Drittes Kapitel. Der Naturalismus und das Stutzerthum des dreißigjährigen Kriegs. 1600--1650.
Wir lernten in der vorigen Periode die Entstehung des spanischen Costüms kennen, wir sahen es zur allgemeinen Herr- schaft über die civilisirte Welt des Abendlandes gelangen, aber wir hatten auch schon Gelegenheit anzudeuten, wie einzelne be- zeichnende Veränderungen seinen Sturz voraus verkündeten. Sein Verderben hängt mit der Geschichte Spaniens in Politik und Cultur zusammen: verblutend an dem langen Kampfe mit den Niederlanden, entsagte dieses Land der Ehre, die erste Rolle im christlichen Völkerleben zu spielen; im Absolutismus erstarrt, blieb es auch in innerer Entwickung hinter den übrigen Staaten zurück, und so hielt es denn auch mit Zähigkeit an seiner einmal ausgebildeten Tracht fest, als ob sie einer Weiterbildung nicht fähig sei oder vielmehr als Ideal derselben nicht bedürfe. Aber währenddeß schritt die Mode überall anderswo unaufhaltsam vorwärts, sich wandelnd mit dem Wesen der Zeiten.
Frankreich trat nun sofort in allen Dingen an die Stelle Spaniens, wenn es seinen Einfluß auch erst in der nächstfolgen- den Periode bis zur absoluten Herrschaft ausdehnen sollte. Wie es die Entwicklung der Dinge mit sich gebracht hatte, daß Spanien und der Katholicismus Verbündete geworden und der letztere dem ersteren in Deutschland Eingang verschafft hatte, so waren
Drittes Kapitel. Der Naturalismus und das Stutzerthum des dreißigjährigen Kriegs. 1600—1650.
Wir lernten in der vorigen Periode die Entſtehung des ſpaniſchen Coſtüms kennen, wir ſahen es zur allgemeinen Herr- ſchaft über die civiliſirte Welt des Abendlandes gelangen, aber wir hatten auch ſchon Gelegenheit anzudeuten, wie einzelne be- zeichnende Veränderungen ſeinen Sturz voraus verkündeten. Sein Verderben hängt mit der Geſchichte Spaniens in Politik und Cultur zuſammen: verblutend an dem langen Kampfe mit den Niederlanden, entſagte dieſes Land der Ehre, die erſte Rolle im chriſtlichen Völkerleben zu ſpielen; im Abſolutismus erſtarrt, blieb es auch in innerer Entwickung hinter den übrigen Staaten zurück, und ſo hielt es denn auch mit Zähigkeit an ſeiner einmal ausgebildeten Tracht feſt, als ob ſie einer Weiterbildung nicht fähig ſei oder vielmehr als Ideal derſelben nicht bedürfe. Aber währenddeß ſchritt die Mode überall anderswo unaufhaltſam vorwärts, ſich wandelnd mit dem Weſen der Zeiten.
Frankreich trat nun ſofort in allen Dingen an die Stelle Spaniens, wenn es ſeinen Einfluß auch erſt in der nächſtfolgen- den Periode bis zur abſoluten Herrſchaft ausdehnen ſollte. Wie es die Entwicklung der Dinge mit ſich gebracht hatte, daß Spanien und der Katholicismus Verbündete geworden und der letztere dem erſteren in Deutſchland Eingang verſchafft hatte, ſo waren
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0180"n="[168]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Drittes Kapitel.</hi><lb/><hirendition="#g">Der Naturalismus und das Stutzerthum des<lb/>
dreißigjährigen Kriegs</hi>. 1600—1650.</head><lb/><p>Wir lernten in der vorigen Periode die Entſtehung des<lb/>ſpaniſchen Coſtüms kennen, wir ſahen es zur allgemeinen Herr-<lb/>ſchaft über die civiliſirte Welt des Abendlandes gelangen, aber<lb/>
wir hatten auch ſchon Gelegenheit anzudeuten, wie einzelne be-<lb/>
zeichnende Veränderungen ſeinen Sturz voraus verkündeten.<lb/>
Sein Verderben hängt mit der Geſchichte Spaniens in Politik<lb/>
und Cultur zuſammen: verblutend an dem langen Kampfe mit<lb/>
den Niederlanden, entſagte dieſes Land der Ehre, die erſte Rolle<lb/>
im chriſtlichen Völkerleben zu ſpielen; im Abſolutismus erſtarrt,<lb/>
blieb es auch in innerer Entwickung hinter den übrigen Staaten<lb/>
zurück, und ſo hielt es denn auch mit Zähigkeit an ſeiner einmal<lb/>
ausgebildeten Tracht feſt, als ob ſie einer Weiterbildung nicht<lb/>
fähig ſei oder vielmehr als Ideal derſelben nicht bedürfe. Aber<lb/>
währenddeß ſchritt die Mode überall anderswo unaufhaltſam<lb/>
vorwärts, ſich wandelnd mit dem Weſen der Zeiten.</p><lb/><p>Frankreich trat nun ſofort in allen Dingen an die Stelle<lb/>
Spaniens, wenn es ſeinen Einfluß auch erſt in der nächſtfolgen-<lb/>
den Periode bis zur abſoluten Herrſchaft ausdehnen ſollte. Wie<lb/>
es die Entwicklung der Dinge mit ſich gebracht hatte, daß Spanien<lb/>
und der Katholicismus Verbündete geworden und der letztere<lb/>
dem erſteren in Deutſchland Eingang verſchafft hatte, ſo waren<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[168]/0180]
Drittes Kapitel.
Der Naturalismus und das Stutzerthum des
dreißigjährigen Kriegs. 1600—1650.
Wir lernten in der vorigen Periode die Entſtehung des
ſpaniſchen Coſtüms kennen, wir ſahen es zur allgemeinen Herr-
ſchaft über die civiliſirte Welt des Abendlandes gelangen, aber
wir hatten auch ſchon Gelegenheit anzudeuten, wie einzelne be-
zeichnende Veränderungen ſeinen Sturz voraus verkündeten.
Sein Verderben hängt mit der Geſchichte Spaniens in Politik
und Cultur zuſammen: verblutend an dem langen Kampfe mit
den Niederlanden, entſagte dieſes Land der Ehre, die erſte Rolle
im chriſtlichen Völkerleben zu ſpielen; im Abſolutismus erſtarrt,
blieb es auch in innerer Entwickung hinter den übrigen Staaten
zurück, und ſo hielt es denn auch mit Zähigkeit an ſeiner einmal
ausgebildeten Tracht feſt, als ob ſie einer Weiterbildung nicht
fähig ſei oder vielmehr als Ideal derſelben nicht bedürfe. Aber
währenddeß ſchritt die Mode überall anderswo unaufhaltſam
vorwärts, ſich wandelnd mit dem Weſen der Zeiten.
Frankreich trat nun ſofort in allen Dingen an die Stelle
Spaniens, wenn es ſeinen Einfluß auch erſt in der nächſtfolgen-
den Periode bis zur abſoluten Herrſchaft ausdehnen ſollte. Wie
es die Entwicklung der Dinge mit ſich gebracht hatte, daß Spanien
und der Katholicismus Verbündete geworden und der letztere
dem erſteren in Deutſchland Eingang verſchafft hatte, ſo waren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. [168]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/180>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.