Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. verdecken. Rachel sagt davon in seinem Gedicht von den "bösenSieben": "Sie klebet an's Gesicht, wiewol es unverletzet, Ein schwarzes Pflastermahl, damit der weiße Schein Der schneegleich Wollen-Haut mag offenbarer sein." Anfangs hatten diese kleinen schwarzen Taffetstückchen, die man Bei der Männerwelt blieb diese Sitte keineswegs ohne Wi- III. Die Neuzeit. verdecken. Rachel ſagt davon in ſeinem Gedicht von den „böſenSieben“: „Sie klebet an’s Geſicht, wiewol es unverletzet, Ein ſchwarzes Pflaſtermahl, damit der weiße Schein Der ſchneegleich Wollen-Haut mag offenbarer ſein.“ Anfangs hatten dieſe kleinen ſchwarzen Taffetſtückchen, die man Bei der Männerwelt blieb dieſe Sitte keineswegs ohne Wi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> verdecken. Rachel ſagt davon in ſeinem Gedicht von den „böſen<lb/> Sieben“:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Sie klebet an’s Geſicht, wiewol es unverletzet,</l><lb/> <l>Ein ſchwarzes Pflaſtermahl, damit der weiße Schein</l><lb/> <l>Der ſchneegleich Wollen-Haut mag offenbarer ſein.“</l> </lg><lb/> <p>Anfangs hatten dieſe kleinen ſchwarzen Taffetſtückchen, die man<lb/> in einer feinen ſilbernen oder hölzernen Büchſe verwahrte, runde<lb/> Form, aber man blieb nicht lange dabei, ſondern ſchnitt ſie in<lb/> Figuren aus, in Sonne, Mond oder Sterne, in Geſtalt von<lb/> Fliegen, Käfern und andern kleinen Thieren, oder worauf ſonſt<lb/> die Phantaſie der Damen verfallen mochte. In Bezug auf die<lb/> Plätze, wo ſie angeklebt wurden, entwickelte ſich ein völliges<lb/> Syſtem mit beſtimmten Namen, eine ſtumme, aber verſtändliche<lb/> Sprache, die jedesmalige Stimmung, Laune und Abſicht der<lb/> Trägerin anzudeuten. Trat eine hochgebietende Dame, die<lb/> Mouche mitten auf der Stirn, in den Salon, ſo erkannte die<lb/> verſammelte Geſellſchaft an dieſem Zeichen, <hi rendition="#aq">la majestueuse</hi> ge-<lb/> genannt, daß die Dame bereit ſei, die ihr gebührenden Hul-<lb/> digungen in Empfang zu nehmen; Gang, Gebärde, Blick waren<lb/> natürlich mit der Bedeutung der Mouche in Harmonie gebracht.<lb/> Wenn die Mouche heitere Laune verkünden ſollte, ſo fand ſie<lb/> ihr reizendes Plätzchen auf der Falte, welche das Lächeln in die<lb/> Wange zieht; ſie hieß <hi rendition="#aq">l’enjouée. La passionnée</hi> ſaß im äußern<lb/> Winkel des Auges, <hi rendition="#aq">la galante</hi> mitten auf der Wange, <hi rendition="#aq">la<lb/> baiseuse</hi> im Winkel des Mundes, <hi rendition="#aq">l’effrontée</hi> über der Naſe, <hi rendition="#aq">la<lb/> coquette</hi> über den Lippen und <hi rendition="#aq">la reveleuse</hi>, die enthüllende,<lb/> an der Gränzſcheide verborgener Reize, auf dem Buſen. Ein<lb/> einziges Fleckchen pflegte ſelten zu genügen, es müßte denn ſein,<lb/> daß es durch ſeine Einſamkeit eben die entſagende Stimmung<lb/> hätte bezeichnen ſollen; häufig iſt wohl ein halbes Dutzend und<lb/> mehr noch von verſchiedener Größe und Form über Geſicht und<lb/> Buſen vertheilt.</p><lb/> <p>Bei der Männerwelt blieb dieſe Sitte keineswegs ohne Wi-<lb/> derſpruch, und ſie veranlaßte manches beißende Epigramm. So<lb/> lautet eines von Hoffmannswaldau:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0260]
III. Die Neuzeit.
verdecken. Rachel ſagt davon in ſeinem Gedicht von den „böſen
Sieben“:
„Sie klebet an’s Geſicht, wiewol es unverletzet,
Ein ſchwarzes Pflaſtermahl, damit der weiße Schein
Der ſchneegleich Wollen-Haut mag offenbarer ſein.“
Anfangs hatten dieſe kleinen ſchwarzen Taffetſtückchen, die man
in einer feinen ſilbernen oder hölzernen Büchſe verwahrte, runde
Form, aber man blieb nicht lange dabei, ſondern ſchnitt ſie in
Figuren aus, in Sonne, Mond oder Sterne, in Geſtalt von
Fliegen, Käfern und andern kleinen Thieren, oder worauf ſonſt
die Phantaſie der Damen verfallen mochte. In Bezug auf die
Plätze, wo ſie angeklebt wurden, entwickelte ſich ein völliges
Syſtem mit beſtimmten Namen, eine ſtumme, aber verſtändliche
Sprache, die jedesmalige Stimmung, Laune und Abſicht der
Trägerin anzudeuten. Trat eine hochgebietende Dame, die
Mouche mitten auf der Stirn, in den Salon, ſo erkannte die
verſammelte Geſellſchaft an dieſem Zeichen, la majestueuse ge-
genannt, daß die Dame bereit ſei, die ihr gebührenden Hul-
digungen in Empfang zu nehmen; Gang, Gebärde, Blick waren
natürlich mit der Bedeutung der Mouche in Harmonie gebracht.
Wenn die Mouche heitere Laune verkünden ſollte, ſo fand ſie
ihr reizendes Plätzchen auf der Falte, welche das Lächeln in die
Wange zieht; ſie hieß l’enjouée. La passionnée ſaß im äußern
Winkel des Auges, la galante mitten auf der Wange, la
baiseuse im Winkel des Mundes, l’effrontée über der Naſe, la
coquette über den Lippen und la reveleuse, die enthüllende,
an der Gränzſcheide verborgener Reize, auf dem Buſen. Ein
einziges Fleckchen pflegte ſelten zu genügen, es müßte denn ſein,
daß es durch ſeine Einſamkeit eben die entſagende Stimmung
hätte bezeichnen ſollen; häufig iſt wohl ein halbes Dutzend und
mehr noch von verſchiedener Größe und Form über Geſicht und
Buſen vertheilt.
Bei der Männerwelt blieb dieſe Sitte keineswegs ohne Wi-
derſpruch, und ſie veranlaßte manches beißende Epigramm. So
lautet eines von Hoffmannswaldau:
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