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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
ehrbarsten und anständigsten Gestalten der Männer und Frauen
in einfach dunkler Farbe aufweisen, denen man nur allein Form-
losigkeit und Unschönheit vorwerfen kann. Erst in den letzten
Jahrzehnten unterlagen die Uebertreibungen des Kragens, des
Reifrockes und anderes gerechterem Tadel.

Wenn nun auch die Predigten im Ganzen ein schiefes Bild
darbieten, so sind sie doch um ihrer selbst willen interessant genug
und im Einzelnen immerhin als Quelle zu benutzen. Sie werden
daher auch in der folgenden Darstellung eine nicht unbedeutende
Rolle spielen.

Unter den älteren Predigten ist die eingehendste der Hof-
fartsteufel des Herrn Magister Westphal. Wie er den damaligen
Kleiderzustand Deutschlands mit seiner Brille anschaut, lehrt die
folgende Stelle, die wir daraus mittheilen: "Wenn man sich in
der weiten Welt umsiehet und Achtung darauf giebt, so wird
man finden, daß fast alle Völker, Länder und Nationes ihre
eigene besondere gewisse Tracht, Art und Form der Kleidung
haben, daß man sagen kann, das ist ein Polisch, Böhemisch,
Ungerisch, Spanisch Kleid oder Tracht. Allein wir Deutschen
haben nichts gewisses, sondern mengen dies jetzt erzählte und
noch viel mehr alles durcheinander, tragens Welsch, Französisch,
Husernisch, und gar nahe ja allerdinge Türkisch dazu, und wissen
für großer Thorheit nit, wie wir unser beginnen sollen oder
wollen ... Darum denn jener Maler, der dem türkischen Kaiser
alle Nationes mit ihrer Tracht und Kleidung abmalen sollte, nicht
unbillig der deutschen Unbeständigkeit, wiewohl sehr höflich ge-
spottet und gestrafet hat, indem er alle Völker auf's Kaisers Be-
fehl mit ihrer Kleidung werklich malet, den deutschen Mann aber
malete er gar nackend und bloß, allein ein Stück Tuch oder Ge-
wand malet er ihm unter den Arm, und als er gefragt wird,
warum er solches gethan, sintemal je die Deutschen nicht nackend
gingen? Antwort er: Er hette es darum gethan, daß er nit
wüßte, was für eine Art der Kleidung oder welche Manier und
Muster er ihm zueignen und sie darein malen sollte, Ursache, sie
wolltens allen andern Völkern nachthun, bleiben bei keinem,

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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ehrbarſten und anſtändigſten Geſtalten der Männer und Frauen
in einfach dunkler Farbe aufweiſen, denen man nur allein Form-
loſigkeit und Unſchönheit vorwerfen kann. Erſt in den letzten
Jahrzehnten unterlagen die Uebertreibungen des Kragens, des
Reifrockes und anderes gerechterem Tadel.

Wenn nun auch die Predigten im Ganzen ein ſchiefes Bild
darbieten, ſo ſind ſie doch um ihrer ſelbſt willen intereſſant genug
und im Einzelnen immerhin als Quelle zu benutzen. Sie werden
daher auch in der folgenden Darſtellung eine nicht unbedeutende
Rolle ſpielen.

Unter den älteren Predigten iſt die eingehendſte der Hof-
fartsteufel des Herrn Magiſter Weſtphal. Wie er den damaligen
Kleiderzuſtand Deutſchlands mit ſeiner Brille anſchaut, lehrt die
folgende Stelle, die wir daraus mittheilen: „Wenn man ſich in
der weiten Welt umſiehet und Achtung darauf giebt, ſo wird
man finden, daß faſt alle Völker, Länder und Nationes ihre
eigene beſondere gewiſſe Tracht, Art und Form der Kleidung
haben, daß man ſagen kann, das iſt ein Poliſch, Böhemiſch,
Ungeriſch, Spaniſch Kleid oder Tracht. Allein wir Deutſchen
haben nichts gewiſſes, ſondern mengen dies jetzt erzählte und
noch viel mehr alles durcheinander, tragens Welſch, Franzöſiſch,
Huſerniſch, und gar nahe ja allerdinge Türkiſch dazu, und wiſſen
für großer Thorheit nit, wie wir unſer beginnen ſollen oder
wollen … Darum denn jener Maler, der dem türkiſchen Kaiſer
alle Nationes mit ihrer Tracht und Kleidung abmalen ſollte, nicht
unbillig der deutſchen Unbeſtändigkeit, wiewohl ſehr höflich ge-
ſpottet und geſtrafet hat, indem er alle Völker auf’s Kaiſers Be-
fehl mit ihrer Kleidung werklich malet, den deutſchen Mann aber
malete er gar nackend und bloß, allein ein Stück Tuch oder Ge-
wand malet er ihm unter den Arm, und als er gefragt wird,
warum er ſolches gethan, ſintemal je die Deutſchen nicht nackend
gingen? Antwort er: Er hette es darum gethan, daß er nit
wüßte, was für eine Art der Kleidung oder welche Manier und
Muſter er ihm zueignen und ſie darein malen ſollte, Urſache, ſie
wolltens allen andern Völkern nachthun, bleiben bei keinem,

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[115/0127] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. ehrbarſten und anſtändigſten Geſtalten der Männer und Frauen in einfach dunkler Farbe aufweiſen, denen man nur allein Form- loſigkeit und Unſchönheit vorwerfen kann. Erſt in den letzten Jahrzehnten unterlagen die Uebertreibungen des Kragens, des Reifrockes und anderes gerechterem Tadel. Wenn nun auch die Predigten im Ganzen ein ſchiefes Bild darbieten, ſo ſind ſie doch um ihrer ſelbſt willen intereſſant genug und im Einzelnen immerhin als Quelle zu benutzen. Sie werden daher auch in der folgenden Darſtellung eine nicht unbedeutende Rolle ſpielen. Unter den älteren Predigten iſt die eingehendſte der Hof- fartsteufel des Herrn Magiſter Weſtphal. Wie er den damaligen Kleiderzuſtand Deutſchlands mit ſeiner Brille anſchaut, lehrt die folgende Stelle, die wir daraus mittheilen: „Wenn man ſich in der weiten Welt umſiehet und Achtung darauf giebt, ſo wird man finden, daß faſt alle Völker, Länder und Nationes ihre eigene beſondere gewiſſe Tracht, Art und Form der Kleidung haben, daß man ſagen kann, das iſt ein Poliſch, Böhemiſch, Ungeriſch, Spaniſch Kleid oder Tracht. Allein wir Deutſchen haben nichts gewiſſes, ſondern mengen dies jetzt erzählte und noch viel mehr alles durcheinander, tragens Welſch, Franzöſiſch, Huſerniſch, und gar nahe ja allerdinge Türkiſch dazu, und wiſſen für großer Thorheit nit, wie wir unſer beginnen ſollen oder wollen … Darum denn jener Maler, der dem türkiſchen Kaiſer alle Nationes mit ihrer Tracht und Kleidung abmalen ſollte, nicht unbillig der deutſchen Unbeſtändigkeit, wiewohl ſehr höflich ge- ſpottet und geſtrafet hat, indem er alle Völker auf’s Kaiſers Be- fehl mit ihrer Kleidung werklich malet, den deutſchen Mann aber malete er gar nackend und bloß, allein ein Stück Tuch oder Ge- wand malet er ihm unter den Arm, und als er gefragt wird, warum er ſolches gethan, ſintemal je die Deutſchen nicht nackend gingen? Antwort er: Er hette es darum gethan, daß er nit wüßte, was für eine Art der Kleidung oder welche Manier und Muſter er ihm zueignen und ſie darein malen ſollte, Urſache, ſie wolltens allen andern Völkern nachthun, bleiben bei keinem, 8*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/127>, abgerufen am 21.11.2024.