sich selbiger viel besser in seinem eigenen Lande würde wissen zu ge- brauchen und zu Nutzen zu machen. Und ob er wohl allhier, in ihrer Gegenwartex tempore,ihnen einen ausführlichenDiscurs zu halten getrauete, was ein Fürst in dergleichen Wahl-Reichen zu beobachten und zu bedencken habe; so wolte er doch zum Beweiß- thum, daß er mit Wahrheit von denen bestenPoliticisvor einen Meister in dieser Kunst gehalten würde, solches mit wenig Wor- ten bemercken, wie er sich in seinem Regiment gegen sie zu erzeigen gedächte, nemlich, daß er dem verstorbenen Fürsten in allenActio- nibus,daran die Unterthanen Lust und Gefallen getragen, fleißig nachfolgen, von denen aber, so ihnen zuwider gewesen, sich aller- äusserst vorsehen und hüten wolle. Und dieses, sagte er, ist der rechte Kern der wahrenPolitic,und dieQuintessencevon mirdistil- liret, und in meinem eigenen Gehirn gesponnen. Er wolle ihnen aber dieses hohe Geheimniß in dem höchsten Vertrauencommunici- ret haben. Denn, wann es überall solte aus gebreitet und offen- bar werden, so würden endlich auch die Cram- und Becker-Buben lernen, wie man die Königreiche und Fürstenthümeradministriren solte. Diese, des Taciti Rede gefiele denen Herren Abgesandten über die massen wohl, gaben auch zu verstehen, es dörffte die Wahl auf ihn fallen. Jedoch erinnerten sie ihm darneben, wann sie ihn nun vor ihren Für- sten erwählet hatten, würde von nöthen seyn, in seinen Reden ge- wöhnlichere und gemeineremodos loquendizu gebrauchen, damit die Völcker inLesboihn besser verstehen könten weil sie nicht al- le, wie die Leute in demParnasso,studiret hätten. Hierauf antwor- tete Tacitus,daß ein Mann seines gleichen, als welcher sich befliesse mehr Sprüche als Wörter aus seinem Munde gehen, und aus seiner Feder fliessen zu lassen, sich nothwendiger Weise dunckler Reden gebrauchen müsse, weil die sinnreichen Sprüche, undPrae- cepta Politicagantz keineManier hätten, wann sie in gemeinem Küchen-Latein vorgebracht würden. So habe er auch diese Art zu reden vor andern erwehlet, damit diePolitic,als welche gros-
sen
ſich ſelbiger viel beſſer in ſeinem eigenen Lande wuͤrde wiſſen zu ge- brauchen und zu Nutzen zu machen. Und ob er wohl allhier, in ihrer Gegenwartex tempore,ihnen einen ausfuͤhrlichenDiſcurs zu halten getrauete, was ein Fuͤrſt in dergleichen Wahl-Reichen zu beobachten und zu bedencken habe; ſo wolte er doch zum Beweiß- thum, daß er mit Wahrheit von denen beſtenPoliticisvor einen Meiſter in dieſer Kunſt gehalten wuͤrde, ſolches mit wenig Wor- ten bemercken, wie er ſich in ſeinem Regiment gegen ſie zu erzeigen gedaͤchte, nemlich, daß er dem verſtorbenen Fuͤrſten in allenActio- nibus,daran die Unterthanen Luſt und Gefallen getragen, fleißig nachfolgen, von denen aber, ſo ihnen zuwider geweſen, ſich aller- aͤuſſerſt vorſehen und huͤten wolle. Und dieſes, ſagte er, iſt der rechte Kern der wahrenPolitic,und dieQuinteſſencevon mirdiſtil- liret, und in meinem eigenen Gehirn geſponnen. Er wolle ihnen aber dieſes hohe Geheimniß in dem hoͤchſten Vertrauencommunici- ret haben. Denn, wann es uͤberall ſolte aus gebreitet und offen- bar werden, ſo wuͤrden endlich auch die Cram- und Becker-Buben lernen, wie man die Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthuͤmeradminiſtriren ſolte. Dieſe, des Taciti Rede gefiele denen Herren Abgeſandten uͤber die maſſen wohl, gaben auch zu verſtehen, es doͤrffte die Wahl auf ihn fallen. Jedoch erinnerten ſie ihm darneben, wann ſie ihn nun vor ihren Fuͤr- ſten erwaͤhlet hatten, wuͤrde von noͤthen ſeyn, in ſeinen Reden ge- woͤhnlichere und gemeineremodos loquendizu gebrauchen, damit die Voͤlcker inLesboihn beſſer verſtehen koͤnten weil ſie nicht al- le, wie die Leute in demParnaſſo,ſtudiret haͤtten. Hierauf antwor- tete Tacitus,daß ein Mann ſeines gleichen, als welcher ſich beflieſſe mehr Spruͤche als Woͤrter aus ſeinem Munde gehen, und aus ſeiner Feder flieſſen zu laſſen, ſich nothwendiger Weiſe dunckler Reden gebrauchen muͤſſe, weil die ſinnreichen Spruͤche, undPræ- cepta Politicagantz keineManier haͤtten, wann ſie in gemeinem Kuͤchen-Latein vorgebracht wuͤrden. So habe er auch dieſe Art zu reden vor andern erwehlet, damit diePolitic,als welche groſ-
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beobachten und zu bedencken habe; ſo wolte er doch zum Beweiß-
thum, daß er mit Wahrheit von denen beſten Politicis vor einen
Meiſter in dieſer Kunſt gehalten wuͤrde, ſolches mit wenig Wor-
ten bemercken, wie er ſich in ſeinem Regiment gegen ſie zu erzeigen
gedaͤchte, nemlich, daß er dem verſtorbenen Fuͤrſten in allen Actio-
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aͤuſſerſt vorſehen und huͤten wolle. Und dieſes, ſagte er, iſt der
rechte Kern der wahren Politic, und die Quinteſſence von mir diſtil-
liret, und in meinem eigenen Gehirn geſponnen. Er wolle ihnen
aber dieſes hohe Geheimniß in dem hoͤchſten Vertrauen communici-
ret haben. Denn, wann es uͤberall ſolte aus gebreitet und offen-
bar werden, ſo wuͤrden endlich auch die Cram- und Becker-Buben
lernen, wie man die Koͤnigreiche und Fuͤrſtenthuͤmer adminiſtriren
ſolte. Dieſe, des Taciti Rede gefiele denen Herren Abgeſandten uͤber die
maſſen wohl, gaben auch zu verſtehen, es doͤrffte die Wahl auf ihn fallen.
Jedoch erinnerten ſie ihm darneben, wann ſie ihn nun vor ihren Fuͤr-
ſten erwaͤhlet hatten, wuͤrde von noͤthen ſeyn, in ſeinen Reden ge-
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die Voͤlcker in Lesbo ihn beſſer verſtehen koͤnten weil ſie nicht al-
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tete Tacitus, daß ein Mann ſeines gleichen, als welcher ſich beflieſſe
mehr Spruͤche als Woͤrter aus ſeinem Munde gehen, und aus
ſeiner Feder flieſſen zu laſſen, ſich nothwendiger Weiſe dunckler
Reden gebrauchen muͤſſe, weil die ſinnreichen Spruͤche, und Præ-
cepta Politica gantz keine Manier haͤtten, wann ſie in gemeinem
Kuͤchen-Latein vorgebracht wuͤrden. So habe er auch dieſe Art
zu reden vor andern erwehlet, damit die Politic, als welche groſ-
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/174>, abgerufen am 18.07.2024.
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