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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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finstere und unsaubere Gesichte mit einem langen Bart verwahret hatten, ge-
wiß glaubten, daß ihnen nun nichts weiter zu dem Ansehen eines großen
Weltweisen
fehlen könne; wie dann dergleichen bemänteltes behaartes, und
mit einem, biß auf die Knie reichenden, Bart bedecktes Ungeheuer von dem
Gellius angeführet wird. Aristoteles hingegen verfiel auf einen andern Ex-
cess.
Er bediente sich nemlich derer kostbarsten Kleider und Schuhe, ließ den
Bart, wider den damaligen Brauch derer Weltweisen glatt wegscheren, be-
steckte die Finger mit Ringen, und führte sich im übrigen so auf, daß wann
man die Sache genau betrachtet, er sowohl als jene eine ziemliche Stelle in dem
Narren-Register verdient hat. Jedoch, es gehet zu unserer Zeit ebenfalls
nicht besser zu. Denn mancher Gelehrter weiß entweder vor ehrgierigen
Hochmuth nicht, wie er sich prächtig genug heraus kleiden solle, damit er nur
vor einen Mann nach der heutigen Welt, vor einen galant homme, möge
gehalten werden; oder er ziehet gar zu unflätig auf, und tritt in einem ab-
geschabten Mantel altväterischen Rocke, und mit herunter hangenden Plu-
der-Hosen einher, bloß damit die Leute dencken sollen, ihr eintziges Tichten
und Trachten sey nur auf das Studiren gerichtet. Von dem gelehrten Fran-
tzosen Jacob Rohault ist bekannt, daß er einen so seltsamen aufgeschlagenen
Hut getragen, daß Mollier, als er einen Licht scheuenden Gelehrten auf
dem Theatro vorstellen wollen, diesen Hut von ihm borgen lassen, und sonst
alles so eingerichtet hat, das sobald nur der Kerl auf das Theatrum getreten,
selbigen jederman vor ein Ebenbild des Rohauts erkennet und von Hertzen
darüber gelachet hat.

Zu loben ist hingegen jener Baselische Professor, welcher, als er sahe, daß
jederman, der ihm begegnete, seines anhabenden sammeten Peltzes wegen
vor ihm den Hut abnahm, daß doch vorhero nicht geschehen war, und man al-
so seinem Kleide mehr Ehre erzeigte als seiner Person, sich selbst dermassen ver-
drießen liesse, daß er den Rock auf den Hack-Stocke in kleine Stücken
zerhübe.

An solchen Gelehrten fehlet es auch nicht, die sich selbst mit Fleiß zum Ge-
lächter machen, wann sie es nur, ihrer Meynung nach, dahin bringen, daß
man allenthalben von ihnen, als von neuen und ungewöhnlichen Abend-
theuer, zu reden pfleget, in welchem Stücke Heinrich Loritus von seiner Va-
ter-Stadt Glareanus genannt, statt aller übrigen zum Exempel dienen kan.
Selbiger war ein guter Freund des Erasmus und lehrte erstlich zu Basel die

Phi-

finſtere und unſaubere Geſichte mit einem langen Bart verwahret hatten, ge-
wiß glaubten, daß ihnen nun nichts weiter zu dem Anſehen eines großen
Weltweiſen
fehlen koͤnne; wie dann dergleichen bemaͤnteltes behaartes, und
mit einem, biß auf die Knie reichenden, Bart bedecktes Ungeheuer von dem
Gellius angefuͤhret wird. Ariſtoteles hingegen verfiel auf einen andern Ex-
ceſſ.
Er bediente ſich nemlich derer koſtbarſten Kleider und Schuhe, ließ den
Bart, wider den damaligen Brauch derer Weltweiſen glatt wegſcheren, be-
ſteckte die Finger mit Ringen, und fuͤhrte ſich im uͤbrigen ſo auf, daß wann
man die Sache genau betrachtet, er ſowohl als jene eine ziemliche Stelle in dem
Narren-Regiſter verdient hat. Jedoch, es gehet zu unſerer Zeit ebenfalls
nicht beſſer zu. Denn mancher Gelehrter weiß entweder vor ehrgierigen
Hochmuth nicht, wie er ſich praͤchtig genug heraus kleiden ſolle, damit er nur
vor einen Mann nach der heutigen Welt, vor einen galant homme, moͤge
gehalten werden; oder er ziehet gar zu unflaͤtig auf, und tritt in einem ab-
geſchabten Mantel altvaͤteriſchen Rocke, und mit herunter hangenden Plu-
der-Hoſen einher, bloß damit die Leute dencken ſollen, ihr eintziges Tichten
und Trachten ſey nur auf das Studiren gerichtet. Von dem gelehrten Fran-
tzoſen Jacob Rohault iſt bekannt, daß er einen ſo ſeltſamen aufgeſchlagenen
Hut getragen, daß Mollier, als er einen Licht ſcheuenden Gelehrten auf
dem Theatro vorſtellen wollen, dieſen Hut von ihm borgen laſſen, und ſonſt
alles ſo eingerichtet hat, das ſobald nur der Kerl auf das Theatrum getreten,
ſelbigen jederman vor ein Ebenbild des Rohauts erkennet und von Hertzen
daruͤber gelachet hat.

Zu loben iſt hingegen jener Baſeliſche Profeſſor, welcher, als er ſahe, daß
jederman, der ihm begegnete, ſeines anhabenden ſammeten Peltzes wegen
vor ihm den Hut abnahm, daß doch vorhero nicht geſchehen war, und man al-
ſo ſeinem Kleide mehr Ehre erzeigte als ſeiner Perſon, ſich ſelbſt dermaſſen ver-
drießen lieſſe, daß er den Rock auf den Hack-Stocke in kleine Stuͤcken
zerhuͤbe.

An ſolchen Gelehrten fehlet es auch nicht, die ſich ſelbſt mit Fleiß zum Ge-
laͤchter machen, wann ſie es nur, ihrer Meynung nach, dahin bringen, daß
man allenthalben von ihnen, als von neuen und ungewoͤhnlichen Abend-
theuer, zu reden pfleget, in welchem Stuͤcke Heinrich Loritus von ſeiner Va-
ter-Stadt Glareanus genannt, ſtatt aller uͤbrigen zum Exempel dienen kan.
Selbiger war ein guter Freund des Eraſmus und lehrte erſtlich zu Baſel die

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[210/0254] finſtere und unſaubere Geſichte mit einem langen Bart verwahret hatten, ge- wiß glaubten, daß ihnen nun nichts weiter zu dem Anſehen eines großen Weltweiſen fehlen koͤnne; wie dann dergleichen bemaͤnteltes behaartes, und mit einem, biß auf die Knie reichenden, Bart bedecktes Ungeheuer von dem Gellius angefuͤhret wird. Ariſtoteles hingegen verfiel auf einen andern Ex- ceſſ. Er bediente ſich nemlich derer koſtbarſten Kleider und Schuhe, ließ den Bart, wider den damaligen Brauch derer Weltweiſen glatt wegſcheren, be- ſteckte die Finger mit Ringen, und fuͤhrte ſich im uͤbrigen ſo auf, daß wann man die Sache genau betrachtet, er ſowohl als jene eine ziemliche Stelle in dem Narren-Regiſter verdient hat. Jedoch, es gehet zu unſerer Zeit ebenfalls nicht beſſer zu. Denn mancher Gelehrter weiß entweder vor ehrgierigen Hochmuth nicht, wie er ſich praͤchtig genug heraus kleiden ſolle, damit er nur vor einen Mann nach der heutigen Welt, vor einen galant homme, moͤge gehalten werden; oder er ziehet gar zu unflaͤtig auf, und tritt in einem ab- geſchabten Mantel altvaͤteriſchen Rocke, und mit herunter hangenden Plu- der-Hoſen einher, bloß damit die Leute dencken ſollen, ihr eintziges Tichten und Trachten ſey nur auf das Studiren gerichtet. Von dem gelehrten Fran- tzoſen Jacob Rohault iſt bekannt, daß er einen ſo ſeltſamen aufgeſchlagenen Hut getragen, daß Mollier, als er einen Licht ſcheuenden Gelehrten auf dem Theatro vorſtellen wollen, dieſen Hut von ihm borgen laſſen, und ſonſt alles ſo eingerichtet hat, das ſobald nur der Kerl auf das Theatrum getreten, ſelbigen jederman vor ein Ebenbild des Rohauts erkennet und von Hertzen daruͤber gelachet hat. Zu loben iſt hingegen jener Baſeliſche Profeſſor, welcher, als er ſahe, daß jederman, der ihm begegnete, ſeines anhabenden ſammeten Peltzes wegen vor ihm den Hut abnahm, daß doch vorhero nicht geſchehen war, und man al- ſo ſeinem Kleide mehr Ehre erzeigte als ſeiner Perſon, ſich ſelbſt dermaſſen ver- drießen lieſſe, daß er den Rock auf den Hack-Stocke in kleine Stuͤcken zerhuͤbe. An ſolchen Gelehrten fehlet es auch nicht, die ſich ſelbſt mit Fleiß zum Ge- laͤchter machen, wann ſie es nur, ihrer Meynung nach, dahin bringen, daß man allenthalben von ihnen, als von neuen und ungewoͤhnlichen Abend- theuer, zu reden pfleget, in welchem Stuͤcke Heinrich Loritus von ſeiner Va- ter-Stadt Glareanus genannt, ſtatt aller uͤbrigen zum Exempel dienen kan. Selbiger war ein guter Freund des Eraſmus und lehrte erſtlich zu Baſel die Phi-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/254>, abgerufen am 24.11.2024.