Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.2. Die Reaction und die spanische Tracht. und von der Schwäbin von Hall: "Ein sauber schlecht und ehrbar Tracht, Ohn allen Ueberfluß und Pracht." In der That sind die Frauengestalten überall so verhüllt, Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 9
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. und von der Schwäbin von Hall: „Ein ſauber ſchlecht und ehrbar Tracht, Ohn allen Ueberfluß und Pracht.“ In der That ſind die Frauengeſtalten überall ſo verhüllt, Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 9
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
und von der Schwäbin von Hall:
„Ein ſauber ſchlecht und ehrbar Tracht,
Ohn allen Ueberfluß und Pracht.“
In der That ſind die Frauengeſtalten überall ſo verhüllt,
daß nur das Geſicht frei bleibt, da die große Krauſe oder ſelbſt
der Kragen des Leibchens ſich dicht unter das Kinn und die Ohren
drängt. Oft wird dort, wo die alte Haube mit der breiten Kinn-
binde im Bürgerſtande wieder aufgelebt iſt, auch vom Geſicht
noch der größte Theil verdeckt. Es iſt äußerſt ſelten, wenn dem
Kleid noch ein geringerer Ausſchnitt bleibt, und das feingefaltete
Hemd nebſt der großen Krauſe die alleinige Bedeckung abgiebt,
und zwar ſcheint das beſonders feſtliche Tracht, nach heutiger
Redeweiſe, Balltoilette zu ſein. Die einzige Ausnahme macht
in einigen Städten die Brautkleidung, welche gern alterthüm-
liche Sitte feſthält, ſo in Danzig, Nürnberg, Köln, wo die
Braut und auch wohl die Brautjungfern halbe Decolletirung mit
eckigem Ausſchnitt tragen. Die übertriebene Entblößung, wie
ſie noch um’s Jahr 1500 ſtatt fand, iſt ſo ſehr in’s Gegentheil
umgeſchlagen, daß ſich nunmehr die Verhüllung Tadel zuzieht.
Die Urſache kann freilich zweifelhaft bleiben, wenn es im Hof-
fartsteufel heißt: „Daher auch vielleicht des Adels hoffärtig und
geprächtig Vermümmeln genommen iſt, aber von vielen miß-
brauchet wird, denn ſich wol etwa viel nicht aus Scham ver-
mümmeln, ſondern daß ſie klar und weiß bleiben oder wollen mit
den ſchönen Schleiern prangen.“ Dieſer Grund lag aber z. B.
nicht im Lande Hadeln vor, wo es am Ende des ſechszehnten
Jahrhunderts Sitte geworden war, daß ſich die Frauen in der
Kirche das Haupt mit dem Mantel verhüllten. Das erregte ſelbſt
Anſtoß bei der Obrigkeit und veranlaßte den Herzog Franz zu
der Beſtimmung (1597), daß Jungfrauen und Frauen, alt und
jung, ohne Unterſchied vor und nach der Predigt, in dem Beicht-
ſtuhl, bei der Communion, bei Taufen und Copulationen mit
unverhülltem Haupt zugegen ſein ſollten; nur Wittwen, ſolange
ſie den Wittwenſtuhl nicht verrücken, und Kinder, deren Aeltern
geſtorben ſind, haben das Recht, drei Monate lang die Todten
Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 9
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