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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
vorzeichnet, ein beständiges Auf- und Absteigen, ein Werden
und Vergehen, ein Erzeugen neuer Formen, denen unbedingt
zu folgen hat, wer sich auf der Höhe der Zeit halten, wer mit
der Mode gehen will. Um so fester ziehen sich ihrerseits die bür-
gerlichen und ländlichen Kreise zusammen, und hier allein findet
ein Kampf statt, ein Kampf gegen das Eindringen der Mode,
aber erst nachdem sich feste Trachtenformen aus dem wechselvollen
Strome abgesetzt haben, und nachdem ihr Ursprung, der ihre
Originalität in Zweifel setzen konnte, in Vergessenheit ge-
rathen ist.

Es ist mit der Herrschaft Frankreichs im Gebiet der Trach-
ten, wie es früher mit dem spanischen Costüm war; die Welt
der Ereignisse und der Lauf der Dinge hatte ihm den Boden be-
reitet und die Geister zur Unterwerfung willfährig gemacht. Auch
jetzt um das Jahr 1600 tritt der gleiche Fall ein: der Rückschlag
gegen die spanische Zwangsherrschaft und die Richtung, in wel-
cher er erfolgte, leisteten Frankreich Vorschub, öffneten ihm das
Thor und bahnten den Weg, doch traten bald die Ereignisse in
Deutschland mit so wuchtvoller Schwere auf, daß die Entwick-
lung des Costüms sich hier überstürzte, selbst von der vorge-
zeichneten Bahn abwich und in dieser Abweichung nicht ohne
Rückwirkung auf Frankreich blieb. In so unwiderstehlicher Weise
äußerte der dreißigjährige Krieg seine Wirkungen auch auf diesem
Gebiet.

Das neue Jahrhundert beginnt fast überall mit einer mehr
oder weniger deutlich ausgesprochenen Opposition gegen den
Zwang, das hohle Pathos und den gespreizten Manierismus in
Kunst, Sitte und Tracht. Man wird sich der Unnatürlichkeit des
Zustandes bewußt und will sich losringen von diesen Fesseln und
in die rechte Bahn der Natur wieder einlenken. Der erste Rück-
schlag erfolgte in Italien und zwar auf dem Gebiet der Kunst.
Es war die Familie der Caracci, welche mit viel Talent und
größerer Energie den Manieristen den Krieg erklärten, aus
welchem sie auch als Sieger hervorgingen. Allein ihr Genie war
nicht groß genug, um sie sofort in die rechte Bahn zu werfen.

III. Die Neuzeit.
vorzeichnet, ein beſtändiges Auf- und Abſteigen, ein Werden
und Vergehen, ein Erzeugen neuer Formen, denen unbedingt
zu folgen hat, wer ſich auf der Höhe der Zeit halten, wer mit
der Mode gehen will. Um ſo feſter ziehen ſich ihrerſeits die bür-
gerlichen und ländlichen Kreiſe zuſammen, und hier allein findet
ein Kampf ſtatt, ein Kampf gegen das Eindringen der Mode,
aber erſt nachdem ſich feſte Trachtenformen aus dem wechſelvollen
Strome abgeſetzt haben, und nachdem ihr Urſprung, der ihre
Originalität in Zweifel ſetzen konnte, in Vergeſſenheit ge-
rathen iſt.

Es iſt mit der Herrſchaft Frankreichs im Gebiet der Trach-
ten, wie es früher mit dem ſpaniſchen Coſtüm war; die Welt
der Ereigniſſe und der Lauf der Dinge hatte ihm den Boden be-
reitet und die Geiſter zur Unterwerfung willfährig gemacht. Auch
jetzt um das Jahr 1600 tritt der gleiche Fall ein: der Rückſchlag
gegen die ſpaniſche Zwangsherrſchaft und die Richtung, in wel-
cher er erfolgte, leiſteten Frankreich Vorſchub, öffneten ihm das
Thor und bahnten den Weg, doch traten bald die Ereigniſſe in
Deutſchland mit ſo wuchtvoller Schwere auf, daß die Entwick-
lung des Coſtüms ſich hier überſtürzte, ſelbſt von der vorge-
zeichneten Bahn abwich und in dieſer Abweichung nicht ohne
Rückwirkung auf Frankreich blieb. In ſo unwiderſtehlicher Weiſe
äußerte der dreißigjährige Krieg ſeine Wirkungen auch auf dieſem
Gebiet.

Das neue Jahrhundert beginnt faſt überall mit einer mehr
oder weniger deutlich ausgeſprochenen Oppoſition gegen den
Zwang, das hohle Pathos und den geſpreizten Manierismus in
Kunſt, Sitte und Tracht. Man wird ſich der Unnatürlichkeit des
Zuſtandes bewußt und will ſich losringen von dieſen Feſſeln und
in die rechte Bahn der Natur wieder einlenken. Der erſte Rück-
ſchlag erfolgte in Italien und zwar auf dem Gebiet der Kunſt.
Es war die Familie der Caracci, welche mit viel Talent und
größerer Energie den Manieriſten den Krieg erklärten, aus
welchem ſie auch als Sieger hervorgingen. Allein ihr Genie war
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[170/0182] III. Die Neuzeit. vorzeichnet, ein beſtändiges Auf- und Abſteigen, ein Werden und Vergehen, ein Erzeugen neuer Formen, denen unbedingt zu folgen hat, wer ſich auf der Höhe der Zeit halten, wer mit der Mode gehen will. Um ſo feſter ziehen ſich ihrerſeits die bür- gerlichen und ländlichen Kreiſe zuſammen, und hier allein findet ein Kampf ſtatt, ein Kampf gegen das Eindringen der Mode, aber erſt nachdem ſich feſte Trachtenformen aus dem wechſelvollen Strome abgeſetzt haben, und nachdem ihr Urſprung, der ihre Originalität in Zweifel ſetzen konnte, in Vergeſſenheit ge- rathen iſt. Es iſt mit der Herrſchaft Frankreichs im Gebiet der Trach- ten, wie es früher mit dem ſpaniſchen Coſtüm war; die Welt der Ereigniſſe und der Lauf der Dinge hatte ihm den Boden be- reitet und die Geiſter zur Unterwerfung willfährig gemacht. Auch jetzt um das Jahr 1600 tritt der gleiche Fall ein: der Rückſchlag gegen die ſpaniſche Zwangsherrſchaft und die Richtung, in wel- cher er erfolgte, leiſteten Frankreich Vorſchub, öffneten ihm das Thor und bahnten den Weg, doch traten bald die Ereigniſſe in Deutſchland mit ſo wuchtvoller Schwere auf, daß die Entwick- lung des Coſtüms ſich hier überſtürzte, ſelbſt von der vorge- zeichneten Bahn abwich und in dieſer Abweichung nicht ohne Rückwirkung auf Frankreich blieb. In ſo unwiderſtehlicher Weiſe äußerte der dreißigjährige Krieg ſeine Wirkungen auch auf dieſem Gebiet. Das neue Jahrhundert beginnt faſt überall mit einer mehr oder weniger deutlich ausgeſprochenen Oppoſition gegen den Zwang, das hohle Pathos und den geſpreizten Manierismus in Kunſt, Sitte und Tracht. Man wird ſich der Unnatürlichkeit des Zuſtandes bewußt und will ſich losringen von dieſen Feſſeln und in die rechte Bahn der Natur wieder einlenken. Der erſte Rück- ſchlag erfolgte in Italien und zwar auf dem Gebiet der Kunſt. Es war die Familie der Caracci, welche mit viel Talent und größerer Energie den Manieriſten den Krieg erklärten, aus welchem ſie auch als Sieger hervorgingen. Allein ihr Genie war nicht groß genug, um ſie ſofort in die rechte Bahn zu werfen.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/182>, abgerufen am 25.11.2024.