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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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hängniß her, und eine jedwede Universitaet solte in dessen zu frieden seyn,
wann sich nur allemal einige rechtschaffene kluge, und weise Gelehrte
bey derselben befänden. Die Narren wären eben so schwer auszurotten
wie das Unkraut aus einem Acker, der mit Weitzen besäet ist.

Nachfolgende Relation mögen die unartigen und falschen
Herren Philosophi zu Hertzen nehmen.

DIeser Tage wurden die sämtlichen Gelehrten in dem Parnasso sehr bestürtzt,
als sie vernommen, daß bey nächtlicher Weile Annaeus Seneca in Verhafft
allhier genommen worden, welcher der Vornehmste unter denen Philosophis
Moralibus,
und bey Se. Parnassischen Majestät bißhero sehr beliebt gewesen.
Man führte derohalben vielerley Discurse über dessen Ursache. Etliche muth-
masseten, es wäre darum geschehen, weil ihm Apollo auferlegt hätte vor der
gantzen Welt darzuthun, durch was vor Philosophische Räncke er in so kurtzer
Zeit die er bey dem Nerone gewesen den überschwenglichen Reichthum von sie-
ben und einer halben Million Goldes erworben und zu wege gebracht, weil er
damit der Armuth und der Mäßigkeit, deren er sich in seinen Schrifften so viel-
fältig rühmet, einen grossen Schand-Flecken angehangen, als woran sich die
Menschen um so viel destomehr ärgerten, da aus der Historie bekannt, daß er
derer rechten Gesellen einer gewesen seye, so bey denen reichen und wohlhaben-
den Leuten die Testamenta durch allerhand Räncke habe wissen heraus zu pres-
sen. Andere gaben vor, es wäre der Ehebruch, den er mit der Agrippina be-
gangen, davon man murmelte, die Ursache dieser Verhafftung. Viele glaub-
ten es solte die Pisonianische Conspiration wider Neronem von neuem vorge-
nommen und untersuchet werden, deren sich, wie man glaubhafftig berichtet hat-
te, Seneca nicht allein theilhafftig gemachet, sondern sich auch von dem leidigen
Ehr-Geitz so weit einnehmen lassen, daß er, nach verrichteter Mordthat selber
Kayser zu werden verhoffet habe. Andere sprengeten vor gewiß aus, wie Apollo
sehr gegen diesen Philosophum erbittert wäre, weil der Kayser Nero selbst solte
bekandt haben, daß Seneca nicht allein um die erschreckliche Mordthat, so er an
seiner Mutter begangen, gute Wissenschafft gehabt, sondern er habe auch
ihn Neronem darzu persuadiret und instigiret, nicht zwar aus Liebe zu seinem
Herrn, sondern ihm Anlaß zu einem solchem Bubenstück zu geben, in der Hoff-
nung, daß er sich dadurch in das äusserste Verderben stürtzen würde, und dieses

seye
P

haͤngniß her, und eine jedwede Univerſitæt ſolte in deſſen zu frieden ſeyn,
wann ſich nur allemal einige rechtſchaffene kluge, und weiſe Gelehrte
bey derſelben befaͤnden. Die Narren waͤren eben ſo ſchwer auszurotten
wie das Unkraut aus einem Acker, der mit Weitzen beſaͤet iſt.

Nachfolgende Relation moͤgen die unartigen und falſchen
Herren Philoſophi zu Hertzen nehmen.

DIeſer Tage wurden die ſaͤmtlichen Gelehrten in dem Parnaſſo ſehr beſtuͤrtzt,
als ſie vernommen, daß bey naͤchtlicher Weile Annæus Seneca in Verhafft
allhier genommen worden, welcher der Vornehmſte unter denen Philoſophis
Moralibus,
und bey Se. Parnaſſiſchen Majeſtaͤt bißhero ſehr beliebt geweſen.
Man fuͤhrte derohalben vielerley Diſcurſe uͤber deſſen Urſache. Etliche muth-
maſſeten, es waͤre darum geſchehen, weil ihm Apollo auferlegt haͤtte vor der
gantzen Welt darzuthun, durch was vor Philoſophiſche Raͤncke er in ſo kurtzer
Zeit die er bey dem Nerone geweſen den uͤberſchwenglichen Reichthum von ſie-
ben und einer halben Million Goldes erworben und zu wege gebracht, weil er
damit der Armuth und der Maͤßigkeit, deren er ſich in ſeinen Schrifften ſo viel-
faͤltig ruͤhmet, einen groſſen Schand-Flecken angehangen, als woran ſich die
Menſchen um ſo viel deſtomehr aͤrgerten, da aus der Hiſtorie bekannt, daß er
derer rechten Geſellen einer geweſen ſeye, ſo bey denen reichen und wohlhaben-
den Leuten die Teſtamenta durch allerhand Raͤncke habe wiſſen heraus zu preſ-
ſen. Andere gaben vor, es waͤre der Ehebruch, den er mit der Agrippina be-
gangen, davon man murmelte, die Urſache dieſer Verhafftung. Viele glaub-
ten es ſolte die Piſonianiſche Conſpiration wider Neronem von neuem vorge-
nommen und unterſuchet werden, deren ſich, wie man glaubhafftig berichtet hat-
te, Seneca nicht allein theilhafftig gemachet, ſondern ſich auch von dem leidigen
Ehr-Geitz ſo weit einnehmen laſſen, daß er, nach verrichteter Mordthat ſelber
Kayſer zu werden verhoffet habe. Andere ſprengeten vor gewiß aus, wie Apollo
ſehr gegen dieſen Philoſophum erbittert waͤre, weil der Kayſer Nero ſelbſt ſolte
bekandt haben, daß Seneca nicht allein um die erſchreckliche Mordthat, ſo er an
ſeiner Mutter begangen, gute Wiſſenſchafft gehabt, ſondern er habe auch
ihn Neronem darzu perſuadiret und inſtigiret, nicht zwar aus Liebe zu ſeinem
Herrn, ſondern ihm Anlaß zu einem ſolchem Bubenſtuͤck zu geben, in der Hoff-
nung, daß er ſich dadurch in das aͤuſſerſte Verderben ſtuͤrtzen wuͤrde, und dieſes

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[113/0157] haͤngniß her, und eine jedwede Univerſitæt ſolte in deſſen zu frieden ſeyn, wann ſich nur allemal einige rechtſchaffene kluge, und weiſe Gelehrte bey derſelben befaͤnden. Die Narren waͤren eben ſo ſchwer auszurotten wie das Unkraut aus einem Acker, der mit Weitzen beſaͤet iſt. Nachfolgende Relation moͤgen die unartigen und falſchen Herren Philoſophi zu Hertzen nehmen. DIeſer Tage wurden die ſaͤmtlichen Gelehrten in dem Parnaſſo ſehr beſtuͤrtzt, als ſie vernommen, daß bey naͤchtlicher Weile Annæus Seneca in Verhafft allhier genommen worden, welcher der Vornehmſte unter denen Philoſophis Moralibus, und bey Se. Parnaſſiſchen Majeſtaͤt bißhero ſehr beliebt geweſen. Man fuͤhrte derohalben vielerley Diſcurſe uͤber deſſen Urſache. Etliche muth- maſſeten, es waͤre darum geſchehen, weil ihm Apollo auferlegt haͤtte vor der gantzen Welt darzuthun, durch was vor Philoſophiſche Raͤncke er in ſo kurtzer Zeit die er bey dem Nerone geweſen den uͤberſchwenglichen Reichthum von ſie- ben und einer halben Million Goldes erworben und zu wege gebracht, weil er damit der Armuth und der Maͤßigkeit, deren er ſich in ſeinen Schrifften ſo viel- faͤltig ruͤhmet, einen groſſen Schand-Flecken angehangen, als woran ſich die Menſchen um ſo viel deſtomehr aͤrgerten, da aus der Hiſtorie bekannt, daß er derer rechten Geſellen einer geweſen ſeye, ſo bey denen reichen und wohlhaben- den Leuten die Teſtamenta durch allerhand Raͤncke habe wiſſen heraus zu preſ- ſen. Andere gaben vor, es waͤre der Ehebruch, den er mit der Agrippina be- gangen, davon man murmelte, die Urſache dieſer Verhafftung. Viele glaub- ten es ſolte die Piſonianiſche Conſpiration wider Neronem von neuem vorge- nommen und unterſuchet werden, deren ſich, wie man glaubhafftig berichtet hat- te, Seneca nicht allein theilhafftig gemachet, ſondern ſich auch von dem leidigen Ehr-Geitz ſo weit einnehmen laſſen, daß er, nach verrichteter Mordthat ſelber Kayſer zu werden verhoffet habe. Andere ſprengeten vor gewiß aus, wie Apollo ſehr gegen dieſen Philoſophum erbittert waͤre, weil der Kayſer Nero ſelbſt ſolte bekandt haben, daß Seneca nicht allein um die erſchreckliche Mordthat, ſo er an ſeiner Mutter begangen, gute Wiſſenſchafft gehabt, ſondern er habe auch ihn Neronem darzu perſuadiret und inſtigiret, nicht zwar aus Liebe zu ſeinem Herrn, ſondern ihm Anlaß zu einem ſolchem Bubenſtuͤck zu geben, in der Hoff- nung, daß er ſich dadurch in das aͤuſſerſte Verderben ſtuͤrtzen wuͤrde, und dieſes ſeye P

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/157>, abgerufen am 21.11.2024.