allenfalls sich darin befanden, waren nur so nebenbei und standen so zurück, daß sie nur halfen das ungewisse, unbestimmbare Lüstre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge- sellschaft in Türkischroth oder purpurgeblümtem Stoff erschien, verrieth damit augenblicklich seinen Ungeschmack und seine Her- kunft, mochte er auch noch so kostbar gekleidet sein.
Die französische Revolution brachte der männlichen Welt eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher schon theilweise der vorhergehende Geschmack entsprochen hatte. Unter dem Ernst des Lebens, unter den politischen und persönlichen Sorgen verschwand die alte Lust, die sich in der Zopfzeit gegen- über der später eintretenden Sentimentalität noch in still behag- lichem Dasein als bescheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra- ditionell steht der Großväter Jugendzeit noch vor unsrer kind- lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beschränkten Familienglückes. Ruhig im Backenlehnstuhl sitzend, ließ man weit dahinten die Völker auf einander schlagen, ohne sich zu alteri- ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieses stille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in sich zurück- kehrenden Gleise seines Daseins gerissen, hatte den Halt und damit auch die Freude an dem Dasein verloren. Er legt die schönen buntgeblümten Westen und Röcke ab, stellt den Stock mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinsterben der alten Lust, die in gebrochenen Farben gestreiften Gewänder. Namen wie cou- leur boue de Paris, couleur soupirs etouffes, couleur de larmes indiscretes, couleur de nymphe emue geben schon für sich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor- zug erscheint, daß die Farbe nicht schmutzt. Diese Rützlichkeits- frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver- schiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun, Violett und was sonst hierher gehört, höchstens daß eine hellere Weste und das schwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine
III. Die Neuzeit.
allenfalls ſich darin befanden, waren nur ſo nebenbei und ſtanden ſo zurück, daß ſie nur halfen das ungewiſſe, unbeſtimmbare Lüſtre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge- ſellſchaft in Türkiſchroth oder purpurgeblümtem Stoff erſchien, verrieth damit augenblicklich ſeinen Ungeſchmack und ſeine Her- kunft, mochte er auch noch ſo koſtbar gekleidet ſein.
Die franzöſiſche Revolution brachte der männlichen Welt eine gewiſſe Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher ſchon theilweiſe der vorhergehende Geſchmack entſprochen hatte. Unter dem Ernſt des Lebens, unter den politiſchen und perſönlichen Sorgen verſchwand die alte Luſt, die ſich in der Zopfzeit gegen- über der ſpäter eintretenden Sentimentalität noch in ſtill behag- lichem Daſein als beſcheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra- ditionell ſteht der Großväter Jugendzeit noch vor unſrer kind- lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beſchränkten Familienglückes. Ruhig im Backenlehnſtuhl ſitzend, ließ man weit dahinten die Völker auf einander ſchlagen, ohne ſich zu alteri- ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieſes ſtille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in ſich zurück- kehrenden Gleiſe ſeines Daſeins geriſſen, hatte den Halt und damit auch die Freude an dem Daſein verloren. Er legt die ſchönen buntgeblümten Weſten und Röcke ab, ſtellt den Stock mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinſterben der alten Luſt, die in gebrochenen Farben geſtreiften Gewänder. Namen wie cou- leur boue de Paris, couleur soupirs étouffés, couleur de larmes indiscrètes, couleur de nymphe émue geben ſchon für ſich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor- zug erſcheint, daß die Farbe nicht ſchmutzt. Dieſe Rützlichkeits- frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver- ſchiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun, Violett und was ſonſt hierher gehört, höchſtens daß eine hellere Weſte und das ſchwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine
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III. Die Neuzeit.
allenfalls ſich darin befanden, waren nur ſo nebenbei und ſtanden
ſo zurück, daß ſie nur halfen das ungewiſſe, unbeſtimmbare
Lüſtre des Ganzen zu vollenden. Ein Mann, der in guter Ge-
ſellſchaft in Türkiſchroth oder purpurgeblümtem Stoff erſchien,
verrieth damit augenblicklich ſeinen Ungeſchmack und ſeine Her-
kunft, mochte er auch noch ſo koſtbar gekleidet ſein.
Die franzöſiſche Revolution brachte der männlichen Welt
eine gewiſſe Gleichgültigkeit gegen die Farben, welcher ſchon
theilweiſe der vorhergehende Geſchmack entſprochen hatte. Unter
dem Ernſt des Lebens, unter den politiſchen und perſönlichen
Sorgen verſchwand die alte Luſt, die ſich in der Zopfzeit gegen-
über der ſpäter eintretenden Sentimentalität noch in ſtill behag-
lichem Daſein als beſcheidene Lebensfreude erhalten hatte. Tra-
ditionell ſteht der Großväter Jugendzeit noch vor unſrer kind-
lichen Erinnerung als die eines behaglichen, aber beſchränkten
Familienglückes. Ruhig im Backenlehnſtuhl ſitzend, ließ man
weit dahinten die Völker auf einander ſchlagen, ohne ſich zu alteri-
ren. Aber die Revolution brach wie ein Störenfried in dieſes
ſtille Glück; der Mann war aus dem gleichen, in ſich zurück-
kehrenden Gleiſe ſeines Daſeins geriſſen, hatte den Halt und
damit auch die Freude an dem Daſein verloren. Er legt die
ſchönen buntgeblümten Weſten und Röcke ab, ſtellt den Stock
mit dem vergoldeten Knopf in die unbeachtete Ecke, und trägt
nur eine Zeit lang noch, wie ein Hinſterben der alten Luſt, die
in gebrochenen Farben geſtreiften Gewänder. Namen wie cou-
leur boue de Paris, couleur soupirs étouffés, couleur de
larmes indiscrètes, couleur de nymphe émue geben ſchon für
ſich die veränderte Zeitrichtung zu erkennen. Die dunklen oder
die Mißfarben gewinnen die Oberhand, und als ein Hauptvor-
zug erſcheint, daß die Farbe nicht ſchmutzt. Dieſe Rützlichkeits-
frage aufzuwerfen, fiel früher niemand ein. So tragen die
Männer der Revolutionsperiode Braun und Bräunlich in ver-
ſchiedener Brechung, Bouteillen- und Olivengrün, Kaffeebraun,
Violett und was ſonſt hierher gehört, höchſtens daß eine hellere
Weſte und das ſchwefelgelbe oder nankinggelbe Beinkleid eine
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/340>, abgerufen am 27.07.2024.
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