Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. mit breitem und gesteiftem, scheibenförmigem Rande. Anderehatten die Krämpe -- und das wurde zur allgemeinen Sitte -- nach der beliebten Weise der Aufschlitzung in mehr oder weniger einzelne Lappen zerschnitten oder auch Einschnitte gemacht, sei es willkürlich oder in bestimmten Mustern, und diese mit buntfar- bigem Stoff durchzogen; wer diese Mode phantastisch übertrieb, zerschnitt und zerlappte auch den weichen Deckel des Baretts. Der junge Stutzer liebte lebhafte, helle Farben oder eine bunte Zusammensetzung verschiedenfarbiger Lappen; hochroth trug es gern der Ritter, dem Fürsten und dem Grafen war carmoisin vorbehalten. Allgemeine Sitte wurde es, kostbaren Schmuck an Gold, Perlen und Edelsteinen am Barett zu tragen oder in Ge- stalt von Portraitmedaillons, die damals in so außerordentlicher Menge wie von vorzüglichem Kunstwerth gemacht wurden, die theuren Erinnerungen von Angehörigen oder geliebten Personen. Am meisten übertrieb man den Federschmuck, den man schon aus dem funfzehnten Jahrhundert überkommen hatte. Anfangs scheint es nur eine kecke Hahnenfeder zu sein, die über dem Kopfe schwankt, dann ein breiter, mächtiger Busch von einfachen oder verschiedenfarbigen Federn, die endlich das ganze Barett umziehen und umlagern, daß sie rundum über den Rand her- unterschwanken. Straußfedern waren die kostbarsten und die beliebtesten, aber auch wohl die unächten häufiger als die ächten, sodaß es mehr der Vollständigkeit wegen geschehen sein mag, wenn die Reichsordnung von 1530 sie dem Bauer und dem Handwerksgesellen untersagt. Eine Luxusordnung, die für Nie- derösterreich im Jahr 1518 projectirt wurde, wollte allen Edel- leuten einen Federbusch verbieten, der mehr als zehn Gulden kostete. Schon früh liebte man es renommistischer Weise das Barett III. Die Neuzeit. mit breitem und geſteiftem, ſcheibenförmigem Rande. Anderehatten die Krämpe — und das wurde zur allgemeinen Sitte — nach der beliebten Weiſe der Aufſchlitzung in mehr oder weniger einzelne Lappen zerſchnitten oder auch Einſchnitte gemacht, ſei es willkürlich oder in beſtimmten Muſtern, und dieſe mit buntfar- bigem Stoff durchzogen; wer dieſe Mode phantaſtiſch übertrieb, zerſchnitt und zerlappte auch den weichen Deckel des Baretts. Der junge Stutzer liebte lebhafte, helle Farben oder eine bunte Zuſammenſetzung verſchiedenfarbiger Lappen; hochroth trug es gern der Ritter, dem Fürſten und dem Grafen war carmoiſin vorbehalten. Allgemeine Sitte wurde es, koſtbaren Schmuck an Gold, Perlen und Edelſteinen am Barett zu tragen oder in Ge- ſtalt von Portraitmedaillons, die damals in ſo außerordentlicher Menge wie von vorzüglichem Kunſtwerth gemacht wurden, die theuren Erinnerungen von Angehörigen oder geliebten Perſonen. Am meiſten übertrieb man den Federſchmuck, den man ſchon aus dem funfzehnten Jahrhundert überkommen hatte. Anfangs ſcheint es nur eine kecke Hahnenfeder zu ſein, die über dem Kopfe ſchwankt, dann ein breiter, mächtiger Buſch von einfachen oder verſchiedenfarbigen Federn, die endlich das ganze Barett umziehen und umlagern, daß ſie rundum über den Rand her- unterſchwanken. Straußfedern waren die koſtbarſten und die beliebteſten, aber auch wohl die unächten häufiger als die ächten, ſodaß es mehr der Vollſtändigkeit wegen geſchehen ſein mag, wenn die Reichsordnung von 1530 ſie dem Bauer und dem Handwerksgeſellen unterſagt. Eine Luxusordnung, die für Nie- deröſterreich im Jahr 1518 projectirt wurde, wollte allen Edel- leuten einen Federbuſch verbieten, der mehr als zehn Gulden koſtete. Schon früh liebte man es renommiſtiſcher Weiſe das Barett <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0038" n="26"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> mit breitem und geſteiftem, ſcheibenförmigem Rande. Andere<lb/> hatten die Krämpe — und das wurde zur allgemeinen Sitte —<lb/> nach der beliebten Weiſe der Aufſchlitzung in mehr oder weniger<lb/> einzelne Lappen zerſchnitten oder auch Einſchnitte gemacht, ſei es<lb/> willkürlich oder in beſtimmten Muſtern, und dieſe mit buntfar-<lb/> bigem Stoff durchzogen; wer dieſe Mode phantaſtiſch übertrieb,<lb/> zerſchnitt und zerlappte auch den weichen Deckel des Baretts.<lb/> Der junge Stutzer liebte lebhafte, helle Farben oder eine bunte<lb/> Zuſammenſetzung verſchiedenfarbiger Lappen; hochroth trug es<lb/> gern der Ritter, dem Fürſten und dem Grafen war carmoiſin<lb/> vorbehalten. Allgemeine Sitte wurde es, koſtbaren Schmuck an<lb/> Gold, Perlen und Edelſteinen am Barett zu tragen oder in Ge-<lb/> ſtalt von Portraitmedaillons, die damals in ſo außerordentlicher<lb/> Menge wie von vorzüglichem Kunſtwerth gemacht wurden, die<lb/> theuren Erinnerungen von Angehörigen oder geliebten Perſonen.<lb/> Am meiſten übertrieb man den Federſchmuck, den man ſchon aus<lb/> dem funfzehnten Jahrhundert überkommen hatte. Anfangs<lb/> ſcheint es nur eine kecke Hahnenfeder zu ſein, die über dem<lb/> Kopfe ſchwankt, dann ein breiter, mächtiger Buſch von einfachen<lb/> oder verſchiedenfarbigen Federn, die endlich das ganze Barett<lb/> umziehen und umlagern, daß ſie rundum über den Rand her-<lb/> unterſchwanken. Straußfedern waren die koſtbarſten und die<lb/> beliebteſten, aber auch wohl die unächten häufiger als die ächten,<lb/> ſodaß es mehr der Vollſtändigkeit wegen geſchehen ſein mag,<lb/> wenn die Reichsordnung von 1530 ſie dem Bauer und dem<lb/> Handwerksgeſellen unterſagt. Eine Luxusordnung, die für Nie-<lb/> deröſterreich im Jahr 1518 projectirt wurde, wollte allen Edel-<lb/> leuten einen Federbuſch verbieten, der mehr als zehn Gulden<lb/> koſtete.</p><lb/> <p>Schon früh liebte man es renommiſtiſcher Weiſe das Barett<lb/> ſchief auf die eine Seite des Kopfes zu ſetzen, doch war es mit<lb/> ſeinem flachen Deckel und breiten Rande ſchwer in dieſer Lage zu<lb/> halten, zumal da die Befeſtigung durch ein Kinnband nicht ſehr<lb/> Beifall gefunden zu haben ſcheint, denn wir ſehen ſie verhältniß-<lb/> mäßig ſelten. Es mußte alſo ein Mittel geſucht werden dieſem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0038]
III. Die Neuzeit.
mit breitem und geſteiftem, ſcheibenförmigem Rande. Andere
hatten die Krämpe — und das wurde zur allgemeinen Sitte —
nach der beliebten Weiſe der Aufſchlitzung in mehr oder weniger
einzelne Lappen zerſchnitten oder auch Einſchnitte gemacht, ſei es
willkürlich oder in beſtimmten Muſtern, und dieſe mit buntfar-
bigem Stoff durchzogen; wer dieſe Mode phantaſtiſch übertrieb,
zerſchnitt und zerlappte auch den weichen Deckel des Baretts.
Der junge Stutzer liebte lebhafte, helle Farben oder eine bunte
Zuſammenſetzung verſchiedenfarbiger Lappen; hochroth trug es
gern der Ritter, dem Fürſten und dem Grafen war carmoiſin
vorbehalten. Allgemeine Sitte wurde es, koſtbaren Schmuck an
Gold, Perlen und Edelſteinen am Barett zu tragen oder in Ge-
ſtalt von Portraitmedaillons, die damals in ſo außerordentlicher
Menge wie von vorzüglichem Kunſtwerth gemacht wurden, die
theuren Erinnerungen von Angehörigen oder geliebten Perſonen.
Am meiſten übertrieb man den Federſchmuck, den man ſchon aus
dem funfzehnten Jahrhundert überkommen hatte. Anfangs
ſcheint es nur eine kecke Hahnenfeder zu ſein, die über dem
Kopfe ſchwankt, dann ein breiter, mächtiger Buſch von einfachen
oder verſchiedenfarbigen Federn, die endlich das ganze Barett
umziehen und umlagern, daß ſie rundum über den Rand her-
unterſchwanken. Straußfedern waren die koſtbarſten und die
beliebteſten, aber auch wohl die unächten häufiger als die ächten,
ſodaß es mehr der Vollſtändigkeit wegen geſchehen ſein mag,
wenn die Reichsordnung von 1530 ſie dem Bauer und dem
Handwerksgeſellen unterſagt. Eine Luxusordnung, die für Nie-
deröſterreich im Jahr 1518 projectirt wurde, wollte allen Edel-
leuten einen Federbuſch verbieten, der mehr als zehn Gulden
koſtete.
Schon früh liebte man es renommiſtiſcher Weiſe das Barett
ſchief auf die eine Seite des Kopfes zu ſetzen, doch war es mit
ſeinem flachen Deckel und breiten Rande ſchwer in dieſer Lage zu
halten, zumal da die Befeſtigung durch ein Kinnband nicht ſehr
Beifall gefunden zu haben ſcheint, denn wir ſehen ſie verhältniß-
mäßig ſelten. Es mußte alſo ein Mittel geſucht werden dieſem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |