Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. es nun wieder die protestantischen Fürsten, insbesondere die cal-vinistischen, deren Stellung zum Reich und zum Kaiser sie zu den innigsten Beziehungen mit Frankreich veranlaßte und dem französischen Wesen Thür und Thor öffnete. Längere oder kür- zere Zeit am Hofe zu Paris lebend, brachten sie von dort Frank- reichs Sprache, Litteratur und Sitte mit und bürgerten sie in der Heimath ein. Damals begannen die Reisen der deutschen Prinzen zu fremden Höfen, und es ist nicht zu läugnen, daß eben hierdurch sich die calvinistischen Fürstenhäuser eine Zeit- lang vor den altlutherischen, wie Chursachsen, durch größere Bildung und ein feineres, geistigeres Leben auszeichneten. Diese hielten noch an Deutschland fest und wollten nichts von Frank- reich wissen. Indessen als die guten Früchte der Reformation vergessen waren und die Geistlichen den Fürsten gegenüber will- fährig nachgiebige Beichtväter wurden, blieb von der alten Ehr- barkeit und Ehrenhaftigkeit nicht viel übrig als Trinkgelage und Jagdfreuden. Die katholischen Höfe mit dem kaiserlichen folg- ten erst italienischen Einflüssen, bis sie endlich alle mit einander Frankreich in seine Netze zog. Die Folge der dauernden Herrschaft Frankreichs für das 3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. es nun wieder die proteſtantiſchen Fürſten, insbeſondere die cal-viniſtiſchen, deren Stellung zum Reich und zum Kaiſer ſie zu den innigſten Beziehungen mit Frankreich veranlaßte und dem franzöſiſchen Weſen Thür und Thor öffnete. Längere oder kür- zere Zeit am Hofe zu Paris lebend, brachten ſie von dort Frank- reichs Sprache, Litteratur und Sitte mit und bürgerten ſie in der Heimath ein. Damals begannen die Reiſen der deutſchen Prinzen zu fremden Höfen, und es iſt nicht zu läugnen, daß eben hierdurch ſich die calviniſtiſchen Fürſtenhäuſer eine Zeit- lang vor den altlutheriſchen, wie Churſachſen, durch größere Bildung und ein feineres, geiſtigeres Leben auszeichneten. Dieſe hielten noch an Deutſchland feſt und wollten nichts von Frank- reich wiſſen. Indeſſen als die guten Früchte der Reformation vergeſſen waren und die Geiſtlichen den Fürſten gegenüber will- fährig nachgiebige Beichtväter wurden, blieb von der alten Ehr- barkeit und Ehrenhaftigkeit nicht viel übrig als Trinkgelage und Jagdfreuden. Die katholiſchen Höfe mit dem kaiſerlichen folg- ten erſt italieniſchen Einflüſſen, bis ſie endlich alle mit einander Frankreich in ſeine Netze zog. Die Folge der dauernden Herrſchaft Frankreichs für das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="169"/><fw place="top" type="header">3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. 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3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
es nun wieder die proteſtantiſchen Fürſten, insbeſondere die cal-
viniſtiſchen, deren Stellung zum Reich und zum Kaiſer ſie zu
den innigſten Beziehungen mit Frankreich veranlaßte und dem
franzöſiſchen Weſen Thür und Thor öffnete. Längere oder kür-
zere Zeit am Hofe zu Paris lebend, brachten ſie von dort Frank-
reichs Sprache, Litteratur und Sitte mit und bürgerten ſie in
der Heimath ein. Damals begannen die Reiſen der deutſchen
Prinzen zu fremden Höfen, und es iſt nicht zu läugnen, daß
eben hierdurch ſich die calviniſtiſchen Fürſtenhäuſer eine Zeit-
lang vor den altlutheriſchen, wie Churſachſen, durch größere
Bildung und ein feineres, geiſtigeres Leben auszeichneten. Dieſe
hielten noch an Deutſchland feſt und wollten nichts von Frank-
reich wiſſen. Indeſſen als die guten Früchte der Reformation
vergeſſen waren und die Geiſtlichen den Fürſten gegenüber will-
fährig nachgiebige Beichtväter wurden, blieb von der alten Ehr-
barkeit und Ehrenhaftigkeit nicht viel übrig als Trinkgelage und
Jagdfreuden. Die katholiſchen Höfe mit dem kaiſerlichen folg-
ten erſt italieniſchen Einflüſſen, bis ſie endlich alle mit einander
Frankreich in ſeine Netze zog.
Die Folge der dauernden Herrſchaft Frankreichs für das
ganze Culturleben der höheren und gebildeten Geſellſchaft iſt,
daß ſich dieſes in allen ſeinen Zweigen, im Umgangston, in der
Denk- und Sprechweiſe, in der Sitte und ebenſo auch in der
Tracht nach dem einen Vorbilde zu einer überall gleichen Phy-
ſiognomie umwandelt. Die Geſchichte des Coſtüms betritt da-
durch eine geſchloſſene Bahn, einen völlig einheitlichen Gang,
die Mode erhält den Charakter der Unerbittlichkeit, die nichts
anderes neben ſich duldet: à la mode iſt das Schlagwort der
neuen Zeit, und was nicht alamode iſt, wird als altfrän-
kiſch verworfen. Es iſt ſomit für die eigentliche „Geſellſchaft“
— und das iſt eben diejenige, welche das Reich der Mode um-
faßt — kein Kampf verſchiedenartiger Trachtenformen mehr vor-
handen; die Rivalität der Nationen ſpielt hier keine Rolle mehr:
es iſt auf dem einen graden Wege, auf dem Frankreich voran-
geht, den aber die allgemeine Entwicklung der Culturzuſtände
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