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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
späteren Predigt heißt es: "Große breite spanische Barett werden
getragen wie die Scheffelboden, die treibt man in die Höhe und
macht Falten daran." Das entspricht genau den Bildern. Den
Hüten gleich gipfeln sich die Barette über der schmalen Krämpe
empor und sind am obern Rande in gleichmäßige kleine Falten
sorgfältig gelegt. Oft scheint nur der Stoff den Unterschied zu
machen, und da auch dieser beiden gleichmäßig wurde, indem
es so gut seidene und sammtne Hüte gab, wie filzene, so ist es
kein Wunder, daß die Barette dieser Form nicht blos spanische
genannt, sondern die Benennungen mit einander verwechselt
werden.

Den zweiten Sieg erlangte der Hut in seiner eigenen Ge-
stalt, indem er schließlich auch diese neuen Formen des Baretts
verdrängte und von allen männlichen Köpfen ohne Ausnahme
Besitz ergriff, sodaß sich die nachfolgende Entwicklung an ihn
allein anknüpft. Im Jahre 1583 kommen in der sehr ausführ-
lichen Magdeburger Kleiderordnung die Hüte und Barette noch
als eine ganz gleichmäßige, weder durch den Rang noch den Stoff
unterschiedene Tracht der Bürger und Bürgersöhne vor; es heißt
darin: "De itzgemelden mögen ock Sammit, Syden unde Atlas
Hüllen, Barreth edder Höde dragen, doch ane Goltschnöre, Gül-
den edder Sülvern Krentze edder Wehden, ock ane Perlen unde
Edelsteine. Ock de Feddern nicht mit Golde edder Sülver
schmücken. Süß schal nemandt dragen Sammit, Dammaßken
edder Syden Atlas Hüllen, Höde edder Barreth" u. s. w. Im
Jahr 1593 ist auch die Kopfbedeckung der Bauern nach der neuen
Weise zugerichtet, was um so leichter möglich war, als bei ihnen
allein der alte Filzhut nicht vom Barett verdrängt worden; es
bedurfte hier bloß einer leichten Umformung. "Also sind dieses
Jahr", heißt es, "die großen, langen, spitzigen Hüte und hernach
die lieblichen, schönen, ansehnlichen Schlumperhosen, die keinen
Boden haben, unter das gemeine Handwerks-, Bürgers- und
Bauersvolk gekommen." -- Von diesem Sieg des Hutes datirt
in strenger Entwicklung die moderne Kopfbedeckung des Mannes.

An die Wandlung von Barett und Hut knüpft sich auch

III. Die Neuzeit.
ſpäteren Predigt heißt es: „Große breite ſpaniſche Barett werden
getragen wie die Scheffelboden, die treibt man in die Höhe und
macht Falten daran.“ Das entſpricht genau den Bildern. Den
Hüten gleich gipfeln ſich die Barette über der ſchmalen Krämpe
empor und ſind am obern Rande in gleichmäßige kleine Falten
ſorgfältig gelegt. Oft ſcheint nur der Stoff den Unterſchied zu
machen, und da auch dieſer beiden gleichmäßig wurde, indem
es ſo gut ſeidene und ſammtne Hüte gab, wie filzene, ſo iſt es
kein Wunder, daß die Barette dieſer Form nicht blos ſpaniſche
genannt, ſondern die Benennungen mit einander verwechſelt
werden.

Den zweiten Sieg erlangte der Hut in ſeiner eigenen Ge-
ſtalt, indem er ſchließlich auch dieſe neuen Formen des Baretts
verdrängte und von allen männlichen Köpfen ohne Ausnahme
Beſitz ergriff, ſodaß ſich die nachfolgende Entwicklung an ihn
allein anknüpft. Im Jahre 1583 kommen in der ſehr ausführ-
lichen Magdeburger Kleiderordnung die Hüte und Barette noch
als eine ganz gleichmäßige, weder durch den Rang noch den Stoff
unterſchiedene Tracht der Bürger und Bürgerſöhne vor; es heißt
darin: „De itzgemelden mögen ock Sammit, Syden unde Atlas
Hüllen, Barreth edder Höde dragen, doch ane Goltſchnöre, Gül-
den edder Sülvern Krentze edder Wehden, ock ane Perlen unde
Edelſteine. Ock de Feddern nicht mit Golde edder Sülver
ſchmücken. Süß ſchal nemandt dragen Sammit, Dammaßken
edder Syden Atlas Hüllen, Höde edder Barreth“ u. ſ. w. Im
Jahr 1593 iſt auch die Kopfbedeckung der Bauern nach der neuen
Weiſe zugerichtet, was um ſo leichter möglich war, als bei ihnen
allein der alte Filzhut nicht vom Barett verdrängt worden; es
bedurfte hier bloß einer leichten Umformung. „Alſo ſind dieſes
Jahr“, heißt es, „die großen, langen, ſpitzigen Hüte und hernach
die lieblichen, ſchönen, anſehnlichen Schlumperhoſen, die keinen
Boden haben, unter das gemeine Handwerks-, Bürgers- und
Bauersvolk gekommen.“ — Von dieſem Sieg des Hutes datirt
in ſtrenger Entwicklung die moderne Kopfbedeckung des Mannes.

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[118/0130] III. Die Neuzeit. ſpäteren Predigt heißt es: „Große breite ſpaniſche Barett werden getragen wie die Scheffelboden, die treibt man in die Höhe und macht Falten daran.“ Das entſpricht genau den Bildern. Den Hüten gleich gipfeln ſich die Barette über der ſchmalen Krämpe empor und ſind am obern Rande in gleichmäßige kleine Falten ſorgfältig gelegt. Oft ſcheint nur der Stoff den Unterſchied zu machen, und da auch dieſer beiden gleichmäßig wurde, indem es ſo gut ſeidene und ſammtne Hüte gab, wie filzene, ſo iſt es kein Wunder, daß die Barette dieſer Form nicht blos ſpaniſche genannt, ſondern die Benennungen mit einander verwechſelt werden. Den zweiten Sieg erlangte der Hut in ſeiner eigenen Ge- ſtalt, indem er ſchließlich auch dieſe neuen Formen des Baretts verdrängte und von allen männlichen Köpfen ohne Ausnahme Beſitz ergriff, ſodaß ſich die nachfolgende Entwicklung an ihn allein anknüpft. Im Jahre 1583 kommen in der ſehr ausführ- lichen Magdeburger Kleiderordnung die Hüte und Barette noch als eine ganz gleichmäßige, weder durch den Rang noch den Stoff unterſchiedene Tracht der Bürger und Bürgerſöhne vor; es heißt darin: „De itzgemelden mögen ock Sammit, Syden unde Atlas Hüllen, Barreth edder Höde dragen, doch ane Goltſchnöre, Gül- den edder Sülvern Krentze edder Wehden, ock ane Perlen unde Edelſteine. Ock de Feddern nicht mit Golde edder Sülver ſchmücken. Süß ſchal nemandt dragen Sammit, Dammaßken edder Syden Atlas Hüllen, Höde edder Barreth“ u. ſ. w. Im Jahr 1593 iſt auch die Kopfbedeckung der Bauern nach der neuen Weiſe zugerichtet, was um ſo leichter möglich war, als bei ihnen allein der alte Filzhut nicht vom Barett verdrängt worden; es bedurfte hier bloß einer leichten Umformung. „Alſo ſind dieſes Jahr“, heißt es, „die großen, langen, ſpitzigen Hüte und hernach die lieblichen, ſchönen, anſehnlichen Schlumperhoſen, die keinen Boden haben, unter das gemeine Handwerks-, Bürgers- und Bauersvolk gekommen.“ — Von dieſem Sieg des Hutes datirt in ſtrenger Entwicklung die moderne Kopfbedeckung des Mannes. An die Wandlung von Barett und Hut knüpft ſich auch

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/130>, abgerufen am 21.11.2024.