Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.Diejenigen Poeten, so sich auf den vor sie eingeführten Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, mögen die jetzt-kom- mende Relation in reiffe Uberle- gung ziehen. ES wurde gestriges Tages das hohe Fest, dem berühmten Lorbeer-Baum wie- T 3
Diejenigen Poëten, ſo ſich auf den vor ſie eingefuͤhrten Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, moͤgen die jetzt-kom- mende Relation in reiffe Uberle- gung ziehen. ES wurde geſtriges Tages das hohe Feſt, dem beruͤhmten Lorbeer-Baum wie- T 3
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Diejenigen Poëten, ſo ſich auf den vor ſie eingefuͤhrten
Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, moͤgen die jetzt-kom-
mende Relation in reiffe Uberle-
gung ziehen.
ES wurde geſtriges Tages das hohe Feſt, dem beruͤhmten Lorbeer-Baum
zu Ehren, von denen ſaͤmtlichen Gelehrten in dem Parnaſſo hochfeyerlich
begangen, welches Feſt an dem Tage, da ſich der denckwuͤrdige Fall mit der
Daphne zugetragen, angeordnet worden, damit Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt,
ſo biß dato, wegen dieſer traurigen und betruͤbten Verwandelung ſehr be-
kuͤmmert geweſen, Ihr Gemuͤthe in etwas wieder ergoͤtzen moͤchten. An die-
ſem hohen Feſt iſt niemand als denen Poëten, denen Kayſern und andern Hel-
den erlaubet, mit Lorbeer-Craͤntzen gecroͤnet, in das Collegium derer Gelehr-
ten einzutreten. Denenjenigen aber, ſo dieſe Ehre und Prærogativ nicht ha-
ben, iſt anbefohlen worden, damit ſie dieſes Feſt mit ihren bloſſen Haͤuptern
nicht verunehreten, ſich unterdeſſen zu Hauſe zu halten. Franciſcus Petrarcha,
welchem von Alters her dieſes Amt vom Apolline aufgetragen iſt, hielte eine
ſehr ſchoͤne Oration, dem Lorbeer-Baum zu Ehren. Da er aber perorirte,
begegnete ihm ein denckwuͤrdiger Zufall. Er ſtriche erſtlich gedachten Baum
auf das allerbeſte heraus, ſo gar daß er auch vom Donner nnd Blitz verſcho-
net und nicht beruͤhret wuͤrde, ja daß er allein das Privilegium und die Gnade
habe derer Poëten, derer Kaͤyſer und anderer tapfferer Helden Haͤupter zu
croͤnen und zu zieren, und mit hoͤchſten Eyffer ſich wieder die Vermeſſenheit
der heutigen ungluͤckſeligen Welt heraus lieſſe, und ſelbige auf das aller un-
barmhertzigſte durchhechelte, wie nemlich die freyen Kuͤnſte ſo gar in Verach-
tung kommen waͤren, daß auch dieſer herrliche Baum, ſo in vorigen Zeiten
ſo hoch gehalten worden, nunmehro ſo verachtet waͤre, daß auch die Wirthe und
Weinſchencken, zum Zeichen ihrer Wirthſchafft ſich ſeiner gebrauchten, ja man
ſchaͤme ſich ſo gar nicht, denſelben zu allerhand Speiſen zu nehmen, und be-
diene ſich ſeiner Blaͤtter zu denen gebratenen Aalen, Lebern und andern Le-
cker-Bißlein. Solche nahmhaffte Mißbraͤuche und ſchaͤndliche Gewohnhei-
ten nun erzehlte Petrarcha mit ſolcher Vehementz und Eyffer, daß er daruͤber
in eine Ohnmacht geriethe, und gantz Krafftloß darnieder fiele, alſo daß er
nicht vermochte ſeine Oration zu Ende zu bringen. Er kunte auch nicht ehe
wie-
T 3
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Zitationshilfe: | Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/193>, abgerufen am 16.02.2025. |