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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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widersetzen, welches dem armseligen und betrübten Menalcas Ursache
zur endlichen Verzweiffelung gab. In solcher Verzweiffelung erho-
let er sich Raths bey dem allerschädlichsten
Politico, einem Florentiner
von Geburt, und stellete ihm auch Glauben zu. Dieser sagte ihm, wie
daß kein besser Mittel wäre, diese fremde Schaafe unter seinen Gehor-
sam zu bringen, dessen sich auch die verständigsten und klügsten Hirten je-
derzeit bedienet hätten, als die Schafe lassen recht Mager werden.
Dieses Mittel aber, sobald es in das Werck gesetzet war, gereichte
nicht allein dem Herrn, sondern auch der Heerde selbsten, zum äusser-
sten Schaden und
Ruin. Denn nachdem der Hirte von denen verhun-
gerten Schaafen weder Käß noch Wolle mehr zu hoffen hatte, musten
sie endlich selbsten nach einander dahin fallen und verschmachten. Also
ward der ungluckselige
Menalcas, binnen einer Zeit von dreyen Mona-
ten seines
Capitals und des Interesse mit einander quitt, durffte auch,
dem alten Sprichwort nach, weil er den Schaden hatte, vor den
Spott nicht sorgen, als welcher unlängst ein reicher Schäfer dieses Lan-
des gewesen; nunmehro aber mit denen Fellen derer umgefallenen
Schaafe zu handeln anfienge; wozu ihn aber nichts als der eitle Ehr-
und Geld-Geitz gebracht, dabey er sich jedoch seiner getriebenen Kauff-
mannschafft wiewohl nicht ohne Schmertzen, stets erinnernkunte. Die-
ser Schade aber, der da nicht geringe, hatte keinen andern Ursprung,
als das
Menalcas, in der Schaffhirtischen Kunst nicht allerdings wohl
erfahren war; allermassen diese von derjenigen so in andern Kauff-
manns-Händeln gebräuchlich gantz
different und unterschieden, daß
auch dannenhero dem
Menalca, so mit 600 Schaafen jährlich 600. Tha-
ler zu gewinnen gewohnet war, seine Rechnung weit fehlete, indem er
mit 2000. Schaafen auch 2000. Thaler zu gewinnen vermeynte. Es
ist zwar gewiß und wahr, daß in der
ordinairen Rechen-Kunst zwey-
mal 5. zehen, dreymal 5. funffzehen machet und so fortan. Aber in der
Schäfer-Rechnung machet zweymal 5. nur 3. dreymal 5. macht eins,
und viermal 5. bringet gar heraus die
Nulle, welche diejenigen in das
Verderben stürtzet, die gar zu viel haben wollen, dergestalt, daß sie
zu letzt, wie
AEsopi Hund, der vor ein Stücke Fleisch zwey zu erlangen
vermeynte, gar keines bekommen.

Die-

widerſetzen, welches dem armſeligen und betruͤbten Menalcas Urſache
zur endlichen Verzweiffelung gab. In ſolcher Verzweiffelung erho-
let er ſich Raths bey dem allerſchaͤdlichſten
Politico, einem Florentiner
von Geburt, und ſtellete ihm auch Glauben zu. Dieſer ſagte ihm, wie
daß kein beſſer Mittel waͤre, dieſe fremde Schaafe unter ſeinen Gehor-
ſam zu bringen, deſſen ſich auch die verſtaͤndigſten und kluͤgſten Hirten je-
derzeit bedienet haͤtten, als die Schafe laſſen recht Mager werden.
Dieſes Mittel aber, ſobald es in das Werck geſetzet war, gereichte
nicht allein dem Herrn, ſondern auch der Heerde ſelbſten, zum aͤuſſer-
ſten Schaden und
Ruin. Denn nachdem der Hirte von denen verhun-
gerten Schaafen weder Kaͤß noch Wolle mehr zu hoffen hatte, muſten
ſie endlich ſelbſten nach einander dahin fallen und verſchmachten. Alſo
ward der unglůckſelige
Menalcas, binnen einer Zeit von dreyen Mona-
ten ſeines
Capitals und des Intereſſe mit einander quitt, durffte auch,
dem alten Sprichwort nach, weil er den Schaden hatte, vor den
Spott nicht ſorgen, als welcher unlaͤngſt ein reicher Schaͤfer dieſes Lan-
des geweſen; nunmehro aber mit denen Fellen derer umgefallenen
Schaafe zu handeln anfienge; wozu ihn aber nichts als der eitle Ehr-
und Geld-Geitz gebracht, dabey er ſich jedoch ſeiner getriebenen Kauff-
mannſchafft wiewohl nicht ohne Schmertzen, ſtets erinnernkunte. Die-
ſer Schade aber, der da nicht geringe, hatte keinen andern Urſprung,
als das
Menalcas, in der Schaffhirtiſchen Kunſt nicht allerdings wohl
erfahren war; allermaſſen dieſe von derjenigen ſo in andern Kauff-
manns-Haͤndeln gebraͤuchlich gantz
different und unterſchieden, daß
auch dannenhero dem
Menalca, ſo mit 600 Schaafen jaͤhrlich 600. Tha-
ler zu gewinnen gewohnet war, ſeine Rechnung weit fehlete, indem er
mit 2000. Schaafen auch 2000. Thaler zu gewinnen vermeynte. Es
iſt zwar gewiß und wahr, daß in der
ordinairen Rechen-Kunſt zwey-
mal 5. zehen, dreymal 5. funffzehen machet und ſo fortan. Aber in der
Schaͤfer-Rechnung machet zweymal 5. nur 3. dreymal 5. macht eins,
und viermal 5. bringet gar heraus die
Nulle, welche diejenigen in das
Verderben ſtuͤrtzet, die gar zu viel haben wollen, dergeſtalt, daß ſie
zu letzt, wie
Æſopi Hund, der vor ein Stuͤcke Fleiſch zwey zu erlangen
vermeynte, gar keines bekommen.

Die-
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[148/0192] widerſetzen, welches dem armſeligen und betruͤbten Menalcas Urſache zur endlichen Verzweiffelung gab. In ſolcher Verzweiffelung erho- let er ſich Raths bey dem allerſchaͤdlichſten Politico, einem Florentiner von Geburt, und ſtellete ihm auch Glauben zu. Dieſer ſagte ihm, wie daß kein beſſer Mittel waͤre, dieſe fremde Schaafe unter ſeinen Gehor- ſam zu bringen, deſſen ſich auch die verſtaͤndigſten und kluͤgſten Hirten je- derzeit bedienet haͤtten, als die Schafe laſſen recht Mager werden. Dieſes Mittel aber, ſobald es in das Werck geſetzet war, gereichte nicht allein dem Herrn, ſondern auch der Heerde ſelbſten, zum aͤuſſer- ſten Schaden und Ruin. Denn nachdem der Hirte von denen verhun- gerten Schaafen weder Kaͤß noch Wolle mehr zu hoffen hatte, muſten ſie endlich ſelbſten nach einander dahin fallen und verſchmachten. Alſo ward der unglůckſelige Menalcas, binnen einer Zeit von dreyen Mona- ten ſeines Capitals und des Intereſſe mit einander quitt, durffte auch, dem alten Sprichwort nach, weil er den Schaden hatte, vor den Spott nicht ſorgen, als welcher unlaͤngſt ein reicher Schaͤfer dieſes Lan- des geweſen; nunmehro aber mit denen Fellen derer umgefallenen Schaafe zu handeln anfienge; wozu ihn aber nichts als der eitle Ehr- und Geld-Geitz gebracht, dabey er ſich jedoch ſeiner getriebenen Kauff- mannſchafft wiewohl nicht ohne Schmertzen, ſtets erinnernkunte. Die- ſer Schade aber, der da nicht geringe, hatte keinen andern Urſprung, als das Menalcas, in der Schaffhirtiſchen Kunſt nicht allerdings wohl erfahren war; allermaſſen dieſe von derjenigen ſo in andern Kauff- manns-Haͤndeln gebraͤuchlich gantz different und unterſchieden, daß auch dannenhero dem Menalca, ſo mit 600 Schaafen jaͤhrlich 600. Tha- ler zu gewinnen gewohnet war, ſeine Rechnung weit fehlete, indem er mit 2000. Schaafen auch 2000. Thaler zu gewinnen vermeynte. Es iſt zwar gewiß und wahr, daß in der ordinairen Rechen-Kunſt zwey- mal 5. zehen, dreymal 5. funffzehen machet und ſo fortan. Aber in der Schaͤfer-Rechnung machet zweymal 5. nur 3. dreymal 5. macht eins, und viermal 5. bringet gar heraus die Nulle, welche diejenigen in das Verderben ſtuͤrtzet, die gar zu viel haben wollen, dergeſtalt, daß ſie zu letzt, wie Æſopi Hund, der vor ein Stuͤcke Fleiſch zwey zu erlangen vermeynte, gar keines bekommen. Die-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/192>, abgerufen am 24.11.2024.