Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

er vor Freuden an zu schreyen: GOtt seye gelobet, daß ich das Wasser ein-
mal sehe, aus welchem der gute Rheinische Wein gebrauet wird
.

Jener Studiosus, als er Magister werden wolte, war so verstockt und
tumm, daß er die vier Elemente nicht zu nennen wuste. Denn ob er gleich
dreye nannte nemlich: Das Feuer, die Lufft und das Wasser, blieb er doch
bey dem vierten stecken. Ein gegenüberstehender Professor suchte ihm zu helf-
fen, und wiese mit dem Fuß auf die Erde. Allein der Candidatus Philosophiae
begreiffe es gleichwohl nicht, sondern fuhr heraus und sagte: Und der
Schuh
.

Jener Magister solte aus etlichen Versibus Virgilii Disticha machen, brach-
te sie aber völlig aus dem Virgilio abgeschrieben. Als er deswegen zur Rede
gestellet wurde, war seine Antwort, er könne sie doch nicht besser machen,
als sie an sich selber waren
.

Jener Pennal, als er in einer Kutsche das erstemahl auf Universitaeten
reiset, und es anfieng sehr zu regnen, steckte den Kopff heraus, und ruffete den
Kutscher zu: Kutscher Es regnet mir ins Maul. Der Kutscher gab ihm
zum Bescheid: Narr mache es zu.

Ein anderer Bachant ward einer gewissen Sache bezüchtiget, die er läug-
nete: Man wolte ihm nicht glauben, er betheure es dann mit einem Eyde, den
zu schwehren er sich weigerte, es seye dann, daß er zuvor etwas davor bekäme,
weil die Schrifft verbiete, vergebens zu schwehren.

Ein neuer Magister, als er bey dem Magister-Schmauß gewaltig gezechet
hatte, verlieffe sich, eilig, und bliebe bey einer Haus-Thüre liegen, das Gesichte
über sich kehrende, und das Maul weit aufsperrende. Weil es aber regnete,
lieff ihm die Trauffe von dem Dache in das offene Maul, weswegen er heff-
tig sprudelte und sprach: Ich mag, und kan, warlich! nicht mehr Be-
scheid thun, wann ihr mir es auch schon einschüttet
.

Ein junger Pennal, welcher noch die Windeln im Hintern hatte; wolte
gleich wohl schon löffeln, und seine Sache gar höflich vorbringen, wannenhero
er zu seinem Hertzen sprach: Ich möchte euch gerne kussen; aber meine Na-
se stösset allezeit auf die eurige, also daß ich nicht recht kan darzu kom-

men

er vor Freuden an zu ſchreyen: GOtt ſeye gelobet, daß ich das Waſſer ein-
mal ſehe, aus welchem der gute Rheiniſche Wein gebrauet wird
.

Jener Studioſus, als er Magiſter werden wolte, war ſo verſtockt und
tumm, daß er die vier Elemente nicht zu nennen wuſte. Denn ob er gleich
dreye nannte nemlich: Das Feuer, die Lufft und das Waſſer, blieb er doch
bey dem vierten ſtecken. Ein gegenuͤberſtehender Profeſſor ſuchte ihm zu helf-
fen, und wieſe mit dem Fuß auf die Erde. Allein der Candidatus Philoſophiæ
begreiffe es gleichwohl nicht, ſondern fuhr heraus und ſagte: Und der
Schuh
.

Jener Magiſter ſolte aus etlichen Verſibus Virgilii Diſticha machen, brach-
te ſie aber voͤllig aus dem Virgilio abgeſchrieben. Als er deswegen zur Rede
geſtellet wurde, war ſeine Antwort, er koͤnne ſie doch nicht beſſer machen,
als ſie an ſich ſelber wåren
.

Jener Pennal, als er in einer Kutſche das erſtemahl auf Univerſitæten
reiſet, und es anfieng ſehr zu regnen, ſteckte den Kopff heraus, und ruffete den
Kutſcher zu: Kutſcher Es regnet mir ins Maul. Der Kutſcher gab ihm
zum Beſcheid: Narr mache es zu.

Ein anderer Bachant ward einer gewiſſen Sache bezuͤchtiget, die er laͤug-
nete: Man wolte ihm nicht glauben, er betheure es dann mit einem Eyde, den
zu ſchwehren er ſich weigerte, es ſeye dann, daß er zuvor etwas davor bekaͤme,
weil die Schrifft verbiete, vergebens zu ſchwehren.

Ein neuer Magiſter, als er bey dem Magiſter-Schmauß gewaltig gezechet
hatte, verlieffe ſich, eilig, und bliebe bey einer Haus-Thuͤre liegen, das Geſichte
uͤber ſich kehrende, und das Maul weit aufſperrende. Weil es aber regnete,
lieff ihm die Trauffe von dem Dache in das offene Maul, weswegen er heff-
tig ſprudelte und ſprach: Ich mag, und kan, warlich! nicht mehr Be-
ſcheid thun, wann ihr mir es auch ſchon einſchuͤttet
.

Ein junger Pennal, welcher noch die Windeln im Hintern hatte; wolte
gleich wohl ſchon loͤffeln, und ſeine Sache gar hoͤflich vorbringen, wannenhero
er zu ſeinem Hertzen ſprach: Ich moͤchte euch gerne kůſſen; aber meine Na-
ſe ſtoͤſſet allezeit auf die eurige, alſo daß ich nicht recht kan darzu kom-

men
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="72"/>
er vor Freuden an zu &#x017F;chreyen: <hi rendition="#fr">GOtt &#x017F;eye gelobet, daß ich das Wa&#x017F;&#x017F;er ein-<lb/>
mal &#x017F;ehe, aus welchem der gute Rheini&#x017F;che Wein gebrauet wird</hi>.</p><lb/>
          <p>Jener <hi rendition="#aq">Studio&#x017F;us,</hi> als er <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter</hi> werden wolte, war &#x017F;o ver&#x017F;tockt und<lb/>
tumm, daß er die vier Elemente nicht zu nennen wu&#x017F;te. Denn ob er gleich<lb/>
dreye nannte nemlich: <hi rendition="#fr">Das Feuer, die Lufft und das Wa&#x017F;&#x017F;er</hi>, blieb er doch<lb/>
bey dem vierten &#x017F;tecken. Ein gegenu&#x0364;ber&#x017F;tehender <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;or</hi> &#x017F;uchte ihm zu helf-<lb/>
fen, und wie&#x017F;e mit dem Fuß auf die Erde. Allein der <hi rendition="#aq">Candidatus Philo&#x017F;ophiæ</hi><lb/>
begreiffe es gleichwohl nicht, &#x017F;ondern fuhr heraus und &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Und der<lb/>
Schuh</hi>.</p><lb/>
          <p>Jener <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter</hi> &#x017F;olte aus etlichen <hi rendition="#aq">Ver&#x017F;ibus Virgilii Di&#x017F;ticha</hi> machen, brach-<lb/>
te &#x017F;ie aber vo&#x0364;llig aus dem <hi rendition="#aq">Virgilio</hi> abge&#x017F;chrieben. Als er deswegen zur Rede<lb/>
ge&#x017F;tellet wurde, war &#x017F;eine Antwort, <hi rendition="#fr">er ko&#x0364;nne &#x017F;ie doch nicht be&#x017F;&#x017F;er machen,<lb/>
als &#x017F;ie an &#x017F;ich &#x017F;elber wåren</hi>.</p><lb/>
          <p>Jener <hi rendition="#aq">Pennal,</hi> als er in einer Kut&#x017F;che das er&#x017F;temahl auf <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;itæ</hi>ten<lb/>
rei&#x017F;et, und es anfieng &#x017F;ehr zu regnen, &#x017F;teckte den Kopff heraus, und ruffete den<lb/>
Kut&#x017F;cher zu: <hi rendition="#fr">Kut&#x017F;cher Es regnet mir ins Maul</hi>. Der Kut&#x017F;cher gab ihm<lb/>
zum Be&#x017F;cheid: <hi rendition="#fr">Narr mache es zu</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein anderer <hi rendition="#aq">Bachant</hi> ward einer gewi&#x017F;&#x017F;en Sache bezu&#x0364;chtiget, die er la&#x0364;ug-<lb/>
nete: Man wolte ihm nicht glauben, er betheure es dann mit einem Eyde, den<lb/>
zu &#x017F;chwehren er &#x017F;ich weigerte, es &#x017F;eye dann, daß er zuvor etwas davor beka&#x0364;me,<lb/><hi rendition="#fr">weil die Schrifft verbiete, vergebens zu &#x017F;chwehren</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein neuer <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter,</hi> als er bey dem <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter-</hi>Schmauß gewaltig gezechet<lb/>
hatte, verlieffe &#x017F;ich, eilig, und bliebe bey einer Haus-Thu&#x0364;re liegen, das Ge&#x017F;ichte<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich kehrende, und das Maul weit auf&#x017F;perrende. Weil es aber regnete,<lb/>
lieff ihm die Trauffe von dem Dache in das offene Maul, weswegen er heff-<lb/>
tig &#x017F;prudelte und &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Ich mag, und kan, warlich! nicht mehr Be-<lb/>
&#x017F;cheid thun, wann ihr mir es auch &#x017F;chon ein&#x017F;chu&#x0364;ttet</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein junger <hi rendition="#aq">Pennal,</hi> welcher noch die Windeln im Hintern hatte; wolte<lb/>
gleich wohl &#x017F;chon lo&#x0364;ffeln, und &#x017F;eine Sache gar ho&#x0364;flich vorbringen, wannenhero<lb/>
er zu &#x017F;einem Hertzen &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Ich mo&#x0364;chte euch gerne k&#x016F;&#x017F;&#x017F;en; aber meine Na-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et allezeit auf die eurige, al&#x017F;o daß ich nicht recht kan darzu kom-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">men</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0116] er vor Freuden an zu ſchreyen: GOtt ſeye gelobet, daß ich das Waſſer ein- mal ſehe, aus welchem der gute Rheiniſche Wein gebrauet wird. Jener Studioſus, als er Magiſter werden wolte, war ſo verſtockt und tumm, daß er die vier Elemente nicht zu nennen wuſte. Denn ob er gleich dreye nannte nemlich: Das Feuer, die Lufft und das Waſſer, blieb er doch bey dem vierten ſtecken. Ein gegenuͤberſtehender Profeſſor ſuchte ihm zu helf- fen, und wieſe mit dem Fuß auf die Erde. Allein der Candidatus Philoſophiæ begreiffe es gleichwohl nicht, ſondern fuhr heraus und ſagte: Und der Schuh. Jener Magiſter ſolte aus etlichen Verſibus Virgilii Diſticha machen, brach- te ſie aber voͤllig aus dem Virgilio abgeſchrieben. Als er deswegen zur Rede geſtellet wurde, war ſeine Antwort, er koͤnne ſie doch nicht beſſer machen, als ſie an ſich ſelber wåren. Jener Pennal, als er in einer Kutſche das erſtemahl auf Univerſitæten reiſet, und es anfieng ſehr zu regnen, ſteckte den Kopff heraus, und ruffete den Kutſcher zu: Kutſcher Es regnet mir ins Maul. Der Kutſcher gab ihm zum Beſcheid: Narr mache es zu. Ein anderer Bachant ward einer gewiſſen Sache bezuͤchtiget, die er laͤug- nete: Man wolte ihm nicht glauben, er betheure es dann mit einem Eyde, den zu ſchwehren er ſich weigerte, es ſeye dann, daß er zuvor etwas davor bekaͤme, weil die Schrifft verbiete, vergebens zu ſchwehren. Ein neuer Magiſter, als er bey dem Magiſter-Schmauß gewaltig gezechet hatte, verlieffe ſich, eilig, und bliebe bey einer Haus-Thuͤre liegen, das Geſichte uͤber ſich kehrende, und das Maul weit aufſperrende. Weil es aber regnete, lieff ihm die Trauffe von dem Dache in das offene Maul, weswegen er heff- tig ſprudelte und ſprach: Ich mag, und kan, warlich! nicht mehr Be- ſcheid thun, wann ihr mir es auch ſchon einſchuͤttet. Ein junger Pennal, welcher noch die Windeln im Hintern hatte; wolte gleich wohl ſchon loͤffeln, und ſeine Sache gar hoͤflich vorbringen, wannenhero er zu ſeinem Hertzen ſprach: Ich moͤchte euch gerne kůſſen; aber meine Na- ſe ſtoͤſſet allezeit auf die eurige, alſo daß ich nicht recht kan darzu kom- men

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/116
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/116>, abgerufen am 04.12.2024.