einförmige Variation in das traurige Bild hineinbringen. Das heutige Männergeschlecht hat die Abneigung gegen die Farbe überkommen. Bei der höchsten Lust und dem tiefsten Ernst haben wir weiter nichts übrig behalten als die Negationen der Farbe, Schwarz und Weiß; und selbst im gewöhnlichen Leben, nament- lich in der Heiterkeit des Sommers, ist Grau mit allen seinen Nüancen die Lieblingsfarbe.
Die Frauen haben sich darin besser gestellt, und es ist als ein Glück zu betrachten, daß durch sie die moderne Staffage doch etwas Farbe gewinnt. In der Revolution freilich waren auch sie nahe daran, vollkommen in dieser Beziehung Schiffbruch zu leiden. Es trat der umgekehrte Gang ein wie in der männlichen Welt. Während diese ein immer ernsteres und trüberes Aus- sehen gewann, verblaßte die ohnehin schon nicht lebhafte Frauen- kleidung in ihrem Gesammtanblick mehr und mehr. Man glaubt den Kampf, das Widerstreben gegen dieses Absterben zu sehen, wenn die Damen zu ihrem Kleid von verblaßtem Rosa oder Vio- lett noch ein lebhafteres blaues oder rothes Band, z. B. das eine Zeit beliebte Nacarat, im Kopfputz oder an der Schulter anzubringen wissen. Umsonst, es tritt die Gräkomanie hervor, und mit ihr kommt Weiß zur fast alleinigen Herrschaft. Nur ganz bescheiden erscheinen daneben noch in der Gesellschaft blaß angehauchte farbige Stoffe. Die Reaction und Restauration, wie sie die griechische Nachahmung allmählig unkenntlich machen, so geben sie auch wieder Farbe der weiblichen Erscheinung. Es ist charakteristisch, in welcher Art dies geschieht. Zunächst näm- lich erhalten Farbe alle diejenigen Theile, mit welchen das Griechenthum nichts zu thun hat, Schuhe, Handschuhe, Hüte und Hauben. So waren z. B. vor dem Jahr 1810 Damen ganz in der weißen Tunica mit farbigen Schuhen und Hand- schuhen ballmäßig gekleidet. Man sah vielfach weißgekleidete Damen, welche z. B. rothe oder gelbe oder olivengrüne Schuhe trugen und dazu blaue, grüne, braune Handschuhe. Auch Hut und Federn duldeten Farbe. Dann sprang sie auf die Schärpe oder den Gürtel und den Besatz des Kleides über, und endlich
5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
einförmige Variation in das traurige Bild hineinbringen. Das heutige Männergeſchlecht hat die Abneigung gegen die Farbe überkommen. Bei der höchſten Luſt und dem tiefſten Ernſt haben wir weiter nichts übrig behalten als die Negationen der Farbe, Schwarz und Weiß; und ſelbſt im gewöhnlichen Leben, nament- lich in der Heiterkeit des Sommers, iſt Grau mit allen ſeinen Nüancen die Lieblingsfarbe.
Die Frauen haben ſich darin beſſer geſtellt, und es iſt als ein Glück zu betrachten, daß durch ſie die moderne Staffage doch etwas Farbe gewinnt. In der Revolution freilich waren auch ſie nahe daran, vollkommen in dieſer Beziehung Schiffbruch zu leiden. Es trat der umgekehrte Gang ein wie in der männlichen Welt. Während dieſe ein immer ernſteres und trüberes Aus- ſehen gewann, verblaßte die ohnehin ſchon nicht lebhafte Frauen- kleidung in ihrem Geſammtanblick mehr und mehr. Man glaubt den Kampf, das Widerſtreben gegen dieſes Abſterben zu ſehen, wenn die Damen zu ihrem Kleid von verblaßtem Roſa oder Vio- lett noch ein lebhafteres blaues oder rothes Band, z. B. das eine Zeit beliebte Nacarat, im Kopfputz oder an der Schulter anzubringen wiſſen. Umſonſt, es tritt die Gräkomanie hervor, und mit ihr kommt Weiß zur faſt alleinigen Herrſchaft. Nur ganz beſcheiden erſcheinen daneben noch in der Geſellſchaft blaß angehauchte farbige Stoffe. Die Reaction und Reſtauration, wie ſie die griechiſche Nachahmung allmählig unkenntlich machen, ſo geben ſie auch wieder Farbe der weiblichen Erſcheinung. Es iſt charakteriſtiſch, in welcher Art dies geſchieht. Zunächſt näm- lich erhalten Farbe alle diejenigen Theile, mit welchen das Griechenthum nichts zu thun hat, Schuhe, Handſchuhe, Hüte und Hauben. So waren z. B. vor dem Jahr 1810 Damen ganz in der weißen Tunica mit farbigen Schuhen und Hand- ſchuhen ballmäßig gekleidet. Man ſah vielfach weißgekleidete Damen, welche z. B. rothe oder gelbe oder olivengrüne Schuhe trugen und dazu blaue, grüne, braune Handſchuhe. Auch Hut und Federn duldeten Farbe. Dann ſprang ſie auf die Schärpe oder den Gürtel und den Beſatz des Kleides über, und endlich
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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
einförmige Variation in das traurige Bild hineinbringen. Das
heutige Männergeſchlecht hat die Abneigung gegen die Farbe
überkommen. Bei der höchſten Luſt und dem tiefſten Ernſt haben
wir weiter nichts übrig behalten als die Negationen der Farbe,
Schwarz und Weiß; und ſelbſt im gewöhnlichen Leben, nament-
lich in der Heiterkeit des Sommers, iſt Grau mit allen ſeinen
Nüancen die Lieblingsfarbe.
Die Frauen haben ſich darin beſſer geſtellt, und es iſt als
ein Glück zu betrachten, daß durch ſie die moderne Staffage doch
etwas Farbe gewinnt. In der Revolution freilich waren auch
ſie nahe daran, vollkommen in dieſer Beziehung Schiffbruch zu
leiden. Es trat der umgekehrte Gang ein wie in der männlichen
Welt. Während dieſe ein immer ernſteres und trüberes Aus-
ſehen gewann, verblaßte die ohnehin ſchon nicht lebhafte Frauen-
kleidung in ihrem Geſammtanblick mehr und mehr. Man glaubt
den Kampf, das Widerſtreben gegen dieſes Abſterben zu ſehen,
wenn die Damen zu ihrem Kleid von verblaßtem Roſa oder Vio-
lett noch ein lebhafteres blaues oder rothes Band, z. B. das
eine Zeit beliebte Nacarat, im Kopfputz oder an der Schulter
anzubringen wiſſen. Umſonſt, es tritt die Gräkomanie hervor,
und mit ihr kommt Weiß zur faſt alleinigen Herrſchaft. Nur
ganz beſcheiden erſcheinen daneben noch in der Geſellſchaft blaß
angehauchte farbige Stoffe. Die Reaction und Reſtauration,
wie ſie die griechiſche Nachahmung allmählig unkenntlich machen,
ſo geben ſie auch wieder Farbe der weiblichen Erſcheinung. Es
iſt charakteriſtiſch, in welcher Art dies geſchieht. Zunächſt näm-
lich erhalten Farbe alle diejenigen Theile, mit welchen das
Griechenthum nichts zu thun hat, Schuhe, Handſchuhe, Hüte
und Hauben. So waren z. B. vor dem Jahr 1810 Damen
ganz in der weißen Tunica mit farbigen Schuhen und Hand-
ſchuhen ballmäßig gekleidet. Man ſah vielfach weißgekleidete
Damen, welche z. B. rothe oder gelbe oder olivengrüne Schuhe
trugen und dazu blaue, grüne, braune Handſchuhe. Auch Hut
und Federn duldeten Farbe. Dann ſprang ſie auf die Schärpe
oder den Gürtel und den Beſatz des Kleides über, und endlich
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/341>, abgerufen am 27.07.2024.
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