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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
diesem und noch mehr im folgenden Jahrhundert einen außer-
ordentlichen Gebrauch von den Schminken machen. Es waren
nicht bloß "die lilienweißen Wangen, mit Purpur angemahlt",
überall, wo die Haut sichtbar wurde, und wie wir sehen werden,
geschah das in ausgedehnter Weise, darf man auch künstliche
Erhöhung des Teints annehmen. Die Satiriker reden oft da-
von. So heißt es in der s. g. Jungfern-Anatomie:

"Gott hat das Jungferthier nicht schön genug gezieret,
Es will, wie Thais, fort mit Schminken sein beschmieret,
Es will noch schöner sein, als die Natur gewollt,
Damit sich's möge nur durch Schönheit machen hold.
"Wenn ich erzählen sollt, die Schminken alle sagen,
Müßt ich vier Wochen erst die Apotheker fragen,
Wodurch die Stirne glänzt, wodurch die Backen roth,
Das ist dem Jungfernvolk ihr täglich liebes Brod.
"Da müssen sein Zibeth, der Bisam, Balsam, Puder,
Es muß bestrichen sein das ganze Leibgepluder
Mit Salben bester Art. Es wäscht, es badet sich
Das stolze Jungferthier ganz wunder-, wunderlich.
Sie pflegen sonsten auch die Backen scharf zu reiben
Mit rothem Leder sich die Röthe drauf zu treiben;
Ja jene Jungfrau aß nicht mehr als Sauerkraut,
Vermeinte dadurch auch zu kriegen schöne Haut."

Ein besonderes und viel gebrauchtes Mittel, den Gesichts-
teint fein und zart zu erhalten, war die Nachtmaske, von
welcher das Frauenzimmerlexikon die folgende Beschreibung
macht: "Masquin ist eine aus weißem Wachs, Froschlaich-
wasser, Pomade, Wallrath und Kampfer verfertigte und auf eine
zarte Leinwand gestrichene Massa, woraus sich die Dames Mas-
quen über das Gesicht zuschneiden und zu verfertigen pflegen,
welche ihnen zarte und weiße Haut machen soll."

Die Verstärkung der Gegensätze und dadurch beabsichtigte
Hebung des Teints rief auch den Gebrauch der Mouches oder
Schönheitspflästerchen hervor, wenn auch vielleicht ihre
erste Anwendung dazu gedient hatte, Unreinheiten der Haut zu

4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
dieſem und noch mehr im folgenden Jahrhundert einen außer-
ordentlichen Gebrauch von den Schminken machen. Es waren
nicht bloß „die lilienweißen Wangen, mit Purpur angemahlt“,
überall, wo die Haut ſichtbar wurde, und wie wir ſehen werden,
geſchah das in ausgedehnter Weiſe, darf man auch künſtliche
Erhöhung des Teints annehmen. Die Satiriker reden oft da-
von. So heißt es in der ſ. g. Jungfern-Anatomie:

„Gott hat das Jungferthier nicht ſchön genug gezieret,
Es will, wie Thais, fort mit Schminken ſein beſchmieret,
Es will noch ſchöner ſein, als die Natur gewollt,
Damit ſich’s möge nur durch Schönheit machen hold.
„Wenn ich erzählen ſollt, die Schminken alle ſagen,
Müßt ich vier Wochen erſt die Apotheker fragen,
Wodurch die Stirne glänzt, wodurch die Backen roth,
Das iſt dem Jungfernvolk ihr täglich liebes Brod.
„Da müſſen ſein Zibeth, der Biſam, Balſam, Puder,
Es muß beſtrichen ſein das ganze Leibgepluder
Mit Salben beſter Art. Es wäſcht, es badet ſich
Das ſtolze Jungferthier ganz wunder-, wunderlich.
Sie pflegen ſonſten auch die Backen ſcharf zu reiben
Mit rothem Leder ſich die Röthe drauf zu treiben;
Ja jene Jungfrau aß nicht mehr als Sauerkraut,
Vermeinte dadurch auch zu kriegen ſchöne Haut.“

Ein beſonderes und viel gebrauchtes Mittel, den Geſichts-
teint fein und zart zu erhalten, war die Nachtmaske, von
welcher das Frauenzimmerlexikon die folgende Beſchreibung
macht: „Masquin iſt eine aus weißem Wachs, Froſchlaich-
waſſer, Pomade, Wallrath und Kampfer verfertigte und auf eine
zarte Leinwand geſtrichene Maſſa, woraus ſich die Dames Mas-
quen über das Geſicht zuſchneiden und zu verfertigen pflegen,
welche ihnen zarte und weiße Haut machen ſoll.“

Die Verſtärkung der Gegenſätze und dadurch beabſichtigte
Hebung des Teints rief auch den Gebrauch der Mouches oder
Schönheitspfläſterchen hervor, wenn auch vielleicht ihre
erſte Anwendung dazu gedient hatte, Unreinheiten der Haut zu

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[247/0259] 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode. dieſem und noch mehr im folgenden Jahrhundert einen außer- ordentlichen Gebrauch von den Schminken machen. Es waren nicht bloß „die lilienweißen Wangen, mit Purpur angemahlt“, überall, wo die Haut ſichtbar wurde, und wie wir ſehen werden, geſchah das in ausgedehnter Weiſe, darf man auch künſtliche Erhöhung des Teints annehmen. Die Satiriker reden oft da- von. So heißt es in der ſ. g. Jungfern-Anatomie: „Gott hat das Jungferthier nicht ſchön genug gezieret, Es will, wie Thais, fort mit Schminken ſein beſchmieret, Es will noch ſchöner ſein, als die Natur gewollt, Damit ſich’s möge nur durch Schönheit machen hold. „Wenn ich erzählen ſollt, die Schminken alle ſagen, Müßt ich vier Wochen erſt die Apotheker fragen, Wodurch die Stirne glänzt, wodurch die Backen roth, Das iſt dem Jungfernvolk ihr täglich liebes Brod. „Da müſſen ſein Zibeth, der Biſam, Balſam, Puder, Es muß beſtrichen ſein das ganze Leibgepluder Mit Salben beſter Art. Es wäſcht, es badet ſich Das ſtolze Jungferthier ganz wunder-, wunderlich. Sie pflegen ſonſten auch die Backen ſcharf zu reiben Mit rothem Leder ſich die Röthe drauf zu treiben; Ja jene Jungfrau aß nicht mehr als Sauerkraut, Vermeinte dadurch auch zu kriegen ſchöne Haut.“ Ein beſonderes und viel gebrauchtes Mittel, den Geſichts- teint fein und zart zu erhalten, war die Nachtmaske, von welcher das Frauenzimmerlexikon die folgende Beſchreibung macht: „Masquin iſt eine aus weißem Wachs, Froſchlaich- waſſer, Pomade, Wallrath und Kampfer verfertigte und auf eine zarte Leinwand geſtrichene Maſſa, woraus ſich die Dames Mas- quen über das Geſicht zuſchneiden und zu verfertigen pflegen, welche ihnen zarte und weiße Haut machen ſoll.“ Die Verſtärkung der Gegenſätze und dadurch beabſichtigte Hebung des Teints rief auch den Gebrauch der Mouches oder Schönheitspfläſterchen hervor, wenn auch vielleicht ihre erſte Anwendung dazu gedient hatte, Unreinheiten der Haut zu

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/259>, abgerufen am 24.11.2024.