seine Scheere unvermerkt an den Haarzopf zu bringen und solchen zu packen und -- weg war der Haarzopf."
Quarreeperrücke, Beutel- und Zopfperrücke und die Zopf- frisur des Eigenhaares gleichen sich nun darin, daß sie in glei- cher Weise des Puders bedurften; es war davon eigentlich niemand ausgenommen, wenn er nicht, wie z. B. die pietisti- schen Geistlichen, Spener, Francke u. a. die Sitte durchbrach, was aber damals noch eine seltene Erscheinung war. Der Puder fand seinen Halt an der Pomade, mit welcher das Haar vorher eingeschmiert wurde. Aufgetragen wurde er mit einem flaum- artigen Büschel, einer von Seide oder Garn zusammengedrehten Quaste, oder er wurde mit einem kleinen Blasebalg in die Haare geblasen. Um einen Begriff von dem Verbrauch des Weizenmehls zu geben, aus welchem vorzugsweise der Puder fabrizirt wurde, hat man die folgende Berechnung gemacht: Man brauchte, um einen Kopf vollständig zu pudern, täglich 5 Quentchen, und wenn es zweimal geschah, täglich 21/2 Loth Puder. Rechnet man damals auf den preußischen Staat zwölf Millionen Einwohner und läßt man von diesen acht Millionen, Männer wie Frauen -- eine allerdings wohl etwas hochgegriffene Zahl -- täglich sich Eigenhaar oder Perrücke bepudern, so wurden, rechnet man nur eiu Loth durchschnittlich auf den Kopf, hierzu täglich 250,000 und in einem Jahr 91,250,000 Pfund Puder consumirt, wozu im Durchschnitt 2,281,250 Berliner Scheffel erforderlich waren.
Wir haben schon in der vorigen Periode bei der Geschichte des Hutes angedeutet, welche Wandlungen die Veränderung der Haartracht an ihm hervorbrachte. Schon die große Perrücke hatte ihn zu einem dreikrämpigen zierlichen Toilettenstück gemacht, dessen Aufgabe nicht mehr darin bestand, den Kopf zu schützen. Die kleinere, aber zierlichere und viel unduldsamere Perrücken- form und die Zopffrisur oder der Haarbeutel mit der pomadisirten schön geschwungenen Vergette wollten ihn gar nicht mehr dulden, und so mußte ihn der feine Herr in der Hand tragen und wenn er diese frei haben wollte, unter dem Arm. Da dieses allgemeine Sitte wurde, und die Rechte außerdem den Stock führte, so
III. Die Neuzeit.
ſeine Scheere unvermerkt an den Haarzopf zu bringen und ſolchen zu packen und — weg war der Haarzopf.“
Quarréeperrücke, Beutel- und Zopfperrücke und die Zopf- friſur des Eigenhaares gleichen ſich nun darin, daß ſie in glei- cher Weiſe des Puders bedurften; es war davon eigentlich niemand ausgenommen, wenn er nicht, wie z. B. die pietiſti- ſchen Geiſtlichen, Spener, Francke u. a. die Sitte durchbrach, was aber damals noch eine ſeltene Erſcheinung war. Der Puder fand ſeinen Halt an der Pomade, mit welcher das Haar vorher eingeſchmiert wurde. Aufgetragen wurde er mit einem flaum- artigen Büſchel, einer von Seide oder Garn zuſammengedrehten Quaſte, oder er wurde mit einem kleinen Blaſebalg in die Haare geblaſen. Um einen Begriff von dem Verbrauch des Weizenmehls zu geben, aus welchem vorzugsweiſe der Puder fabrizirt wurde, hat man die folgende Berechnung gemacht: Man brauchte, um einen Kopf vollſtändig zu pudern, täglich 5 Quentchen, und wenn es zweimal geſchah, täglich 2½ Loth Puder. Rechnet man damals auf den preußiſchen Staat zwölf Millionen Einwohner und läßt man von dieſen acht Millionen, Männer wie Frauen — eine allerdings wohl etwas hochgegriffene Zahl — täglich ſich Eigenhaar oder Perrücke bepudern, ſo wurden, rechnet man nur eiu Loth durchſchnittlich auf den Kopf, hierzu täglich 250,000 und in einem Jahr 91,250,000 Pfund Puder conſumirt, wozu im Durchſchnitt 2,281,250 Berliner Scheffel erforderlich waren.
Wir haben ſchon in der vorigen Periode bei der Geſchichte des Hutes angedeutet, welche Wandlungen die Veränderung der Haartracht an ihm hervorbrachte. Schon die große Perrücke hatte ihn zu einem dreikrämpigen zierlichen Toilettenſtück gemacht, deſſen Aufgabe nicht mehr darin beſtand, den Kopf zu ſchützen. Die kleinere, aber zierlichere und viel unduldſamere Perrücken- form und die Zopffriſur oder der Haarbeutel mit der pomadiſirten ſchön geſchwungenen Vergette wollten ihn gar nicht mehr dulden, und ſo mußte ihn der feine Herr in der Hand tragen und wenn er dieſe frei haben wollte, unter dem Arm. Da dieſes allgemeine Sitte wurde, und die Rechte außerdem den Stock führte, ſo
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III. Die Neuzeit.
ſeine Scheere unvermerkt an den Haarzopf zu bringen und ſolchen
zu packen und — weg war der Haarzopf.“
Quarréeperrücke, Beutel- und Zopfperrücke und die Zopf-
friſur des Eigenhaares gleichen ſich nun darin, daß ſie in glei-
cher Weiſe des Puders bedurften; es war davon eigentlich
niemand ausgenommen, wenn er nicht, wie z. B. die pietiſti-
ſchen Geiſtlichen, Spener, Francke u. a. die Sitte durchbrach,
was aber damals noch eine ſeltene Erſcheinung war. Der Puder
fand ſeinen Halt an der Pomade, mit welcher das Haar vorher
eingeſchmiert wurde. Aufgetragen wurde er mit einem flaum-
artigen Büſchel, einer von Seide oder Garn zuſammengedrehten
Quaſte, oder er wurde mit einem kleinen Blaſebalg in die Haare
geblaſen. Um einen Begriff von dem Verbrauch des Weizenmehls
zu geben, aus welchem vorzugsweiſe der Puder fabrizirt wurde,
hat man die folgende Berechnung gemacht: Man brauchte, um
einen Kopf vollſtändig zu pudern, täglich 5 Quentchen, und
wenn es zweimal geſchah, täglich 2½ Loth Puder. Rechnet man
damals auf den preußiſchen Staat zwölf Millionen Einwohner
und läßt man von dieſen acht Millionen, Männer wie Frauen —
eine allerdings wohl etwas hochgegriffene Zahl — täglich ſich
Eigenhaar oder Perrücke bepudern, ſo wurden, rechnet man nur
eiu Loth durchſchnittlich auf den Kopf, hierzu täglich 250,000
und in einem Jahr 91,250,000 Pfund Puder conſumirt, wozu
im Durchſchnitt 2,281,250 Berliner Scheffel erforderlich waren.
Wir haben ſchon in der vorigen Periode bei der Geſchichte
des Hutes angedeutet, welche Wandlungen die Veränderung
der Haartracht an ihm hervorbrachte. Schon die große Perrücke
hatte ihn zu einem dreikrämpigen zierlichen Toilettenſtück gemacht,
deſſen Aufgabe nicht mehr darin beſtand, den Kopf zu ſchützen.
Die kleinere, aber zierlichere und viel unduldſamere Perrücken-
form und die Zopffriſur oder der Haarbeutel mit der pomadiſirten
ſchön geſchwungenen Vergette wollten ihn gar nicht mehr dulden,
und ſo mußte ihn der feine Herr in der Hand tragen und wenn
er dieſe frei haben wollte, unter dem Arm. Da dieſes allgemeine
Sitte wurde, und die Rechte außerdem den Stock führte, ſo
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/282>, abgerufen am 29.07.2024.
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