Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. französ. Mode. Geist und die Pracht seiner Feste imponirten den deutschenFürsten, die in ihm ihr Vorbild fanden. Dazu kam, daß die französische Litteratur, damals in die Periode ihrer Blüthe tre- tend, weitaus noch der in Geschmacklosigkeit versunkenen deut- schen überlegen war und so sich allen Gebildeten von selbst auf- drängte. Was die calvinistischen Fürsten schon im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts und früher noch begonnen, die engste geistige Verbindung mit dem französischen Hofe, das wurde nun ganz allgemein. Kein Prinz, fast kein deutscher Edelmann, der einiges Streben hatte, welcher nicht seine staatsmännische und modern gesellschaftliche Bildung von Paris holte. Die Gesandten vermittelten den beständigen Verkehr und überschickten neben po- litischen Neuigkeiten auch ebensowohl die litterarischen und die der Mode. An Widerstand war in diesen Kreisen nicht zu denken, und das deutsche Volk war durch den langen, verödenden Krieg gebeugt und willenlos und erholte sich erst wieder ein wenig zu patriotischen Gefühlen an den Siegen des Prinzen Eugen. So konnte Ludwig, der Deutschland in geistiger Knechtschaft hielt, ein Stück nach dem andern vom Reiche losreißen, während der deutsche Reichstag sich mit so wichtigen Fragen beschäftigte, wie die, wer von den Gesandten das Recht habe, seinen Stuhl ganz oder halb auf den Teppich oder mit den vordern Beinen auf die Franzen zu setzen. Wir haben bereits oben bemerkt, wie mächtig schon zu Logau's Zeit der französische Einfluß sich geltend machte. Noch viel mehr gilt von den letzten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts, was er um die Mitte sagt: "Frankreich hat es weit gebracht, Frankreich kann es schaffen, Daß so manches Land und Volk wird zu seinem Affen." Das Symbol der französischen Herrschaft, das Panier, 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franzöſ. Mode. Geiſt und die Pracht ſeiner Feſte imponirten den deutſchenFürſten, die in ihm ihr Vorbild fanden. Dazu kam, daß die franzöſiſche Litteratur, damals in die Periode ihrer Blüthe tre- tend, weitaus noch der in Geſchmackloſigkeit verſunkenen deut- ſchen überlegen war und ſo ſich allen Gebildeten von ſelbſt auf- drängte. Was die calviniſtiſchen Fürſten ſchon im Anfange des ſiebzehnten Jahrhunderts und früher noch begonnen, die engſte geiſtige Verbindung mit dem franzöſiſchen Hofe, das wurde nun ganz allgemein. Kein Prinz, faſt kein deutſcher Edelmann, der einiges Streben hatte, welcher nicht ſeine ſtaatsmänniſche und modern geſellſchaftliche Bildung von Paris holte. Die Geſandten vermittelten den beſtändigen Verkehr und überſchickten neben po- litiſchen Neuigkeiten auch ebenſowohl die litterariſchen und die der Mode. An Widerſtand war in dieſen Kreiſen nicht zu denken, und das deutſche Volk war durch den langen, verödenden Krieg gebeugt und willenlos und erholte ſich erſt wieder ein wenig zu patriotiſchen Gefühlen an den Siegen des Prinzen Eugen. So konnte Ludwig, der Deutſchland in geiſtiger Knechtſchaft hielt, ein Stück nach dem andern vom Reiche losreißen, während der deutſche Reichstag ſich mit ſo wichtigen Fragen beſchäftigte, wie die, wer von den Geſandten das Recht habe, ſeinen Stuhl ganz oder halb auf den Teppich oder mit den vordern Beinen auf die Franzen zu ſetzen. Wir haben bereits oben bemerkt, wie mächtig ſchon zu Logau’s Zeit der franzöſiſche Einfluß ſich geltend machte. Noch viel mehr gilt von den letzten Jahrzehnten des ſiebzehnten Jahrhunderts, was er um die Mitte ſagt: „Frankreich hat es weit gebracht, Frankreich kann es ſchaffen, Daß ſo manches Land und Volk wird zu ſeinem Affen.“ Das Symbol der franzöſiſchen Herrſchaft, das Panier, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0235" n="223"/><fw place="top" type="header">4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franzöſ. Mode.</fw><lb/> Geiſt und die Pracht ſeiner Feſte imponirten den deutſchen<lb/> Fürſten, die in ihm ihr Vorbild fanden. Dazu kam, daß die<lb/> franzöſiſche Litteratur, damals in die Periode ihrer Blüthe tre-<lb/> tend, weitaus noch der in Geſchmackloſigkeit verſunkenen deut-<lb/> ſchen überlegen war und ſo ſich allen Gebildeten von ſelbſt auf-<lb/> drängte. 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4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franzöſ. Mode.
Geiſt und die Pracht ſeiner Feſte imponirten den deutſchen
Fürſten, die in ihm ihr Vorbild fanden. Dazu kam, daß die
franzöſiſche Litteratur, damals in die Periode ihrer Blüthe tre-
tend, weitaus noch der in Geſchmackloſigkeit verſunkenen deut-
ſchen überlegen war und ſo ſich allen Gebildeten von ſelbſt auf-
drängte. Was die calviniſtiſchen Fürſten ſchon im Anfange des
ſiebzehnten Jahrhunderts und früher noch begonnen, die engſte
geiſtige Verbindung mit dem franzöſiſchen Hofe, das wurde nun
ganz allgemein. Kein Prinz, faſt kein deutſcher Edelmann, der
einiges Streben hatte, welcher nicht ſeine ſtaatsmänniſche und
modern geſellſchaftliche Bildung von Paris holte. Die Geſandten
vermittelten den beſtändigen Verkehr und überſchickten neben po-
litiſchen Neuigkeiten auch ebenſowohl die litterariſchen und die
der Mode. An Widerſtand war in dieſen Kreiſen nicht zu denken,
und das deutſche Volk war durch den langen, verödenden Krieg
gebeugt und willenlos und erholte ſich erſt wieder ein wenig zu
patriotiſchen Gefühlen an den Siegen des Prinzen Eugen. So
konnte Ludwig, der Deutſchland in geiſtiger Knechtſchaft hielt,
ein Stück nach dem andern vom Reiche losreißen, während der
deutſche Reichstag ſich mit ſo wichtigen Fragen beſchäftigte, wie
die, wer von den Geſandten das Recht habe, ſeinen Stuhl ganz
oder halb auf den Teppich oder mit den vordern Beinen auf die
Franzen zu ſetzen. Wir haben bereits oben bemerkt, wie mächtig
ſchon zu Logau’s Zeit der franzöſiſche Einfluß ſich geltend machte.
Noch viel mehr gilt von den letzten Jahrzehnten des ſiebzehnten
Jahrhunderts, was er um die Mitte ſagt:
„Frankreich hat es weit gebracht, Frankreich kann es ſchaffen,
Daß ſo manches Land und Volk wird zu ſeinem Affen.“
Das Symbol der franzöſiſchen Herrſchaft, das Panier,
welches Frankreich über alle Köpfe der gebildeten Welt ſchwingt,
iſt die Perrücke. Wenn die ganze Kleidung dieſer Zeit den
Geiſt, aus dem ſie geboren iſt, nicht verleugnet, vielmehr in jeder
Linie, in jeder Falte zu erkennen giebt, ſo iſt doch der Haupt-
träger deſſelben die Perrücke, wie ſie überhaupt das charak-
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