Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

der Nähe wohnenden Befreundten. Bey diesem sahe er auf einer offenen Gal-
lerie,
sein Portrait hangen. Weil es nun accurat zu einer rauhen Winters-
Zeit gewesen, verdrosse es ihn sehr und sagte: Wann ich wieder heim kom-
men werde, wird man mich nicht mehr kennen, also bin ich verwüstet
vom Schnee, Wind und Regen.

Als ein Stutzer heimlich von einer Gasterey hinweg schliche, stieß er sich
an eine Säule, und zwar so starck, daß er bey nahe gar zu Boden gefallen wä-
re. Er rief denen andern, und diese kamen alsobald herbey gelauffen. Zuletzt
als es heraus kam, daß die Säule und er selber an dem gantzen Possen Schuld
war, sprach er: Das lässet sie GOtt reden, daß es eine Säule ist. Ich
wolte ihr sonst den Kopff zerspalten haben.

Ein tummer Teuffel, welcher doch gleichwohl Doctor war, ritte mit ei-
nem andern über Feld. Als nun sein Reise-Geferte den guten Weg nachrit-
te, und auf einen Erbsen-Acker kam, fieng der Doctor an zu schreyen: Wol-
let ihr euch und euer Pferd verbrennen? Wisset das ich vor wenig
Wochen dieser Früchte gegessen, und sie so heiß befunden, daß sie mir mein
Maul verbrannten.

Ein Pedant, nachdem er eine starcke halbe Meile in Pantoffeln spatzieret
hatte, und man ihn weiter zu gehen vermögen wolte, sagte: Warrlich ich kan
nicht mehr, meine Pantoffeln seyn zu müde.

Da ein eingebildeter und stoltzer Student erzehlen hörte, daß der Schweiß
Alexandri Magni einen so guten Geruch von sich gegeben, rühmete er sich, und
sprach: Ich bin ihm gleich. Denn ich habe an mir gemercket, daß wann ich
meine Ohren fege mit der Federspitze, und sie von ungefehr in das Maul
stecke es wie Bisam schmecket. Ich habe auch,
sagte er ferner, diese Ei-
genschafft an mir, das wann ich mein Wasser abschlage, so riechet es wie
Mertz-Violen.
Als darüber eine ansehnliche Jungfrau lächelte, ward er
zornig, sahe sie an und sagte: Meynet nicht, daß ich schertze? Wann ihr es
nicht wollet glauben, so kommet und versucht es selber.

Als ein junger Student einen Philosophum von dem Tode reden hörete,
daß die Todten keine Pein und Quaal mehr hätten, fragte er, ob sie dann

auch

der Naͤhe wohnenden Befreundten. Bey dieſem ſahe er auf einer offenen Gal-
lerie,
ſein Portrait hangen. Weil es nun accurat zu einer rauhen Winters-
Zeit geweſen, verdroſſe es ihn ſehr und ſagte: Wann ich wieder heim kom-
men werde, wird man mich nicht mehr kennen, alſo bin ich verwuͤſtet
vom Schnee, Wind und Regen.

Als ein Stutzer heimlich von einer Gaſterey hinweg ſchliche, ſtieß er ſich
an eine Saͤule, und zwar ſo ſtarck, daß er bey nahe gar zu Boden gefallen waͤ-
re. Er rief denen andern, und dieſe kamen alſobald herbey gelauffen. Zuletzt
als es heraus kam, daß die Saͤule und er ſelber an dem gantzen Poſſen Schuld
war, ſprach er: Das laͤſſet ſie GOtt reden, daß es eine Saͤule iſt. Ich
wolte ihr ſonſt den Kopff zerſpalten haben.

Ein tummer Teuffel, welcher doch gleichwohl Doctor war, ritte mit ei-
nem andern uͤber Feld. Als nun ſein Reiſe-Geferte den guten Weg nachrit-
te, und auf einen Erbſen-Acker kam, fieng der Doctor an zu ſchreyen: Wol-
let ihr euch und euer Pferd verbrennen? Wiſſet das ich vor wenig
Wochen dieſer Fruͤchte gegeſſen, und ſie ſo heiß befunden, daß ſie mir mein
Maul verbrannten.

Ein Pedant, nachdem er eine ſtarcke halbe Meile in Pantoffeln ſpatzieret
hatte, und man ihn weiter zu gehen vermoͤgen wolte, ſagte: Warrlich ich kan
nicht mehr, meine Pantoffeln ſeyn zu muͤde.

Da ein eingebildeter und ſtoltzer Student erzehlen hoͤrte, daß der Schweiß
Alexandri Magni einen ſo guten Geruch von ſich gegeben, ruͤhmete er ſich, und
ſprach: Ich bin ihm gleich. Denn ich habe an mir gemercket, daß wann ich
meine Ohren fege mit der Federſpitze, und ſie von ungefehr in das Maul
ſtecke es wie Biſam ſchmecket. Ich habe auch,
ſagte er ferner, dieſe Ei-
genſchafft an mir, das wann ich mein Waſſer abſchlage, ſo riechet es wie
Mertz-Violen.
Als daruͤber eine anſehnliche Jungfrau laͤchelte, ward er
zornig, ſahe ſie an und ſagte: Meynet nicht, daß ich ſchertze? Wann ihr es
nicht wollet glauben, ſo kommet und verſucht es ſelber.

Als ein junger Student einen Philoſophum von dem Tode reden hoͤrete,
daß die Todten keine Pein und Quaal mehr haͤtten, fragte er, ob ſie dann

auch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="78"/>
der Na&#x0364;he wohnenden Befreundten. Bey die&#x017F;em &#x017F;ahe er auf einer offenen <hi rendition="#aq">Gal-<lb/>
lerie,</hi> &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Portrait</hi> hangen. Weil es nun <hi rendition="#aq">accurat</hi> zu einer rauhen Winters-<lb/>
Zeit gewe&#x017F;en, verdro&#x017F;&#x017F;e es ihn &#x017F;ehr und &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Wann ich wieder heim kom-<lb/>
men werde, wird man mich nicht mehr kennen, al&#x017F;o bin ich verwu&#x0364;&#x017F;tet<lb/>
vom Schnee, Wind und Regen.</hi></p><lb/>
          <p>Als ein Stutzer heimlich von einer Ga&#x017F;terey hinweg &#x017F;chliche, &#x017F;tieß er &#x017F;ich<lb/>
an eine Sa&#x0364;ule, und zwar &#x017F;o &#x017F;tarck, daß er bey nahe gar zu Boden gefallen wa&#x0364;-<lb/>
re. Er rief denen andern, und die&#x017F;e kamen al&#x017F;obald herbey gelauffen. Zuletzt<lb/>
als es heraus kam, daß die Sa&#x0364;ule und er &#x017F;elber an dem gantzen Po&#x017F;&#x017F;en Schuld<lb/>
war, &#x017F;prach er: <hi rendition="#fr">Das la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie GOtt reden, daß es eine Sa&#x0364;ule i&#x017F;t. Ich<lb/>
wolte ihr &#x017F;on&#x017F;t den Kopff zer&#x017F;palten haben.</hi></p><lb/>
          <p>Ein tummer Teuffel, welcher doch gleichwohl <hi rendition="#aq">Doctor</hi> war, ritte mit ei-<lb/>
nem andern u&#x0364;ber Feld. Als nun &#x017F;ein Rei&#x017F;e-Geferte den guten Weg nachrit-<lb/>
te, und auf einen Erb&#x017F;en-Acker kam, fieng der <hi rendition="#aq">Doctor</hi> an zu &#x017F;chreyen: <hi rendition="#fr">Wol-<lb/>
let ihr euch und euer Pferd verbrennen? Wi&#x017F;&#x017F;et das ich vor wenig<lb/>
Wochen die&#x017F;er Fru&#x0364;chte gege&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie &#x017F;o heiß befunden, daß &#x017F;ie mir mein<lb/>
Maul verbrannten.</hi></p><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#aq">Pedant,</hi> nachdem er eine &#x017F;tarcke halbe Meile in Pantoffeln &#x017F;patzieret<lb/>
hatte, und man ihn weiter zu gehen vermo&#x0364;gen wolte, &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Warrlich ich kan<lb/>
nicht mehr, meine Pantoffeln &#x017F;eyn zu mu&#x0364;de.</hi></p><lb/>
          <p>Da ein eingebildeter und &#x017F;toltzer Student erzehlen ho&#x0364;rte, daß der Schweiß<lb/><hi rendition="#aq">Alexandri Magni</hi> einen &#x017F;o guten Geruch von &#x017F;ich gegeben, ru&#x0364;hmete er &#x017F;ich, und<lb/>
&#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Ich bin ihm gleich. Denn ich habe an mir gemercket, daß wann ich<lb/>
meine Ohren fege mit der Feder&#x017F;pitze, und &#x017F;ie von ungefehr in das Maul<lb/>
&#x017F;tecke es wie Bi&#x017F;am &#x017F;chmecket. Ich habe auch,</hi> &#x017F;agte er ferner, <hi rendition="#fr">die&#x017F;e Ei-<lb/>
gen&#x017F;chafft an mir, das wann ich mein Wa&#x017F;&#x017F;er ab&#x017F;chlage, &#x017F;o riechet es wie<lb/>
Mertz-Violen.</hi> Als daru&#x0364;ber eine an&#x017F;ehnliche Jungfrau la&#x0364;chelte, ward er<lb/>
zornig, &#x017F;ahe &#x017F;ie an und &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Meynet nicht, daß ich &#x017F;chertze? Wann ihr es<lb/>
nicht wollet glauben, &#x017F;o kommet und ver&#x017F;ucht es &#x017F;elber.</hi></p><lb/>
          <p>Als ein junger Student einen <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophum</hi> von dem Tode reden ho&#x0364;rete,<lb/>
daß die Todten keine Pein und Quaal mehr ha&#x0364;tten, fragte er, <hi rendition="#fr">ob &#x017F;ie dann</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">auch</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0122] der Naͤhe wohnenden Befreundten. Bey dieſem ſahe er auf einer offenen Gal- lerie, ſein Portrait hangen. Weil es nun accurat zu einer rauhen Winters- Zeit geweſen, verdroſſe es ihn ſehr und ſagte: Wann ich wieder heim kom- men werde, wird man mich nicht mehr kennen, alſo bin ich verwuͤſtet vom Schnee, Wind und Regen. Als ein Stutzer heimlich von einer Gaſterey hinweg ſchliche, ſtieß er ſich an eine Saͤule, und zwar ſo ſtarck, daß er bey nahe gar zu Boden gefallen waͤ- re. Er rief denen andern, und dieſe kamen alſobald herbey gelauffen. Zuletzt als es heraus kam, daß die Saͤule und er ſelber an dem gantzen Poſſen Schuld war, ſprach er: Das laͤſſet ſie GOtt reden, daß es eine Saͤule iſt. Ich wolte ihr ſonſt den Kopff zerſpalten haben. Ein tummer Teuffel, welcher doch gleichwohl Doctor war, ritte mit ei- nem andern uͤber Feld. Als nun ſein Reiſe-Geferte den guten Weg nachrit- te, und auf einen Erbſen-Acker kam, fieng der Doctor an zu ſchreyen: Wol- let ihr euch und euer Pferd verbrennen? Wiſſet das ich vor wenig Wochen dieſer Fruͤchte gegeſſen, und ſie ſo heiß befunden, daß ſie mir mein Maul verbrannten. Ein Pedant, nachdem er eine ſtarcke halbe Meile in Pantoffeln ſpatzieret hatte, und man ihn weiter zu gehen vermoͤgen wolte, ſagte: Warrlich ich kan nicht mehr, meine Pantoffeln ſeyn zu muͤde. Da ein eingebildeter und ſtoltzer Student erzehlen hoͤrte, daß der Schweiß Alexandri Magni einen ſo guten Geruch von ſich gegeben, ruͤhmete er ſich, und ſprach: Ich bin ihm gleich. Denn ich habe an mir gemercket, daß wann ich meine Ohren fege mit der Federſpitze, und ſie von ungefehr in das Maul ſtecke es wie Biſam ſchmecket. Ich habe auch, ſagte er ferner, dieſe Ei- genſchafft an mir, das wann ich mein Waſſer abſchlage, ſo riechet es wie Mertz-Violen. Als daruͤber eine anſehnliche Jungfrau laͤchelte, ward er zornig, ſahe ſie an und ſagte: Meynet nicht, daß ich ſchertze? Wann ihr es nicht wollet glauben, ſo kommet und verſucht es ſelber. Als ein junger Student einen Philoſophum von dem Tode reden hoͤrete, daß die Todten keine Pein und Quaal mehr haͤtten, fragte er, ob ſie dann auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/122
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/122>, abgerufen am 04.12.2024.