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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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mehr Jahren, und zwar noch wohl darzu auf Anrathen ihres Herrn Curatoris
heyrathet, weil solchen lieben Kindern insgemein von denen Geldgeitzigen Na-
bals-Brüdern in ihren jungen Jahren weiß gemachet wird, wie ein solcher
alter und venerabler Mann ein schönes eigenes Haus besässe, einen kostbaren
und lustigen Garten vor dem Thore hätte, in welchem sie alle Tage sich mit
Vergnügen divertiren könte, eine schöne Handlung von mehr als funfftzigtau-
send Thaler führte, und noch wohl darzu (welches mein liebes Jungfer-
gen!
sagen sie, das beste auf der Welt ist) über siebzig tausend Thaler an
baaren Gelde in banco liegen hätte. Da nun heist es: O Himmel! Wer
wolte so thöricht handeln, und eine Parthev von der Art ausschlagen?

Ferner, so sind solche Leute insgemein nach der ersten Sorte im höchsten Grad
leichtgläubig. Ich will so viel sagen, man kan ihnen ohne den geringsten Wi-
derspruch, gar leichte weiß machen, daß der Teuffel die Huren reithe, und
daß die alten Hexen an Walpurgis-Abend auf höltzernen Krücken und Mist-
Gabeln nach dem Blolcks-Berg führen, und allda mit ihren Cameradinnen
und dem bösen Feind eine Menuet oder Passepied tantzen, weil solche Leute von
Natur sehr müßig sind, auch von vielem und grossen Nachdencken eben nicht
sonderlichen Staat zu machen pflegen. Man kan ihre kindische Leichtgläu-
bigkeit sonderlich daher mit Händen greiffen, wann sie dem menschlichen Anse-
hen allzuviel glauben ohne Raison beymessen, und vor grosser Einfalt dabey
seufftzen und sagen: Man würde doch die Wabrheit nicht so gut als
wie dieser oder jener vornehmer Mann, und ansehnliche
Professor, erfin-
den können. Es hätte der liebe Herr
Praeceptor und Doctor diese Materie
so galant und demonstrativisch ausgeführet, daß sie unmöglich noch besser
und
demonstrativischer ausgeführet werden könte; da doch nicht geläug-
net werden mag, daß keine Wahrheit so deutlich erfunden worden ist, daß sie
nicht noch deutlicher und accurater erkannt werden könte, weil sonst folgen wür-
de, daß ein endlicher Verstand alle Wahrheit auf einmal völlig begriffen und
gäntzlich eingesehen hätte.

Die hitzigen Leute sind insgemein sehr hochmüthig, und suchen sich vor
vielen andern, durch unnütze Grillen und vergeblichen Speculationes zu distin-
gui
ren. Sie wollen nicht allein in ihren Lehr-Sätzen infaillible seyn, wie
der Römische Pabst, sondern auch par force haben, daß man ihnen absolut,
und ohne eintzige Contradiction glauben müsse. Was sie redeten, das müste
nothwendig vom Himmel herab geredet seyn. Sie wären das eintzige Oraculum

Del-

mehr Jahren, und zwar noch wohl darzu auf Anrathen ihres Herrn Curatoris
heyrathet, weil ſolchen lieben Kindern insgemein von denen Geldgeitzigen Na-
bals-Bruͤdern in ihren jungen Jahren weiß gemachet wird, wie ein ſolcher
alter und venerabler Mann ein ſchoͤnes eigenes Haus beſaͤſſe, einen koſtbaren
und luſtigen Garten vor dem Thore haͤtte, in welchem ſie alle Tage ſich mit
Vergnuͤgen divertiren koͤnte, eine ſchoͤne Handlung von mehr als funfftzigtau-
ſend Thaler fuͤhrte, und noch wohl darzu (welches mein liebes Jungfer-
gen!
ſagen ſie, das beſte auf der Welt iſt) uͤber ſiebzig tauſend Thaler an
baaren Gelde in banco liegen haͤtte. Da nun heiſt es: O Himmel! Wer
wolte ſo thoͤricht handeln, und eine Parthev von der Art ausſchlagen?

Ferner, ſo ſind ſolche Leute insgemein nach der erſten Sorte im hoͤchſten Grad
leichtglaͤubig. Ich will ſo viel ſagen, man kan ihnen ohne den geringſten Wi-
derſpruch, gar leichte weiß machen, daß der Teuffel die Huren reithe, und
daß die alten Hexen an Walpurgis-Abend auf hoͤltzernen Kruͤcken und Miſt-
Gabeln nach dem Blolcks-Berg fuͤhren, und allda mit ihren Cameradinnen
und dem boͤſen Feind eine Menuet oder Paſſepied tantzen, weil ſolche Leute von
Natur ſehr muͤßig ſind, auch von vielem und groſſen Nachdencken eben nicht
ſonderlichen Staat zu machen pflegen. Man kan ihre kindiſche Leichtglaͤu-
bigkeit ſonderlich daher mit Haͤnden greiffen, wann ſie dem menſchlichen Anſe-
hen allzuviel glauben ohne Raiſon beymeſſen, und vor groſſer Einfalt dabey
ſeufftzen und ſagen: Man wuͤrde doch die Wabrheit nicht ſo gut als
wie dieſer oder jener vornehmer Mann, und anſehnliche
Profeſſor, erfin-
den koͤnnen. Es haͤtte der liebe Herr
Præceptor und Doctor dieſe Materie
ſo galant und demonſtrativiſch ausgefuͤhret, daß ſie unmoͤglich noch beſſer
und
demonſtrativiſcher ausgefuͤhret werden koͤnte; da doch nicht gelaͤug-
net werden mag, daß keine Wahrheit ſo deutlich erfunden worden iſt, daß ſie
nicht noch deutlicher und accurater erkannt werden koͤnte, weil ſonſt folgen wuͤr-
de, daß ein endlicher Verſtand alle Wahrheit auf einmal voͤllig begriffen und
gaͤntzlich eingeſehen haͤtte.

Die hitzigen Leute ſind insgemein ſehr hochmuͤthig, und ſuchen ſich vor
vielen andern, durch unnuͤtze Grillen und vergeblichen Speculationes zu diſtin-
gui
ren. Sie wollen nicht allein in ihren Lehr-Saͤtzen infaillible ſeyn, wie
der Roͤmiſche Pabſt, ſondern auch par force haben, daß man ihnen abſolut,
und ohne eintzige Contradiction glauben muͤſſe. Was ſie redeten, das muͤſte
nothwendig vom Himmel herab geredet ſeyn. Sie waͤren das eintzige Oraculum

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/220>, abgerufen am 24.11.2024.