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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
zehnte Jahrhundert und selbst die Revolution bis zum Waffen-
rock überdauerten. In dieser militärischen Form ging der Frack
zwar nur selten auf den civilen Mann über, aber durch den sie-
benjährigen Krieg war der Ruhm und das Ansehen der preußi-
schen Offiziere, die massenweise jetzt in die bürgerliche Welt zu-
rücktraten und ihren Ehrenrock behielten, in der Art gestiegen,
daß man sich gar zu gern ein ähnliches, halb militärisches Aeußere
gab. Aus diesem Grunde suchte man den Rock dem Militärfrack
ähnlich zu machen, nicht indem man die Zipfel umschlug, son-
dern indem man sie beschnitt. Doch setzte man dessen ungeachtet
die Knöpfe, woran die Zipfel hätten befestigt werden können,
hinten an. Obwohl sie unnütz geblieben sind, wie sie es von An-
fang an waren, sind wir ihrer heute noch nicht los. Vergebens
fragen wir nach dem Warum.

So hat sich nun die antike, griechisch-römische Kleidung in
die moderne umgewandelt. Wir sind bei der letzten Form ange-
kommen: die obere faltenreiche Tunica, die wohl bis zu den
Füßen herabreichte, ist zum simpeln, nüchternen, form- und fal-
tenlosen Frack geworden, und die untere hat sich in die zierliche,
geblümte Weste verwandelt, für deren Existenz wir kaum einen
vernünftigen Grund auffinden mögen. Wenn man wollte, könnte
man auch hieran den Gegensatz des antiken und des modernen
Lebens deduciren.

Noch eine nicht uninteressante Veränderung des Rockes oder
Frackes dürfen wir nicht unerwähnt lassen. Als sich die Locken
der Perrücke und die Frisur wieder von den Schultern bis über
die Ohren heraufzogen, rückte, ähnlich wie es im sechszehnten
Jahrhundert geschehen war, der Rock nach, und als er hoch ge-
nug gekommen war, legte er sich mit mehr oder weniger stark
ausladendem Kragen um, dem sich die Ueberschläge auf der Brust
anschlossen. Auch hiervon haben wir den Nachkommen im heu-
tigen Rockkragen, der auf- und absteigt je nach der herrschenden
Tracht des Haares.

Als das Wamms zur Weste und der Rock zum Frack ge-
worden, konnte diese Kleidung nicht mehr gegen die Strenge der

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 18

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
zehnte Jahrhundert und ſelbſt die Revolution bis zum Waffen-
rock überdauerten. In dieſer militäriſchen Form ging der Frack
zwar nur ſelten auf den civilen Mann über, aber durch den ſie-
benjährigen Krieg war der Ruhm und das Anſehen der preußi-
ſchen Offiziere, die maſſenweiſe jetzt in die bürgerliche Welt zu-
rücktraten und ihren Ehrenrock behielten, in der Art geſtiegen,
daß man ſich gar zu gern ein ähnliches, halb militäriſches Aeußere
gab. Aus dieſem Grunde ſuchte man den Rock dem Militärfrack
ähnlich zu machen, nicht indem man die Zipfel umſchlug, ſon-
dern indem man ſie beſchnitt. Doch ſetzte man deſſen ungeachtet
die Knöpfe, woran die Zipfel hätten befeſtigt werden können,
hinten an. Obwohl ſie unnütz geblieben ſind, wie ſie es von An-
fang an waren, ſind wir ihrer heute noch nicht los. Vergebens
fragen wir nach dem Warum.

So hat ſich nun die antike, griechiſch-römiſche Kleidung in
die moderne umgewandelt. Wir ſind bei der letzten Form ange-
kommen: die obere faltenreiche Tunica, die wohl bis zu den
Füßen herabreichte, iſt zum ſimpeln, nüchternen, form- und fal-
tenloſen Frack geworden, und die untere hat ſich in die zierliche,
geblümte Weſte verwandelt, für deren Exiſtenz wir kaum einen
vernünftigen Grund auffinden mögen. Wenn man wollte, könnte
man auch hieran den Gegenſatz des antiken und des modernen
Lebens deduciren.

Noch eine nicht unintereſſante Veränderung des Rockes oder
Frackes dürfen wir nicht unerwähnt laſſen. Als ſich die Locken
der Perrücke und die Friſur wieder von den Schultern bis über
die Ohren heraufzogen, rückte, ähnlich wie es im ſechszehnten
Jahrhundert geſchehen war, der Rock nach, und als er hoch ge-
nug gekommen war, legte er ſich mit mehr oder weniger ſtark
ausladendem Kragen um, dem ſich die Ueberſchläge auf der Bruſt
anſchloſſen. Auch hiervon haben wir den Nachkommen im heu-
tigen Rockkragen, der auf- und abſteigt je nach der herrſchenden
Tracht des Haares.

Als das Wamms zur Weſte und der Rock zum Frack ge-
worden, konnte dieſe Kleidung nicht mehr gegen die Strenge der

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 18
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[273/0285] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. zehnte Jahrhundert und ſelbſt die Revolution bis zum Waffen- rock überdauerten. In dieſer militäriſchen Form ging der Frack zwar nur ſelten auf den civilen Mann über, aber durch den ſie- benjährigen Krieg war der Ruhm und das Anſehen der preußi- ſchen Offiziere, die maſſenweiſe jetzt in die bürgerliche Welt zu- rücktraten und ihren Ehrenrock behielten, in der Art geſtiegen, daß man ſich gar zu gern ein ähnliches, halb militäriſches Aeußere gab. Aus dieſem Grunde ſuchte man den Rock dem Militärfrack ähnlich zu machen, nicht indem man die Zipfel umſchlug, ſon- dern indem man ſie beſchnitt. Doch ſetzte man deſſen ungeachtet die Knöpfe, woran die Zipfel hätten befeſtigt werden können, hinten an. Obwohl ſie unnütz geblieben ſind, wie ſie es von An- fang an waren, ſind wir ihrer heute noch nicht los. Vergebens fragen wir nach dem Warum. So hat ſich nun die antike, griechiſch-römiſche Kleidung in die moderne umgewandelt. Wir ſind bei der letzten Form ange- kommen: die obere faltenreiche Tunica, die wohl bis zu den Füßen herabreichte, iſt zum ſimpeln, nüchternen, form- und fal- tenloſen Frack geworden, und die untere hat ſich in die zierliche, geblümte Weſte verwandelt, für deren Exiſtenz wir kaum einen vernünftigen Grund auffinden mögen. Wenn man wollte, könnte man auch hieran den Gegenſatz des antiken und des modernen Lebens deduciren. Noch eine nicht unintereſſante Veränderung des Rockes oder Frackes dürfen wir nicht unerwähnt laſſen. Als ſich die Locken der Perrücke und die Friſur wieder von den Schultern bis über die Ohren heraufzogen, rückte, ähnlich wie es im ſechszehnten Jahrhundert geſchehen war, der Rock nach, und als er hoch ge- nug gekommen war, legte er ſich mit mehr oder weniger ſtark ausladendem Kragen um, dem ſich die Ueberſchläge auf der Bruſt anſchloſſen. Auch hiervon haben wir den Nachkommen im heu- tigen Rockkragen, der auf- und abſteigt je nach der herrſchenden Tracht des Haares. Als das Wamms zur Weſte und der Rock zum Frack ge- worden, konnte dieſe Kleidung nicht mehr gegen die Strenge der Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 18

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/285>, abgerufen am 26.11.2024.