Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Denn, wann schon alle Tücher aus Engeland und Holland bey-
sammen wären, würden sie doch nicht reichen einem Meer-Räu-
ber einen Mantel daraus zu machen, daß ihm nicht zum wenigsten
die Füsse allemal hervor gucketen.

Bald darauf kam ein sehr weiser Gelehrter in den Laden und begehrte etli-
che Ellen zu sehen. Als er nun eine fand, so ihm gefiel, und dieselbe eben be-
zahlen wolte, erinnerte ihn sein Diener, dieses Geld zu sparen, weil noch eine zu
Hause, die gar just und gut wäre. Diesem Diener gab sein Herr zur Ant-
wort: Die Elle, so ich daheim habe ist bloß und allein gut vor
mich selbst. Aber andere Leute zu messen habe ich befunden, daß
man fremde Ellen haben müsse. Denn als ich, in etlichen wichti-
gen Geschäfften, so mir zu Handen gestossen mit der Elle meines
aufrichtigen Gemüthes andere Leute messen wollen, habe ich mich
gewaltig betrogen gefunden.

Darauf kam hinein Laurentius Gambara ein vornehmer Poet aus der
Stadt Brescia gebürtig. Dieser, nachdem er einen überaus schönen Indiani-
schen Pappegay sehr wohl beschauet, auch sich hatte vermercken lassen, daß
ihm sein Geschwätze über die massen wohl gefiele, begehrte dessen Preiß zu wis-
sen. Man forderte dannenhero hundert und funfftzig Thaler dafür. Der
Poet, welcher ihn um ein viel geringeres hätte haben können, wann er seine Sa-
chen recht anzustellen gewust, gab zur Antwort, daß er des Preißes hal-
ber wohl zufrieden; es mangele ihm aber daran, daß er die gan-
tze Summa an baarem Gelde nicht gleich beysammen hätte, wol-
le derohalben sein Bette, darauf er schlieffe, die Tapezerey, und
andere
Mobilien, so in seiner Schlaff-Cammer befindlich, an statt
der übrigen Bezahlung, wie zwey Verständige solches schätzen
und angeben würden, dargeben.
Die in den Kauff-Hauß acceptirten
solches, und der Poet wolte sich mit dem Pappegay nach Hause verfügen. Der Zei-
tungs-Schreiber ärgerte sich sehr über das Beginnen des Poeten, und hielte ihn
vor einen Stockfisch. Jedoch ward er, durch seine Einfalt zum Mitleyden bewegt,
fragte ihn derowegen, was ihm wohl bewege, eines Lumpen-Vogels

hal-

Denn, wann ſchon alle Tuͤcher aus Engeland und Holland bey-
ſammen waͤren, wuͤrden ſie doch nicht reichen einem Meer-Raͤu-
ber einen Mantel daraus zu machen, daß ihm nicht zum wenigſten
die Fuͤſſe allemal hervor gucketen.

Bald darauf kam ein ſehr weiſer Gelehrter in den Laden und begehrte etli-
che Ellen zu ſehen. Als er nun eine fand, ſo ihm gefiel, und dieſelbe eben be-
zahlen wolte, erinnerte ihn ſein Diener, dieſes Geld zu ſparen, weil noch eine zu
Hauſe, die gar juſt und gut waͤre. Dieſem Diener gab ſein Herr zur Ant-
wort: Die Elle, ſo ich daheim habe iſt bloß und allein gut vor
mich ſelbſt. Aber andere Leute zu meſſen habe ich befunden, daß
man fremde Ellen haben muͤſſe. Denn als ich, in etlichen wichti-
gen Geſchaͤfften, ſo mir zu Handen geſtoſſen mit der Elle meines
aufrichtigen Gemuͤthes andere Leute meſſen wollen, habe ich mich
gewaltig betrogen gefunden.

Darauf kam hinein Laurentius Gambara ein vornehmer Poët aus der
Stadt Breſcia gebuͤrtig. Dieſer, nachdem er einen uͤberaus ſchoͤnen Indiani-
ſchen Pappegay ſehr wohl beſchauet, auch ſich hatte vermercken laſſen, daß
ihm ſein Geſchwaͤtze uͤber die maſſen wohl gefiele, begehrte deſſen Preiß zu wiſ-
ſen. Man forderte dannenhero hundert und funfftzig Thaler dafuͤr. Der
Poët, welcher ihn um ein viel geringeres haͤtte haben koͤnnen, wann er ſeine Sa-
chen recht anzuſtellen gewuſt, gab zur Antwort, daß er des Preißes hal-
ber wohl zufrieden; es mangele ihm aber daran, daß er die gan-
tze Summa an baarem Gelde nicht gleich beyſammen haͤtte, wol-
le derohalben ſein Bette, darauf er ſchlieffe, die Tapezerey, und
andere
Mobilien, ſo in ſeiner Schlaff-Cammer befindlich, an ſtatt
der uͤbrigen Bezahlung, wie zwey Verſtaͤndige ſolches ſchaͤtzen
und angeben wuͤrden, dargeben.
Die in den Kauff-Hauß acceptirten
ſolches, und der Poët wolte ſich mit dem Pappegay nach Hauſe verfuͤgen. Der Zei-
tungs-Schreiber aͤrgerte ſich ſehr uͤber das Beginnen des Poëten, und hielte ihn
vor einen Stockfiſch. Jedoch ward er, durch ſeine Einfalt zum Mitleyden bewegt,
fragte ihn derowegen, was ihm wohl bewege, eines Lumpen-Vogels

hal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0150" n="106"/> <hi rendition="#fr">Denn, wann &#x017F;chon alle Tu&#x0364;cher aus Engeland und Holland bey-<lb/>
&#x017F;ammen wa&#x0364;ren, wu&#x0364;rden &#x017F;ie doch nicht reichen einem Meer-Ra&#x0364;u-<lb/>
ber einen Mantel daraus zu machen, daß ihm nicht zum wenig&#x017F;ten<lb/>
die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e allemal hervor gucketen.</hi> </p><lb/>
          <p>Bald darauf kam ein &#x017F;ehr wei&#x017F;er Gelehrter in den Laden und begehrte etli-<lb/>
che Ellen zu &#x017F;ehen. Als er nun eine fand, &#x017F;o ihm gefiel, und die&#x017F;elbe eben be-<lb/>
zahlen wolte, erinnerte ihn &#x017F;ein Diener, die&#x017F;es Geld zu &#x017F;paren, weil noch eine zu<lb/>
Hau&#x017F;e, die gar <hi rendition="#aq">ju&#x017F;t</hi> und gut wa&#x0364;re. Die&#x017F;em Diener gab &#x017F;ein Herr zur Ant-<lb/>
wort: <hi rendition="#fr">Die Elle, &#x017F;o ich daheim habe i&#x017F;t bloß und allein gut vor<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t. Aber andere Leute zu me&#x017F;&#x017F;en habe ich befunden, daß<lb/>
man fremde Ellen haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Denn als ich, in etlichen wichti-<lb/>
gen Ge&#x017F;cha&#x0364;fften, &#x017F;o mir zu Handen ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en mit der Elle meines<lb/>
aufrichtigen Gemu&#x0364;thes andere Leute me&#x017F;&#x017F;en wollen, habe ich mich<lb/>
gewaltig betrogen gefunden.</hi></p><lb/>
          <p>Darauf kam hinein <hi rendition="#aq">Laurentius Gambara</hi> ein vornehmer <hi rendition="#aq">Poët</hi> aus der<lb/>
Stadt <hi rendition="#aq">Bre&#x017F;cia</hi> gebu&#x0364;rtig. Die&#x017F;er, nachdem er einen u&#x0364;beraus &#x017F;cho&#x0364;nen Indiani-<lb/>
&#x017F;chen Pappegay &#x017F;ehr wohl be&#x017F;chauet, auch &#x017F;ich hatte vermercken la&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
ihm &#x017F;ein Ge&#x017F;chwa&#x0364;tze u&#x0364;ber die ma&#x017F;&#x017F;en wohl gefiele, begehrte de&#x017F;&#x017F;en Preiß zu wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Man forderte dannenhero hundert und funfftzig Thaler dafu&#x0364;r. Der<lb/><hi rendition="#aq">Poët,</hi> welcher ihn um ein viel geringeres ha&#x0364;tte haben ko&#x0364;nnen, wann er &#x017F;eine Sa-<lb/>
chen recht anzu&#x017F;tellen gewu&#x017F;t, gab zur Antwort, <hi rendition="#fr">daß er des Preißes hal-<lb/>
ber wohl zufrieden; es mangele ihm aber daran, daß er die gan-<lb/>
tze Summa an baarem Gelde nicht gleich bey&#x017F;ammen ha&#x0364;tte, wol-<lb/>
le derohalben &#x017F;ein Bette, darauf er &#x017F;chlieffe, die Tapezerey, und<lb/>
andere</hi> <hi rendition="#aq">Mobili</hi><hi rendition="#fr">en, &#x017F;o in &#x017F;einer Schlaff-Cammer befindlich, an &#x017F;tatt<lb/>
der u&#x0364;brigen Bezahlung, wie zwey Ver&#x017F;ta&#x0364;ndige &#x017F;olches &#x017F;cha&#x0364;tzen<lb/>
und angeben wu&#x0364;rden, dargeben.</hi> Die in den Kauff-Hauß <hi rendition="#aq">acceptir</hi>ten<lb/>
&#x017F;olches, und der <hi rendition="#aq">Poët</hi> wolte &#x017F;ich mit dem Pappegay nach Hau&#x017F;e verfu&#x0364;gen. Der Zei-<lb/>
tungs-Schreiber a&#x0364;rgerte &#x017F;ich &#x017F;ehr u&#x0364;ber das Beginnen des <hi rendition="#aq">Poë</hi>ten, und hielte ihn<lb/>
vor einen Stockfi&#x017F;ch. Jedoch ward er, durch &#x017F;eine Einfalt zum Mitleyden bewegt,<lb/>
fragte ihn derowegen, <hi rendition="#fr">was ihm wohl bewege, eines Lumpen-Vogels</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">hal-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0150] Denn, wann ſchon alle Tuͤcher aus Engeland und Holland bey- ſammen waͤren, wuͤrden ſie doch nicht reichen einem Meer-Raͤu- ber einen Mantel daraus zu machen, daß ihm nicht zum wenigſten die Fuͤſſe allemal hervor gucketen. Bald darauf kam ein ſehr weiſer Gelehrter in den Laden und begehrte etli- che Ellen zu ſehen. Als er nun eine fand, ſo ihm gefiel, und dieſelbe eben be- zahlen wolte, erinnerte ihn ſein Diener, dieſes Geld zu ſparen, weil noch eine zu Hauſe, die gar juſt und gut waͤre. Dieſem Diener gab ſein Herr zur Ant- wort: Die Elle, ſo ich daheim habe iſt bloß und allein gut vor mich ſelbſt. Aber andere Leute zu meſſen habe ich befunden, daß man fremde Ellen haben muͤſſe. Denn als ich, in etlichen wichti- gen Geſchaͤfften, ſo mir zu Handen geſtoſſen mit der Elle meines aufrichtigen Gemuͤthes andere Leute meſſen wollen, habe ich mich gewaltig betrogen gefunden. Darauf kam hinein Laurentius Gambara ein vornehmer Poët aus der Stadt Breſcia gebuͤrtig. Dieſer, nachdem er einen uͤberaus ſchoͤnen Indiani- ſchen Pappegay ſehr wohl beſchauet, auch ſich hatte vermercken laſſen, daß ihm ſein Geſchwaͤtze uͤber die maſſen wohl gefiele, begehrte deſſen Preiß zu wiſ- ſen. Man forderte dannenhero hundert und funfftzig Thaler dafuͤr. Der Poët, welcher ihn um ein viel geringeres haͤtte haben koͤnnen, wann er ſeine Sa- chen recht anzuſtellen gewuſt, gab zur Antwort, daß er des Preißes hal- ber wohl zufrieden; es mangele ihm aber daran, daß er die gan- tze Summa an baarem Gelde nicht gleich beyſammen haͤtte, wol- le derohalben ſein Bette, darauf er ſchlieffe, die Tapezerey, und andere Mobilien, ſo in ſeiner Schlaff-Cammer befindlich, an ſtatt der uͤbrigen Bezahlung, wie zwey Verſtaͤndige ſolches ſchaͤtzen und angeben wuͤrden, dargeben. Die in den Kauff-Hauß acceptirten ſolches, und der Poët wolte ſich mit dem Pappegay nach Hauſe verfuͤgen. Der Zei- tungs-Schreiber aͤrgerte ſich ſehr uͤber das Beginnen des Poëten, und hielte ihn vor einen Stockfiſch. Jedoch ward er, durch ſeine Einfalt zum Mitleyden bewegt, fragte ihn derowegen, was ihm wohl bewege, eines Lumpen-Vogels hal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/150
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/150>, abgerufen am 04.12.2024.