Später gegen das Ende des Jahrhunderts, als auch der Ernst vor wachsender Leichtfertigkeit wieder verschwand, erheben auch andere ihre klagenden Stimmen, woraus man sieht, daß der Erfolg der Teufelspredigten kein allzugroßer gewesen ist. So schreibt Graf Reinhard von Solms: "Bei dem jungen Adel ist keine andere Uebung, denn bis in Mittag schlafen, die andere Hälfte des Tages müssig schlinkschlanken gehen und mit dem Frauenzimmer alfanzen, oder mit den Hunden spielen und die halbe Nacht darauf saufen; darauf alle Gedanken und auf wälsche neue närrische Kleidung und Tracht legen, und, wenn es zu einem ernstlichen Zuge kommt, von nichts denn nur von Zärt- lichkeit wissen und sich bekümmern, wie man geschmückt und ge- ziert, als ob man zum Tanze reisen solle, ausziehe, wie man Pferde von einer Farbe und einen Haufen buntgekleideter Diener und unnützer Ausläufer mit sich habe, darnach die Bärte stutze und dergleichen Leichtfertigkeit treibe, zu eigenem und gemeinem Unrath."
Als das eigentliche Symbol der spanischen Reaction tritt der Hut auf den Kampfplatz in der steifen Form, wie wir ihn bereits haben kennen lernen, hoch und gewöhnlich sich zuspitzend, mit einem schmalen Rande, der kaum einen oder höchstens zwei Finger breit ist. In doppelter Weise erringt er einen vollstän- digen Sieg über das Barett, den Vertreter des reformatorischen Prinzips. Zunächst verändert sich dieses selbst, wie wir das schon angedeutet haben, und sucht dem Hute ähnlich zu werden: es wirft die Schlitzung und den durchgezogenen Stoff bei Seite, zieht Rand und Boden ein und versteift sein schlaffes Wesen, daß es gegen die Mitte des Jahrhunderts mehr einem kleinen Hütchen gleicht als seiner alten, federumwallten Gestalt. Aber in dieser verschrumpften, steifen und platten Form hält es der Bürgerstand dennoch fast bis gegen das Ende des Jahrhunderts aufrecht, sodaß ein Chronist seinen Ausgang erst im Jahr 1590 melden kann. Aber lange bevor dieses Ereigniß eintrat, hatte sich das Barett in der vornehmen Welt, von welcher es damals nicht grade ausgeschlossen blieb, noch weiter verändert. In einer
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
Später gegen das Ende des Jahrhunderts, als auch der Ernſt vor wachſender Leichtfertigkeit wieder verſchwand, erheben auch andere ihre klagenden Stimmen, woraus man ſieht, daß der Erfolg der Teufelspredigten kein allzugroßer geweſen iſt. So ſchreibt Graf Reinhard von Solms: „Bei dem jungen Adel iſt keine andere Uebung, denn bis in Mittag ſchlafen, die andere Hälfte des Tages müſſig ſchlinkſchlanken gehen und mit dem Frauenzimmer alfanzen, oder mit den Hunden ſpielen und die halbe Nacht darauf ſaufen; darauf alle Gedanken und auf wälſche neue närriſche Kleidung und Tracht legen, und, wenn es zu einem ernſtlichen Zuge kommt, von nichts denn nur von Zärt- lichkeit wiſſen und ſich bekümmern, wie man geſchmückt und ge- ziert, als ob man zum Tanze reiſen ſolle, ausziehe, wie man Pferde von einer Farbe und einen Haufen buntgekleideter Diener und unnützer Ausläufer mit ſich habe, darnach die Bärte ſtutze und dergleichen Leichtfertigkeit treibe, zu eigenem und gemeinem Unrath.“
Als das eigentliche Symbol der ſpaniſchen Reaction tritt der Hut auf den Kampfplatz in der ſteifen Form, wie wir ihn bereits haben kennen lernen, hoch und gewöhnlich ſich zuſpitzend, mit einem ſchmalen Rande, der kaum einen oder höchſtens zwei Finger breit iſt. In doppelter Weiſe erringt er einen vollſtän- digen Sieg über das Barett, den Vertreter des reformatoriſchen Prinzips. Zunächſt verändert ſich dieſes ſelbſt, wie wir das ſchon angedeutet haben, und ſucht dem Hute ähnlich zu werden: es wirft die Schlitzung und den durchgezogenen Stoff bei Seite, zieht Rand und Boden ein und verſteift ſein ſchlaffes Weſen, daß es gegen die Mitte des Jahrhunderts mehr einem kleinen Hütchen gleicht als ſeiner alten, federumwallten Geſtalt. Aber in dieſer verſchrumpften, ſteifen und platten Form hält es der Bürgerſtand dennoch faſt bis gegen das Ende des Jahrhunderts aufrecht, ſodaß ein Chroniſt ſeinen Ausgang erſt im Jahr 1590 melden kann. Aber lange bevor dieſes Ereigniß eintrat, hatte ſich das Barett in der vornehmen Welt, von welcher es damals nicht grade ausgeſchloſſen blieb, noch weiter verändert. In einer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0129"n="117"/><fwplace="top"type="header">2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.</fw><lb/><p>Später gegen das Ende des Jahrhunderts, als auch der<lb/>
Ernſt vor wachſender Leichtfertigkeit wieder verſchwand, erheben<lb/>
auch andere ihre klagenden Stimmen, woraus man ſieht, daß der<lb/>
Erfolg der Teufelspredigten kein allzugroßer geweſen iſt. So<lb/>ſchreibt Graf Reinhard von Solms: „Bei dem jungen Adel iſt<lb/>
keine andere Uebung, denn bis in Mittag ſchlafen, die andere<lb/>
Hälfte des Tages müſſig ſchlinkſchlanken gehen und mit dem<lb/>
Frauenzimmer alfanzen, oder mit den Hunden ſpielen und die<lb/>
halbe Nacht darauf ſaufen; darauf alle Gedanken und auf wälſche<lb/>
neue närriſche Kleidung und Tracht legen, und, wenn es zu<lb/>
einem ernſtlichen Zuge kommt, von nichts denn nur von Zärt-<lb/>
lichkeit wiſſen und ſich bekümmern, wie man geſchmückt und ge-<lb/>
ziert, als ob man zum Tanze reiſen ſolle, ausziehe, wie man<lb/>
Pferde von <hirendition="#g">einer</hi> Farbe und einen Haufen buntgekleideter Diener<lb/>
und unnützer Ausläufer mit ſich habe, darnach die Bärte ſtutze<lb/>
und dergleichen Leichtfertigkeit treibe, zu eigenem und gemeinem<lb/>
Unrath.“</p><lb/><p>Als das eigentliche Symbol der ſpaniſchen Reaction tritt<lb/>
der <hirendition="#g">Hut</hi> auf den Kampfplatz in der ſteifen Form, wie wir ihn<lb/>
bereits haben kennen lernen, hoch und gewöhnlich ſich zuſpitzend,<lb/>
mit einem ſchmalen Rande, der kaum einen oder höchſtens zwei<lb/>
Finger breit iſt. In doppelter Weiſe erringt er einen vollſtän-<lb/>
digen Sieg über das Barett, den Vertreter des reformatoriſchen<lb/>
Prinzips. Zunächſt verändert ſich dieſes ſelbſt, wie wir das ſchon<lb/>
angedeutet haben, und ſucht dem Hute ähnlich zu werden: es<lb/>
wirft die Schlitzung und den durchgezogenen Stoff bei Seite,<lb/>
zieht Rand und Boden ein und verſteift ſein ſchlaffes Weſen,<lb/>
daß es gegen die Mitte des Jahrhunderts mehr einem kleinen<lb/>
Hütchen gleicht als ſeiner alten, federumwallten Geſtalt. Aber<lb/>
in dieſer verſchrumpften, ſteifen und platten Form hält es der<lb/>
Bürgerſtand dennoch faſt bis gegen das Ende des Jahrhunderts<lb/>
aufrecht, ſodaß ein Chroniſt ſeinen Ausgang erſt im Jahr 1590<lb/>
melden kann. Aber lange bevor dieſes Ereigniß eintrat, hatte<lb/>ſich das Barett in der vornehmen Welt, von welcher es damals<lb/>
nicht grade ausgeſchloſſen blieb, noch weiter verändert. In einer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[117/0129]
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
Später gegen das Ende des Jahrhunderts, als auch der
Ernſt vor wachſender Leichtfertigkeit wieder verſchwand, erheben
auch andere ihre klagenden Stimmen, woraus man ſieht, daß der
Erfolg der Teufelspredigten kein allzugroßer geweſen iſt. So
ſchreibt Graf Reinhard von Solms: „Bei dem jungen Adel iſt
keine andere Uebung, denn bis in Mittag ſchlafen, die andere
Hälfte des Tages müſſig ſchlinkſchlanken gehen und mit dem
Frauenzimmer alfanzen, oder mit den Hunden ſpielen und die
halbe Nacht darauf ſaufen; darauf alle Gedanken und auf wälſche
neue närriſche Kleidung und Tracht legen, und, wenn es zu
einem ernſtlichen Zuge kommt, von nichts denn nur von Zärt-
lichkeit wiſſen und ſich bekümmern, wie man geſchmückt und ge-
ziert, als ob man zum Tanze reiſen ſolle, ausziehe, wie man
Pferde von einer Farbe und einen Haufen buntgekleideter Diener
und unnützer Ausläufer mit ſich habe, darnach die Bärte ſtutze
und dergleichen Leichtfertigkeit treibe, zu eigenem und gemeinem
Unrath.“
Als das eigentliche Symbol der ſpaniſchen Reaction tritt
der Hut auf den Kampfplatz in der ſteifen Form, wie wir ihn
bereits haben kennen lernen, hoch und gewöhnlich ſich zuſpitzend,
mit einem ſchmalen Rande, der kaum einen oder höchſtens zwei
Finger breit iſt. In doppelter Weiſe erringt er einen vollſtän-
digen Sieg über das Barett, den Vertreter des reformatoriſchen
Prinzips. Zunächſt verändert ſich dieſes ſelbſt, wie wir das ſchon
angedeutet haben, und ſucht dem Hute ähnlich zu werden: es
wirft die Schlitzung und den durchgezogenen Stoff bei Seite,
zieht Rand und Boden ein und verſteift ſein ſchlaffes Weſen,
daß es gegen die Mitte des Jahrhunderts mehr einem kleinen
Hütchen gleicht als ſeiner alten, federumwallten Geſtalt. Aber
in dieſer verſchrumpften, ſteifen und platten Form hält es der
Bürgerſtand dennoch faſt bis gegen das Ende des Jahrhunderts
aufrecht, ſodaß ein Chroniſt ſeinen Ausgang erſt im Jahr 1590
melden kann. Aber lange bevor dieſes Ereigniß eintrat, hatte
ſich das Barett in der vornehmen Welt, von welcher es damals
nicht grade ausgeſchloſſen blieb, noch weiter verändert. In einer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/129>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.