den Kopf stellen konnte, indem er sagt: "Die spanische Kleidung hat uns die unzüchtigen, gottlosen Spanier in's Land gebracht." Die ersten Jahrzehnte nach 1550 waren die Zeit, in welcher die beiden Moden, die deutsche und die spanische, sich theils die Wage hielten, indem die einen dieser, die andern jener folgten, theils sich in bunter und widersprechen- der Weise an demselben Körper vereinigt fanden. Dadurch ge- währte allerdings wohl die deutsche Menschenwelt einen bunt- scheckigen Anblick, der das Auge verwirrte und das Urtheil der Zeitgenossen über die Herleitung des Details in die Irre führte. Zugleich wurde der Kanzelberedtsamkeit ein willkommenes Thema geboten, die umsomehr diese Seite in's Auge faßte, als der Kleidung von der sittlichen keinerlei Vorwürfe zu machen waren; die Sünden waren ästhetische, nicht moralische, wenn man nicht die allzugroße Kostbarkeit dahin rechnen will. Es ist daher bei den rhetorischen Schilderungen des Trachtenzustandes, wie wir sie in den Predigten finden, vieles auf Rechnung des reforma- torisch-protestantischen Eifers zu setzen. Wenn nun zu gleicher Zeit an allen Ecken und Enden des Reiches die Luxusgesetze und Kleiderordnungen wieder auftauchten und mit der minutiösesten, das fünfzehnte Jahrhundert weit übertreffenden Ausführlichkeit, nachdem das Reich seine von ihm im Jahre 1530 zu Augsburg aufgestellten und damals erfolglosen Prinzipien wiederholt auf's neue zur Nachachtung anbefohlen hatte, so ist auch davon, neben der wachsenden Ausgleichung der Stände und dem Bemühen sie geschieden zu halten, mehr das neu erweckte und religiös gestärkte Pflichtgefühl der Obrigkeiten die Ursache als die wirkliche in der Zeit begründete Nothwendigkeit. Denn wenn wir von einzelnen grotesken Erscheinungen wie die Pluderhose absehen, so ist es auffallend, wie grade damals, als diese Predigten mit den ver- schiedenen Teufelstiteln von den Kanzeln herabdonnerten, die Trachtenbücher und Portraits namentlich im Bürgerstande die III. Die Neuzeit. zuweiſen. Bald nach der Mitte des Jahrhunderts aber iſt der-ſelbe doch ſchon ſo bekannt und tiefgewurzelt, daß ein gegen den Luxus eifernder Geiſtlicher in ſeiner Warnung vor den fremden Moden das Ding auf den Kopf ſtellen konnte, indem er ſagt: „Die ſpaniſche Kleidung hat uns die unzüchtigen, gottloſen Spanier in’s Land gebracht.“ Die erſten Jahrzehnte nach 1550 waren die Zeit, in welcher die beiden Moden, die deutſche und die ſpaniſche, ſich theils die Wage hielten, indem die einen dieſer, die andern jener folgten, theils ſich in bunter und widerſprechen- der Weiſe an demſelben Körper vereinigt fanden. Dadurch ge- währte allerdings wohl die deutſche Menſchenwelt einen bunt- ſcheckigen Anblick, der das Auge verwirrte und das Urtheil der Zeitgenoſſen über die Herleitung des Details in die Irre führte. Zugleich wurde der Kanzelberedtſamkeit ein willkommenes Thema geboten, die umſomehr dieſe Seite in’s Auge faßte, als der Kleidung von der ſittlichen keinerlei Vorwürfe zu machen waren; die Sünden waren äſthetiſche, nicht moraliſche, wenn man nicht die allzugroße Koſtbarkeit dahin rechnen will. Es iſt daher bei den rhetoriſchen Schilderungen des Trachtenzuſtandes, wie wir ſie in den Predigten finden, vieles auf Rechnung des reforma- toriſch-proteſtantiſchen Eifers zu ſetzen. Wenn nun zu gleicher Zeit an allen Ecken und Enden des Reiches die Luxusgeſetze und Kleiderordnungen wieder auftauchten und mit der minutiöſeſten, das fünfzehnte Jahrhundert weit übertreffenden Ausführlichkeit, nachdem das Reich ſeine von ihm im Jahre 1530 zu Augsburg aufgeſtellten und damals erfolgloſen Prinzipien wiederholt auf’s neue zur Nachachtung anbefohlen hatte, ſo iſt auch davon, neben der wachſenden Ausgleichung der Stände und dem Bemühen ſie geſchieden zu halten, mehr das neu erweckte und religiös geſtärkte Pflichtgefühl der Obrigkeiten die Urſache als die wirkliche in der Zeit begründete Nothwendigkeit. Denn wenn wir von einzelnen grotesken Erſcheinungen wie die Pluderhoſe abſehen, ſo iſt es auffallend, wie grade damals, als dieſe Predigten mit den ver- ſchiedenen Teufelstiteln von den Kanzeln herabdonnerten, die Trachtenbücher und Portraits namentlich im Bürgerſtande die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> zuweiſen. 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III. Die Neuzeit.
zuweiſen. Bald nach der Mitte des Jahrhunderts aber iſt der-
ſelbe doch ſchon ſo bekannt und tiefgewurzelt, daß ein gegen den
Luxus eifernder Geiſtlicher in ſeiner Warnung vor den fremden
Moden das Ding auf den Kopf ſtellen konnte, indem er ſagt:
„Die ſpaniſche Kleidung hat uns die unzüchtigen, gottloſen
Spanier in’s Land gebracht.“ Die erſten Jahrzehnte nach 1550
waren die Zeit, in welcher die beiden Moden, die deutſche und
die ſpaniſche, ſich theils die Wage hielten, indem die einen dieſer,
die andern jener folgten, theils ſich in bunter und widerſprechen-
der Weiſe an demſelben Körper vereinigt fanden. Dadurch ge-
währte allerdings wohl die deutſche Menſchenwelt einen bunt-
ſcheckigen Anblick, der das Auge verwirrte und das Urtheil der
Zeitgenoſſen über die Herleitung des Details in die Irre führte.
Zugleich wurde der Kanzelberedtſamkeit ein willkommenes Thema
geboten, die umſomehr dieſe Seite in’s Auge faßte, als der
Kleidung von der ſittlichen keinerlei Vorwürfe zu machen waren;
die Sünden waren äſthetiſche, nicht moraliſche, wenn man nicht
die allzugroße Koſtbarkeit dahin rechnen will. Es iſt daher bei
den rhetoriſchen Schilderungen des Trachtenzuſtandes, wie wir
ſie in den Predigten finden, vieles auf Rechnung des reforma-
toriſch-proteſtantiſchen Eifers zu ſetzen. Wenn nun zu gleicher
Zeit an allen Ecken und Enden des Reiches die Luxusgeſetze und
Kleiderordnungen wieder auftauchten und mit der minutiöſeſten,
das fünfzehnte Jahrhundert weit übertreffenden Ausführlichkeit,
nachdem das Reich ſeine von ihm im Jahre 1530 zu Augsburg
aufgeſtellten und damals erfolgloſen Prinzipien wiederholt auf’s
neue zur Nachachtung anbefohlen hatte, ſo iſt auch davon, neben
der wachſenden Ausgleichung der Stände und dem Bemühen ſie
geſchieden zu halten, mehr das neu erweckte und religiös geſtärkte
Pflichtgefühl der Obrigkeiten die Urſache als die wirkliche in der
Zeit begründete Nothwendigkeit. Denn wenn wir von einzelnen
grotesken Erſcheinungen wie die Pluderhoſe abſehen, ſo iſt es
auffallend, wie grade damals, als dieſe Predigten mit den ver-
ſchiedenen Teufelstiteln von den Kanzeln herabdonnerten, die
Trachtenbücher und Portraits namentlich im Bürgerſtande die
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