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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Doch nun thut GOtt erwecken frey
Einen Vogel, der ohne Scheu
Zum Teutschen Poeten gecrönet ist
Von hohen Leuten dieser Frist etc.

Es fehlet auch an solchen nicht, welche ihren Büchern eine gantze Menge
Lob-Gedichte vorsetzen, als ob sie ihnen von vornehmen Leuten freywillig,
und aus eigener Hochachtung wären zugeschicket worden; die sie doch in der
That entweder selbst gemachet, oder ihren Clienten und Anhängern abge-
presset haben. Dergleichen Leute scheinen es dem Cardinal Granvella nachzu-
thun; welcher ebenfalls, damit der Spanische Triumph Kaysers Caroli V.
desto ansehnlicher seyn möchte, ohne dasjenige Geschütze, so der Kayser denen
überwundenen Protestanten wircklich abgenommen gehabt, auf Käyserliche
Unkosten noch viele neue Stücke in Teutschland giessen, und mit Heßischen und
Sächsischen Wappen hat bezeichnen lassen.

Andere Bücher-Schreiber hingegen sind von der Caprice, daß sie sich
mit Fleiß einen Widersacher suchen, durch dessen Bestreitung sie berühmt zu
werden verhoffen. Diese ärgert nichts mehr, als wann sich Niemand über sie
ärgern will, und daher erdencken sie, wie Seneca saget, allerhand abge-
schmackte Possen, welche gescheiten Leuten kaum im Schlaffe einkom-
men würden.
Ja damit es nur das Anfehen habe, als hätten sie was neues
erfunden, so scheuen sie sich nicht alles, was der Vernunfft und denen Sin-
nen gemäß ist anzufechten, in der eintzigen Absicht, einen berühmten Gegner zu
bekommen, mit dem sie sich auf das zierlichste, nach Klopff-Fechter-Manier,
herum schlagen könten. Und wann über Verhoffen auch diese Kriegs-List fehl
schlägt, so fangen sie selber an, wider ihre eigene Geburt, auf das greulichste zu
wüten; massen von dem Poeten Garopolus bekannt ist, das er sein Gedicht vom
Carolo Magno, in einer öffentlichen Censur, sehr scharff durchgezogen hat.

Noch andere, wann sie keine fremde Redner auftreiben, lassen sichs nicht
dauren, ihre Gelehrsamkeit mit eigenem Munde auszuposaunen, damit sie ja
denen Marckt-Schreyern recht gleich werden mögen, die den unverständigen

Pöbel
Doch nun thut GOtt erwecken frey
Einen Vogel, der ohne Scheu
Zum Teutſchen Poëten gecroͤnet iſt
Von hohen Leuten dieſer Friſt ꝛc.

Es fehlet auch an ſolchen nicht, welche ihren Buͤchern eine gantze Menge
Lob-Gedichte vorſetzen, als ob ſie ihnen von vornehmen Leuten freywillig,
und aus eigener Hochachtung waͤren zugeſchicket worden; die ſie doch in der
That entweder ſelbſt gemachet, oder ihren Clienten und Anhaͤngern abge-
preſſet haben. Dergleichen Leute ſcheinen es dem Cardinal Granvella nachzu-
thun; welcher ebenfalls, damit der Spaniſche Triumph Kayſers Caroli V.
deſto anſehnlicher ſeyn moͤchte, ohne dasjenige Geſchuͤtze, ſo der Kayſer denen
uͤberwundenen Proteſtanten wircklich abgenommen gehabt, auf Kaͤyſerliche
Unkoſten noch viele neue Stuͤcke in Teutſchland gieſſen, und mit Heßiſchen und
Saͤchſiſchen Wappen hat bezeichnen laſſen.

Andere Buͤcher-Schreiber hingegen ſind von der Caprice, daß ſie ſich
mit Fleiß einen Widerſacher ſuchen, durch deſſen Beſtreitung ſie beruͤhmt zu
werden verhoffen. Dieſe aͤrgert nichts mehr, als wann ſich Niemand uͤber ſie
aͤrgern will, und daher erdencken ſie, wie Seneca ſaget, allerhand abge-
ſchmackte Poſſen, welche geſcheiten Leuten kaum im Schlaffe einkom-
men wuͤrden.
Ja damit es nur das Anfehen habe, als haͤtten ſie was neues
erfunden, ſo ſcheuen ſie ſich nicht alles, was der Vernunfft und denen Sin-
nen gemaͤß iſt anzufechten, in der eintzigen Abſicht, einen beruͤhmten Gegner zu
bekommen, mit dem ſie ſich auf das zierlichſte, nach Klopff-Fechter-Manier,
herum ſchlagen koͤnten. Und wann uͤber Verhoffen auch dieſe Kriegs-Liſt fehl
ſchlaͤgt, ſo fangen ſie ſelber an, wider ihre eigene Geburt, auf das greulichſte zu
wuͤten; maſſen von dem Poëten Garopolus bekannt iſt, das er ſein Gedicht vom
Carolo Magno, in einer oͤffentlichen Cenſur, ſehr ſcharff durchgezogen hat.

Noch andere, wann ſie keine fremde Redner auftreiben, laſſen ſichs nicht
dauren, ihre Gelehrſamkeit mit eigenem Munde auszupoſaunen, damit ſie ja
denen Marckt-Schreyern recht gleich werden moͤgen, die den unverſtaͤndigen

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[200/0244] Doch nun thut GOtt erwecken frey Einen Vogel, der ohne Scheu Zum Teutſchen Poëten gecroͤnet iſt Von hohen Leuten dieſer Friſt ꝛc. Es fehlet auch an ſolchen nicht, welche ihren Buͤchern eine gantze Menge Lob-Gedichte vorſetzen, als ob ſie ihnen von vornehmen Leuten freywillig, und aus eigener Hochachtung waͤren zugeſchicket worden; die ſie doch in der That entweder ſelbſt gemachet, oder ihren Clienten und Anhaͤngern abge- preſſet haben. Dergleichen Leute ſcheinen es dem Cardinal Granvella nachzu- thun; welcher ebenfalls, damit der Spaniſche Triumph Kayſers Caroli V. deſto anſehnlicher ſeyn moͤchte, ohne dasjenige Geſchuͤtze, ſo der Kayſer denen uͤberwundenen Proteſtanten wircklich abgenommen gehabt, auf Kaͤyſerliche Unkoſten noch viele neue Stuͤcke in Teutſchland gieſſen, und mit Heßiſchen und Saͤchſiſchen Wappen hat bezeichnen laſſen. Andere Buͤcher-Schreiber hingegen ſind von der Caprice, daß ſie ſich mit Fleiß einen Widerſacher ſuchen, durch deſſen Beſtreitung ſie beruͤhmt zu werden verhoffen. Dieſe aͤrgert nichts mehr, als wann ſich Niemand uͤber ſie aͤrgern will, und daher erdencken ſie, wie Seneca ſaget, allerhand abge- ſchmackte Poſſen, welche geſcheiten Leuten kaum im Schlaffe einkom- men wuͤrden. Ja damit es nur das Anfehen habe, als haͤtten ſie was neues erfunden, ſo ſcheuen ſie ſich nicht alles, was der Vernunfft und denen Sin- nen gemaͤß iſt anzufechten, in der eintzigen Abſicht, einen beruͤhmten Gegner zu bekommen, mit dem ſie ſich auf das zierlichſte, nach Klopff-Fechter-Manier, herum ſchlagen koͤnten. Und wann uͤber Verhoffen auch dieſe Kriegs-Liſt fehl ſchlaͤgt, ſo fangen ſie ſelber an, wider ihre eigene Geburt, auf das greulichſte zu wuͤten; maſſen von dem Poëten Garopolus bekannt iſt, das er ſein Gedicht vom Carolo Magno, in einer oͤffentlichen Cenſur, ſehr ſcharff durchgezogen hat. Noch andere, wann ſie keine fremde Redner auftreiben, laſſen ſichs nicht dauren, ihre Gelehrſamkeit mit eigenem Munde auszupoſaunen, damit ſie ja denen Marckt-Schreyern recht gleich werden moͤgen, die den unverſtaͤndigen Poͤbel

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/244>, abgerufen am 24.11.2024.